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       # taz.de -- Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Anti-Hass-Novelle ohne Gegenliebe
       
       > Das Bundesjustizministerium hat einen neuen Gesetzentwurf gegen Hate
       > Speech im Netz vorgelegt. Doch es gibt harsche Kritik.
       
   IMG Bild: Ihre Verbesserungsvorschläge zünden nicht: Justizministerin Christine Lambrecht
       
       Es sei ja nur ein Referentenentwurf, lässt das Bundesministerium für Justiz
       mitteilen, also kein in Stein gemeißelter Gesetzestext. Die Defensive um
       die [1][Novelle des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG)] kommt nicht von
       ungefähr. Die zivilgesellschaftlichen Stakeholder, bei denen der Entwurf
       derzeit zirkuliert, zeigen sich nämlich nicht sonderlich begeistert von den
       Verbesserungsvorschlägen aus dem Haus von Justizministerin Christine
       Lambrecht (SPD).
       
       Schon der [2][jetzige Stand des NetzDG hat kaum Freund*innen], weshalb
       die Überarbeitung des gerade mal zwei Jahre alten Textes auch dringend
       geboten ist. Einer der Hauptkritikpunkte ist die Privatisierung der
       Entscheidung in gegebenenfalls strittigen Rechtsfragen. So sind
       Internet-Plattformen laut NetzDG verpflichtet „offensichtlich
       rechtswidrige“ Beiträge zu entfernen. Die Beurteilung, Kategorisierung und
       Sanktionierung möglicher Rechtsverstöße in die Hände von beispielsweise
       Twitter, Facebook und Google (als YouTube-Mutterfirma) zu geben, birgt
       tatsächlich mehrere Risiken.
       
       So sind die Kriterien, nach denen gelöscht wird, bis heute reichlich
       intransparent und oft selbst auf gerichtlichem Wege kaum zu überprüfen. Es
       kommt einerseits zu Entscheidungen, Inhalte online zu lassen, die für
       durchschnittliche Nutzer*innen „offensichtlich rechtswidrigen“ Inhalts
       sein können. Andererseits werden immer wieder gezielt von rechten
       Trollgruppen gemeldete Accounts in den Netzwerken gesperrt, obwohl Verstöße
       gegen Gesetze bei genauer Betrachtung kaum nachvollziehbar sind. Des
       weiteren wird ein sogenanntes Overblocking beobachtet, also die
       vorsorgliche Sperrung von Inhalten, die sich bei einer qualifizierten
       Prüfung nicht einmal in der Nähe offensichtlicher Rechtswidrigkeit
       befänden.
       
       Verbände von Jurist*innen kritisieren, dass dieser Hang zur
       Privatisierung strafrechtlicher Vorprüfung statt dass er eingegrenzt, sogar
       noch ausgebaut wird. [3][Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein
       verweist dabei auf Meldepflichten] gegenüber dem Bundeskriminalamt. Der
       Deutsche Juristinnenbund [4][legt dazu einen Schwerpunkt seiner
       Stellungnahme auf die fehlende Berücksichtigung geschlechtsspezifischer
       Bedrohungen] im Netz.
       
       Ein Problem in der Analyse der Wirksamkeit des NetzDG, [5][das zum Beispiel
       die Amadeu Antonio Stiftung in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf
       benennt], ist die fehlende Evaluation. Alle Beobachtungen zur Umsetzung der
       bisherigen Regelungen kommen kaum über einen anekdotischen Rahmen hinaus,
       da die Provider nicht verpflichtet sind, nach einheitlichen Standards
       Rechenschaft über Anfragen, Meldungen und Entscheidungen über Löschungen
       abzulegen. Eine wissenschaftlich valide oder informierte mediale Bewertung
       sei so nicht möglich. Auch der aktuelle Entwurf gehe, neben vielen anderen,
       diesen Mangel nicht an.
       
       Jedoch: Es ist ja nur ein Referentenentwurf. Verbesserungen sind also nicht
       gänzlich ausgeschlossen. Nach der Ressortabstimmung soll das Gesetzespaket
       im Frühjahr durch das Bundeskabinett gehen.
       
       19 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.sueddeutsche.de/digital/netzdg-lambrecht-zensur-straftaten-1.4758635
   DIR [2] /Kritik-am-Netzwerkdurchsetzungsgesetz/!5474062
   DIR [3] https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/entwurf-eines-gesetzes-zur-bekaempfung-des-rechtsextremismus-und-der-hasskriminalitaet/003ba842876b6fd1b828db9a728ad228/
   DIR [4] https://www.djb.de/static/common/download.php/savepm/4262/st20-01_Hasskriminalit%C3%A4t_BMJV_mP.pdf
   DIR [5] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/stellungnahme-der-amadeu-antonio-stiftung-zum-entwurf-eines-gesetzes-zur-bekaempfung-von-rechtsextremismus-und-hasskriminalitaet-54029/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
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