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       # taz.de -- Einigung zum Kohleausstieg: Umweltverbände sind empört
       
       > Der Abschaltplan für Kohlekraftwerke steht. Doch Bund, Länder und
       > Konzerne setzen die Forderungen der Kohlekommission nicht exakt um.
       
   IMG Bild: „Rote Linie“-Demonstration am Hambacher Forst im Sommer 2019. Der Braunkohlebagger der RWE nähert sich
       
       Berlin taz | Knapp ein Jahr nachdem die sogenannte Kohlekommission ihren
       Bericht vorgelegt hat, macht sich die Regierung nun an die Umsetzung: In
       der Nacht zu Donnerstag einigten sich Vertreter von Bund und Ländern auf
       einen konkreten Plan, wie der [1][Kohleausstieg] ablaufen soll. Während
       Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Morgen von einem „historischen
       Durchbruch“ sprach, sehen Umweltverbände die Entscheidung als Verrat an den
       Beschlüssen der Kommission, in der sie mitgewirkt hatten.
       
       Zentrales Element der Einigung ist eine genaue, mit den Betreibern
       abgestimmte Übersicht, wann welches Braunkohlekraftwerk vom Netz geht.
       Begonnen wird damit im Rheinischen Revier, wo RWE noch in diesem Jahr den
       ersten kleineren Block stilllegen wird. Sieben weitere folgen bis Ende
       2022, sodass die installierte Kapazität dort um 2,8 Gigawatt sinkt.
       
       In Ostdeutschland beginnt der Ausstieg erst 2025, wenn ein Block des
       Kraftwerks Jänschwalde in die sogenannte Sicherheitsbereitschaft geht, also
       abgeschaltet, aber für Notfälle in Bereitschaft gehalten wird, 2027 folgt
       ein weiterer. Insgesamt acht Blöcke sowohl im Westen als auch im Osten
       folgen dann 2028 und 2029.
       
       Sieben Kraftwerksblöcke, die zusammen ein Drittel der heutigen Kapazität
       ausmachen, dürfen bis Ende 2038 am Netz bleiben. Im Jahr 2026 – und damit
       früher als bisher vorgesehen – soll überprüft werden, ob die gesamte letzte
       Phase des Ausstiegs um drei Jahre vorgezogen werden kann, berichtete
       Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).
       
       ## RWE kriegt ordentlich Kohle
       
       Für die vorzeitige Stilllegung ihrer Kraftwerke erhalten die Betreiber eine
       Entschädigung von 4,35 Milliarden Euro. Davon fließen allein 2,6 Milliarden
       Euro an RWE, berichtete Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Das ist mehr als
       zuletzt angenommen. Die Aktienkurse aller betroffenen Konzerne stiegen nach
       Bekanntwerden der Einigung an.
       
       Umweltverbände übten scharfe Kritik an der Einigung: Der BUND sprach von
       einem „klimapolitischen Skandal“, die Klima-Allianz wertet das Ergebnis als
       „Katastrophe“. Zwar wurde dem Wunsch der Kommission entsprochen, den
       [2][umkämpften Hambacher Wald] zu erhalten. Nicht gelungen ist es aber,
       auch mehrere bedrohte Dörfer zu retten, die dem Tagebau Garzweiler weichen
       sollen.
       
       Vor allem stört die Klimaschützer aber, dass der Braunkohleausstieg nicht
       wie von der Kommission gefordert, „möglichst stetig“ verläuft, sondern die
       Kraftwerke in großen Stufen stets am Ende der vorgegebenen Zeiträume
       stillgelegt werden. „Hier werden zentrale Beschlüsse der Kohlekommission
       nicht umgesetzt“, erklärte Kai Niebert vom Deutschen Naturschutzring, der
       selbst Mitglied der Kommission war. „Dafür habe ich nicht nächtelang
       diskutiert, geschwitzt und die Hand gehoben.“
       
       ## Neues Kohlekraftwerk geht trotzdem ans Netz
       
       Auch dass mit Datteln 4 noch ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz gehen
       darf, empört die Umweltverbände. „Das ist ein klarer Bruch mit dem
       Kohle-Kompromiss“, meint BUND-Vorsitzender Olaf Bandt. „Der
       gesellschaftliche Großkonflikt wird so nicht entspannt, sondern angefacht.“
       
       Wirtschaftsminister Altmaier verteidigte den Beschluss dagegen. Weil im
       Gegenzug mehr ältere Steinkohlekraftwerke stillgelegt werden sollen, sei es
       durch die Inbetriebnahme von Datteln „möglich, wesentlich mehr CO2
       einzusparen“, sagte er. Details zum neuen Ausstiegspfad bei der Steinkohle
       wurden am Donnerstag noch nicht mitgeteilt. Spätestens bis zum 29. Januar
       muss aber alles geklärt werden. Dann – fast exakt ein Jahr nach dem Ende
       der Kommission – will das Kabinett das Gesetzespaket auf den Weg bringen.
       
       16 Jan 2020
       
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