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       # taz.de -- Streit einer Bremer Mieterin mit Vonovia: Der Kampf um trockene Füße
       
       > Wenn man jahrelang auf nötige Reparaturen wartet, kann das Mieter-Dasein
       > zum Abenteuer werden. Frau H. kann eine Geschichte davon erzählen.
       
   IMG Bild: Mitunter macht Vonovia auch durch vorbildliche Fassadengestaltung von sich reden wie hier in Essen
       
       Bremen taz | Es ist kurz vor neun, als Frau H. versucht, die taz-Redaktion
       zu erreichen. Ein Rückruf: „Ja, also ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass
       die von Vonovia heute morgen da waren, es ist jetzt alles repariert.“
       Rückfrage mit Blick auf die noch sehr tief stehende Sonne vorm
       Redaktionsfenster: „Um wie viel Uhr?“ „Ja, so um kurz vor acht.“
       
       „Himmel!“, und das ohne Ankündigung: Die wollten ja eigentlich erst in
       einem Monat kommen. Tüchtige Leute, die von Vonovia, kommen bei einer
       Reparatur sogar einen Monat vor dem vereinbarten Termin und verlassen schon
       um kurz nach acht gemachter Dinge die ersten Wohnungen – wenn wir nur alle
       so eine enge Betreuung von unseren VermieterInnen erhalten würden, wäre die
       Welt bestimmt ein besserer Ort. Ganz bestimmt.
       
       Gute Nachrichten also an diesem Donnerstagmorgen. Doch möglicherweise mag
       man sich jetzt, berechtigterweise, fragen: Und wieso ruft eine Mieterin in
       der taz-Redaktion an, um davon zu berichten, dass die Regenrinne ihres
       Balkons im 2.OG in Bremen-Nord repariert wurde?
       
       Wenn man es anders sagt, hat Vonovia den Balkon von Frau H. nicht einen
       Monat „zu früh“ repariert, sondern fünf Jahre zu spät. Seit 2011 lebt sie
       in dieser Wohnung, seit 2015 gehört die Wohnung zu Vonovia, dem größten
       deutschen Privatvermieter.
       
       ## Der Weg zur Reparatur glich einer Odyssee
       
       Ebenfalls seit 2015 versucht Frau H. in regelmäßigen Abständen ihren
       Vermieter Vonovia zu erreichen. Genauer genommen nach jedem Starkregen,
       und den gibt es in Bremen bekanntlichermaßen oft. Denn nach jedem stärkeren
       Regenfall verwandelt sich Frau H.s Balkon in ein knöcheltiefes Fußbad.
       Unbenutzbar für die 44-Jährige und ihre zwei Hauskatzen. Seit fünf Jahren
       ist der Fall Vonovia bekannt. Ebenfalls seit fünf Jahren „kümmern wir uns
       um die Anliegen unserer Mieterin“ heißt es in einer E-Mail von der
       Pressestelle auf Nachfrage der taz.
       
       Es gleicht einem schlechten Scherz: Allein 2019 wurden, auf Drängen von
       Frau H., sieben Termine ausgemacht, an denen die Reparatur durchgeführt
       werden sollte. Passiert ist sieben Mal nichts. Sieben Mal allerdings war
       Frau H. zu Hause blockiert und konnte nicht zur Arbeit gehen, wegen der
       großzügig genannten Zeitfenster, in denen sie mit Vonovia zu rechnen habe,
       beispielsweise 12–18 Uhr.
       
       Die Erklärungen von Vonovia, wieso niemand gekommen sei, waren kreativ. Das
       muss man ihnen lassen. Beispielsweise, dass das Auto der HandwerkerInnen zu
       groß für die Straße von Frau H. gewesen sei, dass ein Handwerker gekommen
       und vor Ort gemerkt habe, dass man für die Arbeit zwei Handwerker braucht
       oder auch, dass man nicht gekommen sei, weil es geregnet hat. Für Vonovia
       ist Regen also ein großes Problem, dass es das auch für ihre Mieterin ist,
       scheint keinen großen Eindruck zu machen.
       
       Zumindest bis zu dieser Woche. Dass der Reparaturprozess sich im Vergleich
       zu den letzten fünf Jahren in den vergangenen Tagen exponentiell
       beschleunigt hat, liegt möglicherweise am Druck von außen. Denn die
       Stadtteilgewerkschaft „Solidarisch in Gröpelingen“ hatte sich Ende letzter
       Woche an die taz gewandt und den Fall der Frau H. geschildert. Dass Vonovia
       sich in zu vielen Fällen unzureichend um seine MieterInnen kümmere, ist
       hier ein bekannter Vorwurf.
       
       Die taz hatte dann Anfang der Woche Kontakt mit Vonovia aufgenommen. Was
       denn mit dem Balkon von Frau H. in Bremen sei, war unsere Frage. „Wir sind
       regelmäßig mit der Mieterin im Austausch und kümmern uns um ihre Anliegen“,
       so die Antwort an Dienstag. Man werde „ein Prallblech anbringen“, und zwar,
       „um den Balkon nun noch besser vor Starkregen zu schützen“. Hierfür sei man
       „mit der Mieterin weiterhin im Austausch“. Und schwupp: Donnerstag früh
       war’s passiert.
       
       Zu wissen, dass Frau H. einen reparierten Balkon hat, ist schön. Aber zu
       wissen, dass der Fall von Frau H. bei Weitem kein Einzelfall ist, ist
       weniger schön. Der Stadtteilgewerkschaft in Gröpelingen sind eine Vielzahl
       solcher und anderer Fälle von „Vonovia“-MieterInnen bekannt: Allein zweimal
       pro Monat treffen sich die Betroffenen im Mietkomitee und sprechen über die
       Probleme mit ihrem Vermieter Vonovia. Dass sich niemand freiwillig so
       intensiv mit dem eigenen Vermieter auseinandersetzt, wird jedem bewusst
       sein.
       
       Denn neben Problemen in der Kommunikation und Reparatur, wie bei Frau H.,
       gibt es von MieterInnen auch Zweifel an den Nebenkostenabrechnungen. Sie
       hatten im vergangenen Jahr an einer Widerspruchskampagne teilgenommen und
       eine Demo gegen Vonovia organisiert. Noch bis heute warten sie auf
       aussagekräftige Belege zu ihren Nebenkostenabrechnungen.
       
       Dass Vonovias Transparenz- und Kommunikationswille endlich ist, wird auch
       im Gebäudekomplex in der Selsinger Straße klar. Der wird aktuell
       modernisiert, worüber Vonovia per Plakat am Eingang informiert,
       einschließlich einer Hotline für Fragen. Leider nur steht direkt unter der
       Rufnummer: „Bitte nicht mehr anrufen.“
       
       17 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sophie Lahusen
       
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