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       # taz.de -- Uni-Mensen boykottieren Bonpflicht: „Ein sinnfreies Gesetz“
       
       > Das Göttinger Studierendenwerk gibt trotz Bonpflicht keine Kassenbons
       > aus. Nun schließen sich auch andere Studentenwerke an.
       
   IMG Bild: Aufwändig, teuer, unökologisch: Die Bonpflicht ist vielerorts mäßig beliebt
       
       Göttingen taz | Die „Teestube“ in Nieblum auf der Insel Föhr hat zum
       Jahreswechsel die Karte erweitert. Neben den Kuchen- und Kaffeeangeboten
       enthält sie nun ein Schreiben an die Gäste. Das „Teestuben“-Team kritisiert
       darin die „Bonpflicht“: Seit dem 1. Januar müssen alle Gastronomen und
       Händler mit elektronischen Kassensystemen den Käufern mit der Ware einen
       ausgedruckten Beleg zur Verfügung stellen. Wegen des damit verbundenen
       bürokratischen Aufwandes, aber auch aus Umweltschutzgründen, regt sich
       gegen die bundesweite Regelung großer Unmut. Die „Teestube“ empfiehlt ihren
       Kunden eine Protestaktion: Sie sollten möglichst viele Belege sammeln und
       diese dem nächstgelegenen Finanzamt in die Briefkästen stopfen.
       
       Das Göttinger Studentenwerk wählt einen anderen Weg. Es boykottiert die
       Bonpflicht. Rund 15.000 Essen und unzählige Becher Kaffee, Tee und
       Kaltgetränke gibt der Betreiber von Mensen und Cafeterien an der größten
       niedersächsischen Uni werktäglich an Studierende, Beschäftigte und Gäste
       aus. Ebenso viele Belege müssten gedruckt werden, würde die Vorgabe des
       Bundesfinanzministers befolgt. „Täglich 15.000 Kassenbons sind eine
       Belastung für die Umwelt, die KollegInnen und kosten uns allen wertvolle
       Zeit an den Kassen“, schreibt das Studentenwerk auf seiner Homepage.
       
       Den Betriebsablauf würde die Ausgabe so vieler Belege massiv
       beeinträchtigen – die Warteschlangen würden länger, das Essen würde kalt.
       Vor allem sei die Regelung eine verstärkte körperliche Belastung für die
       MitarbeiterInnen an den Kassen: „Jeder kann sich selbst ausmalen, was es
       bedeutet, täglich Hunderte von Kassenbons in einer monotonen Bewegung
       weiterzureichen.“
       
       15.000 Bons täglich bedeuteten überdies einen großen Haufen Müll. Das
       Thermopapier dürfe auch nicht einfach in die Altpapiercontainer gekippt,
       sondern müsse fachgerecht entsorgt werden. Nach Angaben des
       Bundesumweltamtes enthält das bislang genutzte Thermopapier die schädliche
       Chemiekalie Bisphenol A (BPA) oder die Variante Bisphenol S (BPS). Sie
       gelten als hormonell wirksam und können die Fortpflanzungsfähigkeit von
       Lebewesen beeinträchtigen.
       
       Insgesamt, so der Geschäftsführer des Studentenwerks, Jörg Magull, im
       Göttinger Tageblatt, sei die Bonpflicht also ein „sinnfreies Gesetz“. An
       allen Mensakassen weist ein Hinweisschild auf den Boykott hin – auf Deutsch
       und Englisch. Auf Nachfrage würden Belege allerdings ausgegeben, erklärt
       das Studentenwerk. Zugleich teilte es mit, dass ein Ausnahmeantrag wegen
       „unbilliger Härte“ gestellt worden sei. Eine Antwort des Finanzamtes ist
       bislang aber nicht in Göttingen eingegangen.
       
       Magull verweist darauf, dass das Studentenwerk seinen steuerlichen
       Pflichten natürlich nachkomme. Es seien überall elektronische Kassen im
       Einsatz. Im Übrigen seien mehr als 80 Prozent der Kunden Studierende, sie
       seien somit von der Umsatzsteuer befreit. Und wo keine Steuern anfielen,
       könnten auch keine hinterzogen werden. Schließlich werde der allergrößte
       Teil der finanziellen Transaktionen innerhalb der Universität bargeldlos
       mit Chipkarten abgewickelt: „Da sind Manipulationen nicht möglich.“
       
       Dem Göttinger Beispiel folgt inzwischen das Studentenwerk Ostniedersachsen,
       das elf Mensen, acht Cafeterien und drei Bistros an zehn
       Hochschulstandorten betreibt. „Wir geben nur Bons aus, wenn jemand sie
       haben will“, sagte Sprecherin Christian Thoroe der taz. „Wir denken auch,
       dass wir mit dem Gesetz gar nicht gemeint sind.“ Das Studentenwerk hat
       ebenfalls einen Antrag auf Befreiung von der Bonpflicht gestellt. Eine
       entsprechende Initiative gebe es auch vom Dachverband Deutsches
       Studentenwerk.
       
       Ein großes Ärgernis ist die Bonpflicht insbesondere für Bäckereien, die
       auch den Kauf eines einzigen Brötchens mit einem gedruckten Beleg
       quittierten müssen. Die Menge an Bonrollen, die er sonst in einem Jahr
       verbraucht habe, seien nun innerhalb von zwei Wochen weg, sagt ein
       Betreiber von fünf Bäckereien in Südniedersachsen. Er geht davon aus, dass
       sich die Kosten für das Thermopapier in seinen Filialen um 3.500 Euro
       erhöhen werden.
       
       Nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung lehnt auch eine
       große Mehrheit der Bäckereikunden in Niedersachsen die Bonpflicht ab. Eine
       kleine, nicht repräsentative Umfrage des Blattes bei etwa einem Dutzend
       Geschäfte ergab zudem, dass der Bon nur in einer einzigen Bäckerei ohne
       gesonderte Aufforderung überreicht wurde.
       
       16 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
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