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       # taz.de -- Landwirtschaft in Europa: EU-Agrarkommissar will nur bio
       
       > Ökolandbau könne zum Green Deal der EU beitragen, sagt Janusz
       > Wojciechowski. Doch ein Großteil der Bauern will sogar weniger
       > Umweltschutz.
       
   IMG Bild: Auch sie wollen mehr Bio: Zwei als Kühe verkleidete Teilnehmer der „Wir haben es satt“-Demo in Berlin
       
       Berlin taz | EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski will, dass alle Bauern
       [1][auf Ökolandbau] umstellen. „Mein Traum ist, dass die gesamte
       europäische Landwirtschaft bio sein sollte“, sagte der Pole in einer Rede
       am Freitagabend auf der Grünen Woche in Berlin. Die Branchenvertreter beim
       Empfang des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) reagierten auf
       diese Aussage mit Jubel.
       
       Die Landwirtschaft könnte zum EU-Klimaschutzprogramm Green Deal beitragen,
       ergänzte Wojciechowski. „Deshalb sollten wir unsere Gemeinsame
       Agrarpolitik reformieren und unsere Landwirtschaft umwelt-, klima- und
       tierfreundlicher machen“. Ökolandbau sei ein „sehr wichtiger Teil dieses
       Beitrags“. Der Kommissar kündigte einen Aktionsplan für die Branche an, der
       auch den Biomarkt weiterentwickeln solle.
       
       Das war ebenfalls ein Ziel der BäuerInnen und VerbraucherInnen, die am
       Samstag im Berliner Regierungsviertel an der „Wir haben es
       satt“-Demonstration für eine ökologische Agrarwende teilnahmen. Die
       Veranstalter sprachen von 27.000, die Polizei zählte 20.000 bis 25.000
       DemonstrantInnen. „In der Agrarlandschaft blicken wir auf eine Politik des
       kompletten Versagens zurück“, sagte [2][der Präsident des Naturschutzbunds,
       Jörg-Andreas Krüger,] vor dem Brandenburger Tor. „Wir haben
       Biodiversitätsverluste, [3][wir verlieren Insekten], wir verlieren die
       Vögel, wir verlieren die Höfe, und wir verlieren die Chance auf eine
       saubere Zukunft.“
       
       Bauern beim Umbau der Landwirtschaft unterstützen – das war die zentrale
       Forderung der DemonstrantInnen. Martin Kaiser, Geschäftsführer von
       [4][Greenpeace], richtete sich direkt an die
       Bundeslandwirtschaftsministerin von der CDU: „Wo hat Frau Klöckner bitte
       Ihren Job gemacht?“, fragte er. „Sie läuft auf der Grünen Woche herum mit
       ihrer Kampagne und sagt: Du entscheidest. Und will damit die Schuld den
       Verbrauchern in die Schuhe schieben. Frau Ministerin, wir haben es satt.“
       
       ## Rechtsextreme Banner bei Demo in Bayern
       
       170 TreckerfahrerInnen aus ganz Deutschland führten die Demonstration an,
       die bereits zum zehnten Mal in Berlin stattfand. Die Emissionen, die durch
       die Anreise der Traktoren entstehen, würden kompensiert, versicherten die
       OrganisatorInnen. Viele DemonstrantInnen waren verkleidet gekommen, als
       Kühe, Bienen und Imker. „Lasst die Sau raus!“, forderten sie auf ihren
       Schildern, und „Insekten schützen, Pestizide stoppen“.
       
       Die „Satt“-Demo versuchte sich von einer Treckerdemo in Nürnberg
       abzugrenzen, die am Freitag durch einzelne Banner mit rechtsextremen
       Symbolen Aufsehen erregt hatte. Die Veranstalter von der Initiative „Land
       schafft Verbindung“ distanzierten sich von dem Vorfall. Man habe die Leute
       aufgefordert, die Banner abzunehmen.
       
       Agrarministerin Klöckner verurteilte die Vorkommnisse als Entgleisung. Die
       Polizei Nürnberg teilte mit: „Da gibt es keine Ermittlungen, weil nichts
       strafrechtlich Relevantes festgestellt wurde.“
       
       „Land schafft Verbindung“ hatte deutschlandweit zu Demonstrationen
       aufgerufen. Bei der Berliner Versammlung waren etwa 400 Traktoren dabei.
       Der Protest richtete sich vor allem gegen Umweltvorschriften wie geplante
       strengere Düngevorschriften.
       
       ## Kritik an „der selbsternannten Meinungselite“
       
       Der bekannteste Sprecher der Bewegung, Dirk Andresen, zog aus ihren
       bisherigen Demos das Fazit, dass ein Großteil „der politischen Vertreter
       und der selbsternannten Meinungselite“ „überhaupt nicht begriffen haben,
       wie verraten und verlassen sich große Teile der Bevölkerung mittlerweile
       fühlen, die sich vor fünf Jahren noch in der Mitte der Gesellschaft zu
       Hause sahen“.
       
       Andresen kritisierte besonders einen taz-Artikel über ihn vom Freitag.
       Darin hieß es, der Bauernführer sei an einer [5][überdurchschnittlich
       großen Sauenhaltung] beteiligt, die kleinere Betriebe unter Druck setze.
       Ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft wies in dem
       Text darauf hin, dass mit der Betriebsgröße „eine bestimmte Interessenlage
       verbunden“ sei. Wenn mehr Bauern wüssten, wie groß Andresens Betrieb sei,
       würden sich viele nicht von ihm vertreten lassen, so die ökologisch
       orientierte Organisation.
       
       Andresen bemängelte auch, dass die Deutsche Umwelthilfe Bauernverbands-Chef
       Joachim Rukwied als „Gülle-König“ bezeichnete. „Wenn man die Botschaft der
       Bauern nicht kleinkriegt, versucht man, die Boten zu diffamieren. Das ist
       ein Niveau, das wir eher aus Unrechtsstaaten kennen“, so Andresen.
       
       Im Tagesspiegel am Sonntag warnte er die Politik, durch Untätigkeit in der
       Landwirtschaftspolitik rechtsradikale Kräfte zu stärken. „Auch ein Teil der
       Bauern wird sich dann radikalisieren“, sagte er. (mit dpa)
       
       20 Jan 2020
       
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