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       # taz.de -- US-Reaktion auf iranische Raketen: Sanktionen ja, Militärschlag nein
       
       > US-Präsident Trump verkündet weitere Sanktionen gegen Iran, aber keine
       > militärische Reaktion. Deutschland soll Atomabkommen aufgeben.
       
   IMG Bild: Trump während seiner Ansprache im Weißen Haus am 8. Januar
       
       Berlin taz | US-Präsident Donald Trump will den iranischen Raketenangriff
       auf zwei Militärbasen im Irak nicht militärisch beantworten. Bei einer mit
       Spannung erwarteten Stellungnahme vor der Presse im Weißen Haus verkündete
       Trump am Mittwoch, dank der herausragenden Vorwarnfähigkeiten des
       US-Militärs seien die durch die Angriffe angerichteten Schäden minimal und
       es seien keine Soldaten zuschaden gekommen.
       
       Damit sah sich Trump auch nicht gezwungen, seine [1][vor wenigen Tagen
       gemachten Drohungen] in die Tat umzusetzen. Nach der Tötung des Generals
       der iranischen Revolutionsgarden, Qasim Soleimani, hatte Trump gesagt,
       jeder Angriff Irans auf US-Amerikaner werde mit Militärschlägen vergolten
       werden. Stattdessen kündigte der US-Präsident nun neue harte Sanktionen
       gegen Iran an, ohne aber zu spezifizieren, wie diese aussehen würden.
       
       Trump hatte seine Ausführungen mit dem Satz begonnen, solange er
       US-Präsident sei, werde der Iran niemals zur Atommacht werden. Er forderte
       Deutschland, Frankreich und Großbritannien namentlich auf, jetzt endlich
       ihre Hoffnungen in das „närrische“ Atomabkommen mit Iran von 2015
       aufzugeben.
       
       Im Kampf gegen den Islamischen Staat teilten die USA und der Iran ein
       gemeinsames Interesse. Er forderte Iran auf, die Zusammenarbeit und den
       Frieden zu suchen – nicht ohne zuvor die ungeheure Militärmacht der USA zu
       erwähnen, die er allerdings nicht nutzen wolle.
       
       ## Erwartete Attacke
       
       Der Angriff des Iran war nicht unerwartet gekommen. Seit Tagen hatte die
       iranische Führung angekündigt, die gezielte [2][Tötung des iranischen
       Generals Qasim Soleimani] zu rächen.
       
       In der Nacht auf Mittwoch, genau fünf Tage [3][nach dem Drohnenangriff vom
       Freitag], war es dann so weit: Ab 1.45 Uhr Ortszeit griff der Iran mit
       mindestens 15 Boden-zu-Boden-Raketen zwei Militärstandorte im Irak an, die
       unter anderem von den im Irak stationierten US-amerikanische Truppen
       genutzt werden. Die irakische Regierung sprach von insgesamt 22 Raketen.
       Iranische Medienberichte, denen zufolge 80 US-Amerikaner dabei getötet
       worden sein sollen, bestätigten sich nicht. Über Todesopfer wurde bis
       Redaktionsschluss am Mittwochnachmittag nichts bekannt.
       
       Im Iran war nach dem nächtlichen Angriff die übliche Arbeitsteilung zu
       beobachten. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif gab sich einigermaßen
       versöhnlich: „Der Iran hat angemessene Selbstverteidigungsmaßnahmen
       ergriffen und beendet“, teilte er mit. „Wir wollen keine Eskalation oder
       Krieg.“ Gleichzeitig wählte der iranische Revolutionsführer Ajatollah Ali
       Chamenei schärfere Töne. Bei einer im Fernsehen übertragenen Rede in
       Teheran forderte er den kompletten Rückzug der US-Truppen aus der Region
       (siehe Karte) und sprach von einem „Schlag ins Gesicht“ der Amerikaner.
       „Militäraktionen wie diese reichen nicht aus“, sagte er, „wichtig ist, dass
       die korrupte Präsenz Amerikas in der Region zum Ende kommt.“
       
       Die Revolutionsgarden sprachen explizit nur von einem Anfang: „Die heftige
       Rache der Revolutionsgarden hat begonnen“, teilte die Truppe im
       Onlinedienst Telegram mit.
       
       ## Erste direkter Angriff seit Jahrzehnten
       
       Bei der Vergeltungsaktion handelt es sich um den ersten Angriff auf die USA
       seit Jahrzehnten, bei dem Teheran nicht seine Stellvertreter im Ausland wie
       die Hisbollah im Libanon oder die schiitischen Milizen im Irak vorschickt.
       Stattdessen ließ die Führung in Teheran die Stellungen direkt von
       iranischem Territorium aus angreifen.
       
       Der angegriffene Stützpunkt bei Erbil in den kurdischen Gebieten im
       Nordirak ist der einzige irakische Standort, an dem momentan noch deutsche
       Bundeswehrsoldaten stationiert sind, derzeit gut hundert. Am Montag hatte
       die Bundesregierung weitere Soldaten, die in und bei Bagdad stationiert
       gewesen waren, [4][aus Sicherheitsgründen nach Jordanien und Kuwait
       verlegt]. Von Erbil aus wurde ein Großteil des Kampfes der internationalen
       Anti-IS-Koalition gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) in Syrien
       und dem Irak geführt.
       
       Das zweite Angriffsziel – Ain al-Assad – westlich von Bagdad, ist ein
       Luftwaffenstützpunkt, der unter anderem von US-Truppen und anderen
       Koalitionsmitgliedern im Kampf gegen den IS genutzt wird. Rund 500
       US-Amerikaner sind aktuell dort im Einsatz.
       
       Ob es bei den Vergeltungsschlägen vom Mittwoch bleibt, war unklar. Sowohl
       aus Iran als auch Irak kamen weitere Angriffsdrohungen. Im Irak sagte einer
       der mächtigsten Milizenführer, Kais al-Chas’ali, auch der Irak müsse auf
       den US-Schlag gegen Soleimani antworten.
       
       Im Iran drohten die Revolutionsgarden für den Fall, dass die USA nun als
       Antwort Ziele auf iranischem Boden angreifen sollten, mit Angriffen auf
       Israel sowie auf US-Verbündete – erwähnt wurde Dubai in den Vereinigten
       Arabischen Emiraten sowie Haifa in Israel. Der israelische Regierungschef
       Benjamin Netanjahu erwiderte am Mittwoch: „Jeder, der uns angreift, wird
       einen gewaltigen Gegenschlag erhalten.“
       
       Mehrere Fluggesellschaften strichen am Mittwoch Flüge in die Krisenregion
       und wollen den dortigen Luftraum bis auf Weiteres meiden. Die
       US-Luftfahrtbehörde FAA untersagte Fluggesellschaften aus ihrer Heimat,
       überhaupt noch über Irak, Iran, den Persischen Golf und den Golf von Oman
       zu fliegen.
       
       8 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] /Konflikt-zwischen-Iran-und-USA/!5653432
   DIR [4] /Bundeswehr-im-Irak/!5654248
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
   DIR Bernd Pickert
       
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