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       # taz.de -- Klimawandel im Harz: Ski und Rodel schlecht
       
       > Der Harz muss sich wohl vom Wintersport verabschieden. Stattdessen setzen
       > die Touristiker auf Kultur, Natur und die Lehren aus Totholz im
       > Naturpark.
       
   IMG Bild: Schneemangel am Wurmberg im Oberharz im Januar 2020
       
       Kein Schnee, dafür Regen und böiger Wind aus Südwest, 7 Grad über Null. In
       Braunlage, im am höchsten gelegenen Wintersportgebiet des Harzes, sind die
       Bedingungen für Skifans trostlos.
       
       Ski und Rodel schlecht beziehungsweise unmöglich: Das gilt auch für
       Schierke, Hahnenklee, den Sonnenberg oder Bad Sachsa. Keine der
       Abfahrtspisten in dem Mittelgebirge ist geöffnet, kein Meter Loipe für
       Langläufer ist gespurt, die Liftanlagen stehen still, teilt der Harzer
       Tourismusverband mit. Und das Anfang Januar, mitten im Winter also. Die
       Aussichten? Trübe. Allenfalls am nächsten Wochenende, so der Deutsche
       Wetterdienst, könnte es in den Hochlagen des Harzes ein wenig Schnee geben.
       
       Noch zu Beginn der 2000er Jahre, vor gar nicht so langer Zeit, bedeckte
       dort über Monate eine dicke Schneedecke Berge und auch Täler. Nur selten
       stiegen die Temperaturen in diesem Zeitraum selten über –5 Grad. Die
       Skisaison dauerte von November bis April.
       
       Doch zuletzt fielen die Winter immer häufiger aus. Auch auf den Hängen
       [1][des 971 Meter hohen Wurmbergs bei Braunlage] fielen in den vergangenen
       Jahren erst sehr spät die ersten Flocken. Zumindest dort war einige Wochen
       lang Skifahren trotzdem möglich. Denn der Seilbahnbetreiber verlässt sich
       seit sechs Jahren nicht mehr allein auf die Natur. Er setzt auf Kunstschnee
       aus Schneekanonen.
       
       Rund 10 Millionen Euro hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren in den
       Ausbau dieses Skigebietes investiert. 2 Millionen Euro schoss das Land
       Niedersachsen zu. Mit dem Geld wurden unter anderem neue Pisten und Lifte
       gebaut, unzählige Bäume für den Bau von Parkplätzen gefällt und an die 100
       Schneekanonen errichtet. Neun Pisten können damit beschneit werden.
       
       ## Für Schneekanonen zu warm
       
       Theoretisch. Denn auch die Schneekanonen und -lanzen entlang der Abfahrten
       brauchen passende Bedingungen für die Produktion von Kunstschnee, also
       Temperaturen um 0 Grad oder darunter. Immerhin konnte Anfang des Jahres am
       Wurmberg schon ein bisschen gerodelt werden. Als das Thermometer für ein
       paar Tage auf 3 Grad plus fiel, schalteten Mitarbeiter der
       Seilbahngesellschaft an der Rodelbahn die Schneekanonen ein.
       
       Dazu kommt: Die Kunstschneeproduktion ist ökologisch äußerst fragwürdig.
       Schneekanonen seien keine nachhaltige Lösung, argumentiert der Bund für
       Umwelt und Naturschutz (BUND). Wenn die Hänge an einem Wochenende beschneit
       würden, komme am nächsten Montag wieder eine Wärmewelle „und alles ist
       weg“.
       
       Der Naturschutzbund (Nabu) wies jüngst auf andere Folgen für die Umwelt
       hin: Insgesamt wurden nach seinen Angaben für den Ausbau des Skigebietes
       16,5 Hektar Wald gerodet. Davon entfielen 11,5 Hektar auf die Erweiterungen
       der Skipisten, 1 Hektar auf die Fläche für den Speichersee, aus dem das
       Wasser für die Schneekanonen entnommen wird, und 3,5 Hektar auf die
       Erweiterung von Parkplätzen.
       
       Millioneninvestitionen und Naturzerstörung: Ist Skifahren im Harz künftig
       also nur noch unter diesen Bedingungen möglich? Außer auf dem Bocksberg bei
       Hahnenklee, wo acht Schneekanonen die sogenannte Familienabfahrt beschneien
       können, und im Skizentrum Hohegeiß, wo demnächst eine mobile
       Beschneiungsanlage angeschafft werden soll, deuten manche Zeichen auf
       Abschied vom Wintersport.
       
       Nach 50 Jahren [2][gab 2018 der Betreiber des Naturschnee-Skigebietes auf
       dem Sonnenberg auf.] Die Gemeinde Walkenried im Südharz wollte im
       vergangenen Winter noch nicht einmal in einen neuen Bulli zum Spuren von
       Loipen investieren. Das bisher genutzte Fahrzeug war altersschwach und
       hätte mitten im Wald stehen bleiben können, hieß es.
       
       ## Jetzt wird auf das Wandern gesetzt
       
       Weil der Wintertourismus, über Jahrzehnte die Säule des Geschäfts, wegen
       des Klimawandels zusammenbricht, setzt bei den Fremdenverkehrsstrategen ein
       Umdenken ein: Natur und Kultur werden jetzt mehr beworben. Der Harzklub hat
       begonnen, die Wanderwege zu entflechten und übersichtlicher zu gestalten.
       Das Angebot soll für Gäste überschaubarer und das Wandern in dem
       Mittelgebirge attraktiver werden, teilte der Verein mit.
       
       Zudem wurden neben Klassikern wie dem „Harzer Hexen-Stieg“ und dem
       „Goetheweg zum Brocken“ neue Themenwanderwege erschlossen. Beim „Harzer
       Klostersommer“ 2019 gab es mehr als 50 Konzerte, Führungen, Feste und
       andere Veranstaltungen. Das Krimi-Festival „Mordsharz“ ging mit einem guten
       Dutzend Lesungen, die teils in Bergwerken oder an anderen „gruseligen“
       Orten stattfanden, in die siebte Saison. Derzeit lockt der „Harzer
       Kulturwinter“ mit Theater, Konzerten und Kerzenscheinführungen in Klöster
       und andere alte Gemäuer.
       
       Auch die Klimakrise selbst soll den Fremdenverkehr beleben. Beim Harzer
       Tourismustag im Herbst wurde die Kampagne „Der Wald ruft!“ vorgestellt.
       Statt den Urlaubern den Zustand der durch Stürme und Borkenkäfer massiv
       geschädigten Wälder zu verschweigen, sollen Harz-Reisende bereits vor dem
       Start im Internet, mit Flyern und in Broschüren darauf vorbereitet werden,
       welcher Anblick sie erwartet.
       
       Ein Beispiel: Im [3][Nationalpark Harz,] der mit rund 250 Quadratkilometern
       etwa 10 Prozent der Gesamtfläche des Gebirges umfasst, werden umgestürzte
       und abgestorbene Bäume oft nicht mehr entfernt. Was für manche Besucher ein
       ungewohnter Anblick sein mag, macht aus ökologischer Sicht Sinn, sagt
       Nationalpark-Sprecher Friedhart Knolle. Das Totholz bleibe im Wald und
       biete so zahlreichen Tieren und Pflanzen Nahrung und Unterschlupf.
       
       18 Jan 2020
       
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