URI: 
       # taz.de -- Putins Politik im Nahen Osten: Merkel setzt auf Russland
       
       > In der Krise zwischen Iran und USA reist die Bundeskanzlerin am Samstag
       > nach Moskau. Sie hofft auf Putin als Stabilisierer der Region.
       
   IMG Bild: Ein Bild des getöteten Generals Soleimani am Rande einer Straße in Teheran, 3. Januar 2020
       
       MOSKAU taz | Wladimir Putin zu Gast bei Baschar al-Assad in Damaskus.
       [1][Wladimir Putin zu Gast bei Recep Tayyip Erdoğan] in Istanbul. Die neue
       Krise im Nahen Osten hat den Kreml prompt aus den staatlichen Ferien
       zurückkommen lassen, während sich Russland ansonsten noch im Winterschlaf
       befindet.
       
       Übereilt und überraschend mutet da auch der Arbeitsbesuch von
       Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Samstag in Moskau an. In der
       kritischen Zeit brauchen Deutschland und Russland einander. Berlin weiß um
       die Einflussmöglichkeiten der Russen in Iran, Moskau hofft auf
       Beeinflussung der US-Amerikaner durch die Deutschen.
       
       Russland hat sich längst als unumgänglicher Machtfaktor im Nahen Osten
       etabliert und sortiert zusammen mit der Türkei, trotz aller Differenzen,
       die Verhältnisse in der Region neu. Der russische Außenpolitikexperte
       Fjodor Lukjanow sprach bereits vor einigen Wochen von einem russischen
       „Pragmatismus“, der auf Diplomatie, militärischer Gewalt und
       Skrupellosigkeit basiere.
       
       Aus der internationalen Isolation haben sich die Russen längst an die
       Verhandlungstische gebombt. [2][In Syrien ist Moskau zum Dreh- und
       Angelpunkt] des Konflikts geworden. Es hat den sunnitischen Golfstaaten,
       den USA und der EU die Grenzen ihrer Macht aufgezeigt und auch Ankara dazu
       bewegt, Assad als Herrscher anzuerkennen.
       
       ## Befeuern und schlichten
       
       Ähnliches versucht Putin nun in Libyen. Während Moskau den aufständischen
       General Chalifa Haftar unterstützt und [3][Ankara die von der UN anerkannte
       Regierung von Fajis al-Sarradsch], macht die Zerstrittenheit der EU-Staaten
       und die Inaktivität der USA die beiden Kontrahenten zu zentralen Spielern
       im öl- und gasreichen Land. Sie, die den Konflikt mitbefeuern, geben sich
       auch als Konfliktlöser. Bei ihrem Treffen am Mittwoch in Istanbul riefen
       Putin und Erdoğan zu einem Waffenstillstand in Libyen auf, der ab Sonntag
       gelten soll.
       
       „Fehler der anderen erkennen und sie für sich nutzen“, nennt Lukjanow die
       Methode, mit der der Taktiker Putin stets zu reagieren weiß. Ein Stratege
       war der russische Präsident nie. Russland hält militärische Kraft nach wie
       vor für entscheidend und ist bereit, sie einzusetzen, zur Not wie in Libyen
       durch Söldnertruppen, die der Staat – obwohl die russische Verfassung
       private Militäreinsätze im Ausland verbietet – für seine Zwecke nutzt.
       
       Der Bürgerkrieg in Libyen destabilisiert auch die afrikanische Sahelzone.
       Moskau weiß, dass es hier Einfluss auf zentrale Migrationsrouten in die
       EU gewinnen kann. Das ist ein Bereich, der Merkel ebenfalls interessieren
       dürfte. Vor allem aber dürfte es in den Gesprächen mit Putin, bei denen
       auch Bundesaußenminister Heiko Maas dabei sein wird, um Iran gehen.
       
       Bereits beim Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit Iran waren sich
       Berlin – gemeinsam mit den anderen europäischen Vertragspartnern in Paris
       und London – und Moskau darin einig, an der Vereinbarung weiter
       festzuhalten. Auch jetzt hofft Berlin wohl darauf, Moskau möge Teheran zur
       Deeskalation bewegen, zumal Iran seine durchaus starke Macht in der Region
       auszuspielen wüsste.
       
       ## Russland ist Nutznießer
       
       Die [4][schiitische Hisbollah, von Iran gegründet], hat in Libanon das
       Sagen und hält Israel mit iranischen Raketen in Atem. Im Irak geht ohne
       Teheran kaum etwas. In Syrien sind iranische Milizen im Einsatz, im Jemen
       ebenfalls.
       
       In den Spannungen zwischen den USA und Iran liegt für Russland also
       durchaus Nutzen. Durch eine Verschärfung des Konflikts wäre Iran gezwungen,
       neue russische Waffen zu kaufen und die Verträge mit dem russischen
       Staatskonzern Rosatom, der an der iranischen Golfküste den Kernreaktor
       Buschehr baut, abzuschließen. Doch der kurzfristige wirtschaftliche Nutzen
       ist für Russland nicht zentral. Moskau ist vielmehr daran gelegen, als
       Sicherheitsgarant im Nahen Osten wahrgenommen zu werden.
       
       Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate haben sich bereits mehrmals
       an Russland gewandt, um Unterstützung für ihre Pro-Haftar-Agenda in Libyen
       zu gewinnen. Saudi-Arabien hätte nichts dagegen, wenn Russland im Jemen
       vermittele, schreibt der Nahostexperte Kirill Semjonow vom Russischen Rat
       für internationale Angelegenheiten. Ambition des Kreml ist es, den Einfluss
       anderer regionaler Mächte wie die USA im Nahen Osten zu minimieren.
       
       Eine Untergrabung oder gar Zerstörung der Macht in Teheran hingegen würde
       Russlands Rolle als Regimewechsel-Verhinderer Nummer eins, in Syrien unter
       Beweis gestellt, empfindlich schwächen. Regimewechsel sind etwas, wovor
       sich der Kreml fürchtet.
       
       10 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Krieg-in-Libyen/!5654706
   DIR [2] /Russland-und-Syrien/!5653102
   DIR [3] /Tuerkischer-Truppeneinsatz-in-Libyen/!5650100
   DIR [4] /Iranische-Dominanz-auf-dem-Pruefstand/!5638532
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Inna Hartwich
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran
   DIR Schwerpunkt Syrien
   DIR Recep Tayyip Erdoğan
   DIR Libyen
   DIR Wladimir Putin
   DIR Wladimir Putin
   DIR Libyen
   DIR Türkei
   DIR Schwerpunkt Iran
   DIR Libyen
   DIR Nord Stream 2
   DIR taz.gazete
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Merkel zu Besuch in Moskau: Ein starkes Symbol zum Abschied
       
       Die Kanzlerin besucht zum letzten Mal Wladimir Putin. Genau vor einem Jahr
       wurde der Kremlkritiker Alexei Nawalny vergiftet.
       
   DIR Krieg in Libyen: Haftar verwehrt Waffenruhe
       
       Der General verlässt Moskau – ohne ein von Russland und Türkei
       eingefädeltes Abkommen zu unterschreiben. Eine Konferenz in Berlin soll es
       nun richten.
       
   DIR Merkel trifft Putin in Moskau: Freundliche Töne
       
       Libyen, Syrien, Iran, die Ukraine: Die Kanzlerin und der russische
       Präsident reden über die großen Konfliktherde. Und gehen auf Distanz zu
       Trump.
       
   DIR Iranische Raketenangriffe: Krisentelefonate und ein Verdacht
       
       Hat der Iran ein Passagierflugzeug abgeschossen? Der Verdacht erhärtet sich
       zunehmend. Derweil wollen die EU und Teheran am Atomdeal festhalten.
       
   DIR Waffenruhe in Libyen: Nur eine Atempause
       
       Die Waffenruhe in Libyen ist eine Atempause fürs Land. Und für die EU eine
       Denkpause, um nach einer tragfähigen politischen Lösung zu suchen.
       
   DIR Gaspipeline im Schwarzen Meer: Wunderbare Freundschaft
       
       Mit Türk Stream bewegt sich die Türkei noch einen Schritt auf Russland zu.
       Europa muss aufpassen, Erdogan nicht in Putins Armen versinken zu lassen.
       
   DIR Türkei entsendet Militär nach Libyen: Was erwartet die Türkei in Libyen?
       
       Das türkische Parlament hat zugestimmt, Soldaten nach Libyen zu schicken.
       Wir haben den Politologen Hakan Güneş nach den Hintergründen und Folgen
       gefragt.