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       # taz.de -- Die Wahrheit: Pfeifende Enten zur Adoption
       
       > Zum Jahresanfang warten britische Lokalzeitungen traditionell mit
       > besonders abstrusen Meldungen auf.
       
       Der Brexit hat alles verdorben. Er hat der „silly season“ den Garaus
       gemacht. Gemeint ist die Zeit von Mitte Juli bis Ende August, wenn die
       Nachrichtenlage dürr ist. Auch zum Jahresanfang herrschte früher die „silly
       season“. Der keineswegs abwertende Begriff ist 1861 in einem Artikel der
       Saturday Review erstmals erwähnt worden, als das kürzlich verblichene
       Reiseunternehmen Thomas Cook die erste Pauschalreise von London nach Paris
       anbot. In den USA heißt sie bloß „Langsame Nachrichten-Saison“. Den Amis
       fehlt im Gegensatz zu den Briten der Spaß an absurden Geschichten, wenn man
       von Donald Trumps Äußerungen absieht.
       
       Wo aber sind Geschichten wie die vom irischen Fotomodell Emma Quinlan, die
       am Boden zerstört war, weil ihre Lieblingsschlange Squirt verstorben war
       und Quinlan zum Trost Urlaub in Nordkorea gemacht hat. Quinlan war oft, nur
       mit Squirt bekleidet, in Shows aufgetreten. Aus und vorbei.
       
       Bisweilen ist noch auf Lokalzeitungen Verlass. Der Name passt, denn viele
       der Geschichten sind offenbar im Lokal entstanden. Zum Beispiel die
       Titelstory über den wegen Ladendiebstahls angeklagten Mann, der behauptete,
       er hatte völlig vergessen, dass er einen Hut aufprobiert hatte, als er aus
       dem Laden lief.
       
       Medizinische Artikel kommen immer gut an. „Wundermittel tötet fünften
       Patienten“, lautete die Schlagzeile. Dabei ging es um ein Medikament gegen
       Hepatitis B, das offenbar nicht hielt, was man sich von ihm versprochen
       hatte. Eine andere Lokalzeitung hatte einen nützlichen Rat, um das Leben zu
       verlängern: „Das Atmen von Sauerstoff ist wichtig, um am Leben zu bleiben.“
       Das hat der kanadische Biologe Marco Glassman unwiderlegbar bewiesen.
       
       Wenig vertrauenswürdig klang dagegen die Überschrift: „Krankenhaus verlegt
       sich darauf, Ärzte anzuwerben.“ Und in der Unterzeile: „Mangel an
       Medizinern hat diese Entscheidung ausgelöst, sagt die Krankenhausleitung.“
       Hatte man bis dahin Klempner zum Mindestlohn eingestellt?
       
       Eine positive Nachricht vermeldete der Surrey Herald: „Große Freude, als
       ein Mann eine Banane in seinem Garten züchtet.“ War das etwa derselbe Mann,
       über den The Argus aus dem nahe gelegenen Brighton schreibt: „Bananenmann
       aus Kreisverkehr gerettet.“ Dort hat man anscheinend wenig zu Lachen.
       Dasselbe Blatt vermeldete nämlich: „Rivalisierende Yoga-Gurus schlagen
       sich.“ Auf der Isle of Man gab es eine noch ungewöhnlichere Schlägerei:
       „Betrunkener kämpft mit Unsichtbarem“, titelte der Examiner, verriet aber
       nicht, wer den Kampf gewonnen hat.
       
       Interessant ist auch die Meldung von Ham & High, einem Londoner Lokalblatt:
       „Pfeifende Ente zur Adoption freigegeben.“ Das ist die Chance für Emma
       Quinlan. Allerdings müsste sie sich bei den Shows etwas anziehen, eine Ente
       verdeckt viel weniger als eine Riesenschlange.
       
       20 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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