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       # taz.de -- Israelbezogener Antisemitismus: Jüdischer Stadtrat ausgeladen
       
       > Bei der Friedenskonferenz in München hätte der jüdische Stadtrat Marian
       > Offman ein Grußwort halten sollen. Doch dann luden die Organisatoren ihn
       > aus.
       
   IMG Bild: Stadtrat Marian Offman im Juni 2018
       
       München taz | Marian Offman saß gerade in einer Plenarsitzung des Münchner
       Stadtrats kurz vor Weihnachten, als er auf seinem Smartphone die Mail aus
       dem Büro des Oberbürgermeisters las: Auf das Grußwort, das er in Vertretung
       des OB bei der Friedenskonferenz habe halten sollen, brauche er sich nun
       doch nicht vorbereiten. Er sei ausgeladen worden. „Ich war völlig perplex“,
       erzählt Offman, „so etwas hat es meines Wissens schließlich noch nie
       gegeben.“
       
       Es ist bereits das 18. Mal, dass die Münchner Friedenskonferenz im Februar
       zusammentritt. Die Veranstaltung versteht sich als Gegenprogramm zur
       [1][Münchner Sicherheitskonferenz] und propagiert einen „kompletten Umstieg
       von der militärischen zu ziviler Sicherheitspolitik“. Die
       Hauptveranstaltung, das Internationale Forum, findet am 14. Februar im
       Alten Rathaus statt. Zum Auftakt sollte ein Vertreter der Stadt ein
       Grußwort halten. Immerhin stellt sie den Organisatoren den
       prestigeträchtigen Saal zur Verfügung.
       
       In Vertretung von Oberbürgermeister Dieter Reiter hätte Stadtrat Marian
       Offman die Willkommensansprache halten sollen. Offman saß jahrelang für die
       CSU im Stadtrat, seit Juli gehört er – wie auch OB Reiter – der SPD an.
       Offman ist Münchens einziger jüdischer Stadtrat. „Ich hatte mir das ganz
       interessant vorgestellt, zu hören, was die Veranstalter zum Friedensthema
       sagen. Ich hatte auch nicht die Absicht, da große weltpolitische Reden zu
       schwingen, sondern wollte nur die Position der Stadt zum Krieg
       beschreiben.“
       
       Schließlich sei München im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört worden.
       Eine Stadt, die in solchem Maße vom Krieg gezeichnet worden sei, wisse
       vielleicht doch in besonderem Maße das Geschenk eines 75 Jahre währenden
       Friedens zu schätzen.
       
       ## „Offensiv und polarisierend“?
       
       Doch dann luden die Veranstalter Offman kurzerhand aus, zur großen
       Überraschung der Stadt. Als Begründung führte Friedenskonferenz-Organisator
       Thomas Rödl laut Süddeutscher Zeitung Offmans Haltung zu Israel an. Offman
       habe sich „offensiv und polarisierend mit politischen Gruppen und
       Veranstaltungen auseinandergesetzt, die die Politik der Regierung Israels
       kritisch beurteilen“.
       
       Gemeint sein dürfte damit Offmans Kritik an der [2][Kampagne BDS (Boycott,
       Divestment and Sanctions)], die zum Boykott und zur Isolation Israels
       aufruft. „Wir haben befürchtet“, so Rödl, „dass Offman das zum Thema macht
       und unsere Veranstaltung durch Zwischenrufe und Tumulte gestört und Herr
       Offman beleidigt wird.“
       
       Dass man es nur fürsorglich gemeint habe, will Offman freilich nicht
       glauben. Abgesehen davon habe er gar nicht die Absicht gehabt, das Thema
       BDS in seinem Grußwort aufzugreifen. „An Israel habe ich überhaupt nicht
       gedacht. Der Oberbürgermeister ist schließlich der Oberbürgermeister von
       München.“ Aber natürlich sei er gegen BDS. Angesichts des zunehmenden
       Antisemitismus sei „Israel als Zufluchtsort gar nicht mehr so theoretisch“.
       
       Nun ist Offman aber nicht der Einzige, der BDS kritisch gegenübersteht. So
       hat der Bundestag BDS als antisemitisch verurteilt. Und mit derselben
       Begründung beschloss der Münchner Stadtrat mehrheitlich, dass städtische
       Räume nicht für Veranstaltungen zur Verfügung gestellt würden, bei denen
       Inhalte und Ansichten der BDS-Kampagne auch nur diskutiert werden sollen.
       Unter den Stadträten, die für den Beschluss stimmten, befanden sich auch
       welche, die in den vergangenen beiden Jahren als Vertreter der Stadt bei
       der Konferenz sprechen durften.
       
       ## Affront gegenüber der Stadt
       
       Mit einigen Verrenkungen rechtfertigt Rödl allerdings auch diese
       unterschiedliche Behandlung: Diese Stadträte hätten „Parteien vertreten,
       die zumindest historisch – wenn auch nicht in allen aktuellen Fragen – der
       Friedensbewegung näher stehen“. Gemeint sind SPD und Grüne. Offman ist zwar
       auch Genosse, aber früher sei er eben in der CSU gewesen, auch zur Zeit des
       Stadtratsbeschlusses.
       
       Für Offman jedoch ist die Ausladung „ganz klar israelbezogener
       Antisemitismus in Reinstform“. Er habe auch Fraktionskollegen gefragt, wie
       sie es sähen. Aber auch sie waren der Meinung: Das kann man nicht anders
       interpretieren.
       
       Und auch Oberbürgermeister Reiter mag Rödls Begründung nicht folgen. Von
       einem Affront gegenüber der Stadt spricht er nun und kündigt an: Statt
       Offman werde die Stadt nun bestimmt keinen anderen Vertreter schicken.
       Reiter ließ auch offen, ob die Stadt der Konferenz künftig noch den Saal
       überlassen werde. „Das muss noch diskutiert werden.“ Offman findet, die
       Rathausjuristen hätten außerdem auch zu klären, ob die nun angesetzte
       Veranstaltung überhaupt mit dem BDS-Stadtratsbeschluss vereinbar und der
       Mietvertrag noch kündbar sei.
       
       Bei Offman ging im neuen Jahr indes ein „Gesprächsangebot“ Rödls ein. Man
       habe ihn „nicht ausgeladen, sondern lediglich das Angebot des OB-Büros
       nicht angenommen“, schreibt Rödl. Der Vorschlag, dass Offman das Grußwort
       übernehmen sollte, habe die Organisatoren schließlich schon etwas
       überrascht. Wie hätte man darauf reagieren sollen? Jetzt aber wolle man
       Offman „zu einem Gespräch über die deutlich gewordenen politischen
       Differenzen einladen“. Darauf hat Offman nun aber keine Lust mehr.
       
       Die Abendzeitung berichtete am Donnerstag vergangener Woche, dass der
       Trägerverein der Friedenskonferenz inzwischen sogar darüber nachdenke, ob
       es die Konferenz künftig überhaupt noch geben soll.
       
       14 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Muenchner-Sicherheitskonferenz/!5570925
   DIR [2] /Essay-BDS-Resolution-im-Bundestag/!5606688
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominik Baur
       
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