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       # taz.de -- Internet-Zensur in Kaschmir: Gericht kritisiert Internetsperre
       
       > Seit fünf Monaten ist die indische Region Jammu und Kaschmir offline. Das
       > soll sich nun ändern, hat das Oberste Gericht beschlossen.
       
   IMG Bild: Journalisten in einem Medienzentrum der Regierung in Kaschmir
       
       Mumbai taz | Es ist Freitagnachmittag, als die kaschmirische Journalistin
       Anuradha Bhasin erfährt, dass ihre Klage vor dem Obersten Gericht
       erfolgreich war. Die Richter haben befunden: Die [1][Internetsperre im
       indischen Teil Kaschmirs] ist verfassungswidrig und soll binnen sieben
       Tagen aufgehoben werden. Das ist ein Aufatmen. „Das Recht auf Zugang zum
       Internet ist ein Grundrecht und unantastbar“, sagt Bhasin am Telefon.
       
       Was beschlossen wurde, sei wichtig und willkommen, auch wenn sie nur
       teilweise zufrieden ist. „Der entscheidende Teil ist, ob die Regierung die
       auferlegten Beschränkungen überprüfen wird oder versucht, einen Weg zu
       finden, um sie zu umgehen.“
       
       „Die Abschaltung des Internets auf unbestimmte Zeit ist ein Verstoß gegen
       die indische Verfassung“, kommentiert die Rechtsanwältin Vrinda Grover, die
       die Klage vor Gericht vertrat. Dennoch war es ein langes Warten. Denn dem
       Entzug des Teilautonomiestatus des nordindischen Bundesstaates Jammu und
       Kaschmir am 5. August folgte eine totale Kommunikationsblockade.
       
       Bhasin und Grover reichten nur wenige Tage später Klage ein. Doch es
       vergingen Monate, bis diese gehört wurde. Somit ist bis zum heutigen Tag
       die Kommunikation in der Bergregion und vor allem die Internetverbindung
       massiv eingeschränkt.
       
       ## Alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens betroffen
       
       Damit wollte die Regierung in Delhi erreichen, dass Proteste gegen die
       [2][Auflösung der Teilautonomie] kleingehalten werden. Zugleich verstärkte
       sie drastisch die Präsenz von Polizei und Militär. Das hüllte das Tal in
       eine unheimliche Stille mit sieben Millionen Betroffenen.
       
       Die Studentin Sumaiya konnte kaum zur Uni. Sie verbrachte die meiste Zeit
       zuhause und langweilte sich, während öffentlicher Verkehr und die
       Gesundheitsversorgung nur eingeschränkt nutzbar waren. Selbst
       Telefonverbindungen waren anfangs abgeschaltet.
       
       Alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wurden getroffen, besonders
       Wirtschaft und Tourismus traf es hart. Ebenso die Menschen, die sich
       wehrten und in Zusammenstöße mit indischen Behörden gerieten.
       
       „Ein paar Zeitungen zirkulieren, aber sie geben kein klares Bild davon, was
       wirklich passiert“, sagt Sumaiya. Die Lage habe zum Anstieg von
       Falschnachrichten geführt, da vieles nicht nachprüfbar ist. Genau dagegen
       richtet sich die Petition von Bhasin, die für die englischsprachige Zeitung
       [3][Kashmir Times] tätigt ist.
       
       Unter diesen Umständen sei es nicht möglich, dass Journalisten ihrer Arbeit
       nachgehen. Denn seitdem können sie nur in Medienzentren auf Internet
       zurückgreifen, was auf 20 Minuten am Tag beschränkt ist. Doch nicht nur
       lokale Medien haben Probleme, die Bevölkerung zu informieren.
       
       Ausländischen Journalisten blieb seither die Einreise nach Kaschmir
       verwehrt. Bisher war es nur einigen Delegierten wie zwei Gruppen von
       ausländischen PolitikerInnen erlaubt, den indischen Krisenstaat zu
       besuchen. Darunter war eine kontroverse Tour mit [4][rechten Abgeordneten
       des Europaparlaments], die international für Aufsehen und Protest sorgte.
       
       „Ich wünschte, das Internetverbot und andere Einschränkungen wären sofort
       für ungültig erklärt worden“, sagt Bhasin, die im kaschmirischen Jammu
       versucht, trotz aller auch finanziellen Probleme die Zeitung am Leben zu
       erhalten. Aber sie habe immer noch Hoffnung.
       
       10 Jan 2020
       
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