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       # taz.de -- Taiwan vor der Präsidentschaftswahl: Der Niedergang der Kuomintang
       
       > Für das moderne China schufen die Kuomintang eine Grundlage. Maos
       > Kommunisten vertrieben die Partei vom Festland. Nun droht in Taiwan ihr
       > Niedergang.
       
   IMG Bild: Kuomintang-Präsidentschaftskandidat Han Kuo-yu spricht auf einer Wahlveranstaltung in Yilan, Taiwan
       
       TAIPEH taz | Rot und Blau – das sind die Farben, die an diesem Abend den
       Platz in Taipeh dominieren. Zu Hunderten sind sie gekommen, Anhänger*innen
       der oppositionellen Kuomintang (KMT), Taiwans Konservative. Fast alle
       schwenken sie rot-blaue Fahnen mit der weißen Sonne drauf, der Fahne der
       KMT. Sie ist auch die Nationalflagge der Republik China, wie sich die
       Inselrepublik Taiwan offiziell bezeichnet.
       
       Als ihr Spitzenkandidat die Bühne betritt, bricht Jubel aus. „Han Kuo-yu,
       dong suan“, rufen seine Anhänger*innen im Chor. Wählt Han Kuo-yu. Als er in
       seiner Rede auf die Demokratieproteste in Hongkong eingeht, ebbt die
       Begeisterung aber ab.
       
       „Heute Hongkong, morgen Taiwan“, das sei doch Unsinn, ruft er seinen
       Anhängern zu. „Meine Haltung ist klar: Ich unterstütze das Streben der
       Hongkonger nach Demokratie. Ich hoffe aber auch, dass Hongkong rasch wieder
       zur Ruhe kommt.“
       
       Am 11. Januar wählen die Taiwaner*innen ihren Präsidenten. Das Rennen
       scheint jedoch gelaufen zu sein. Obwohl die amtierende Präsidentin Tsai
       Ing-wen und ihre demokratische Fortschrittspartei (DPP) noch bei den
       Regionalwahlen vor einem Jahr bitter abgestraft wurden, liegt sie jüngsten
       Umfragen zufolge mit fast 30 Prozentpunkten deutlich vor ihrem
       Herausforderer Han von der KMT.
       
       ## Hongkongs Proteste färben ab
       
       Hauptgrund dürften die seit sieben Monaten andauernden Demokratieproteste
       in Hongkong sein. „Die DPP lehne ich ab“, sagt etwa die 63-jährige Wei
       Hsiu, bekennende KMT-Anhängerin. Sie teile aber die Angst, dass es Taiwan
       ähnlich ergehen könne wie Hongkong: von der Volksrepublik annektiert zu
       werden.
       
       Der Auftritt ihres Spitzenkandidaten Han überzeugt sie nicht. Er sollte
       nicht ganz so „chinafreundlich“ sein, sagt sie. Sollten sich die Umfragen
       bei den Wahlen bewahrheiten, wäre das eine bittere Niederlage für die KMT –
       und Ausdruck des Niedergangs einer traditionsreichen Partei, die wie kaum
       eine andere das Geschehen des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Selbst Chinas
       Kommunistische Partei hat ihre Wurzeln in der KMT.
       
       Es war die KMT, die 1912 das mehr als zweitausendjährige Kaiserreich
       beendete und die Republik China ausrief. 1927 errang die KMT die Herrschaft
       über ganz China. Da hatte sich der kommunistische Flügel bereits
       abgespalten.
       
       Die KMT bekämpfte die Abtrünnigen mit Gewalt. Nach dem verlorenen
       Bürgerkrieg 1949 gegen Maos Kommunist*innen flüchtete die KMT mit zwei
       Millionen ihrer Anhänger*innen nach Taiwan, wo sie die Republik China
       seitdem formell fortführt.
       
       Peking sieht Taiwan als abtrünnige Insel 
       
       De facto wird Taiwan seitdem eigenständig regiert. Es gibt eine eigene
       demokratisch gewählte Regierung, eine eigene Währung und ein eigenes
       Militär. Doch Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Insel, die sich der
       Volksrepublik einzugliedern hat. Notfalls, so [1][droht Chinas Staatschef
       Xi Jinping, auch mit militärischer Gewalt].
       
       Derweil setzt Peking alles daran, Taiwan zu isolieren. Nur noch 15 Staaten
       erkennen die Inselrepublik als Staat an. Wirtschaftlich blüht der Handel
       mit Taiwan aber – nicht zuletzt auch mit der Volksrepublik. 40 Prozent des
       Außenhandels Taiwans laufen mit China. Die Insel ist eines der
       wohlhabendsten Länder Asiens.
       
       Grundsätzlich sprechen sich Taiwans beide großen Parteien für den Status
       quo aus. Ihre Positionen unterscheiden sich trotzdem. Ausgerechnet die KMT,
       die von Chinas Kommunist*innen besiegt wurde, will die Beziehungen zur
       Volksrepublik ausbauen.
       
       Die regierende DPP hat ihre Wurzeln in der Unabhängigkeitsbewegung und geht
       bewusst auf Distanz zur Volksrepublik – auch wirtschaftlich. [2][Seit vor
       vier Jahren die DPP an die Macht kam], hat sich das Verhältnis zwischen
       China und Taiwan wieder drastisch verschlechtert: Peking hat alle
       offiziellen Kanäle gekappt und Festlandchines*innen Individualreisen auf
       die Insel verboten.
       
       Die China-Frage ist zur Generationenfrage geworden 
       
       Mit Militärmanövern in der Taiwanstraße demonstriert die KP-Führung in
       Peking zugleich ihre Macht. Damit bewirkt sie in Taiwan aber das Gegenteil:
       Bei der letzten Wahl gewann die DPP knapp. Inzwischen weiß die DPP eine
       satte Mehrheit hinter sich.
       
       „Für ein kleines Land wie uns wäre es Selbstmord, sich von China
       abzuwenden“, warnt Alexander Huang, der KMT-Minister war und nun einen
       Thinktank zu Sicherheitsfragen leitet. Um den Frieden zu erhalten, müsse
       man einen Umgang mit Peking finden. Huang, 60, sagt von sich, er gehöre zur
       „Generation der friedlichen Koexistenz“.
       
       Die China-Frage ist zur Generationenfrage geworden. Ältere betrachten sich
       als Chines*innen, fühlen sich mit dem Festland kulturell verbunden und
       setzen auf Wandel durch Handel. Die Jüngeren sehen sich als Taiwaner*innen,
       sind stolz auf ihre Demokratie und wollen mit der autoritären Volksrepublik
       nichts zu tun haben.
       
       10 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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