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       # taz.de -- Vereinbarung für Libyen: Der Coup von Moskau
       
       > Libyens Premier al-Sarradsch und der aufständische General Haftar sind
       > nach Russland gereist. Sie sollen dort ihren Waffenstillstand bestätigen.
       
   IMG Bild: General Haftar und der russische Verteidigungsminister
       
       Tunis taz | Die Anführer der beiden libyschen Kriegsparteien sind am Montag
       zu Gesprächen mit russischen und türkischen Diplomaten in Moskau
       eingetroffen. Russische Medien berichten, dass Libyens Premier Fajis
       al-Sarradsch und sein Rivale Chalifa Haftar zur Unterzeichnung des [1][am
       Wochenende mündlich vereinbarten Waffenstillstand] geladen wurden. Ob die
       beiden Delegationen direkt aufeinandertreffen, war zunächst unklar.
       
       Vor seinem Abflug aus Tripolis betonte Premierminister al-Sarradsch in
       einer TV-Ansprache, dass er in das Treffen freiwillig gehe, aus einer
       Position der Stärke heraus. Seit April letzten Jahres haben die Milizen,
       die seine Regierung stützen, eine Eroberung der Hauptstadt durch die
       Libysche Nationalarmee (LNA) des aufständischen Generals Haftar verhindern
       können.
       
       Zwar sind die Kämpfe bis auf 10 Kilometer ans Zentrum von Tripolis
       herangerückt, aber fast alle staatlichen Institutionen sind noch in der
       Hand der ehemaligen revolutionären Milizen, die al-Sarradsch verteidigen.
       
       In der Nacht auf Sonntag hatte auch Haftar, der sich seit Tagen in Moskau
       aufhält, der von der Türkei und Russland vorgeschlagenen Waffenruhe
       zugestimmt. Die Befehle zur Feuerpause wurden offenbar sehr kurzfristig an
       die Kämpfer an der Front weitergegeben.
       
       ## Frontkämpfer sehen das nicht ein
       
       Gegenüber der taz äußerten sich einige Sarradsch-Kommandeure erbost
       darüber, dass Haftars LNA sich nicht zurückziehen müsse. Die Verteidiger
       von Tripolis hatten immer betont, einem Waffenstillstand nur nach einem
       Rückzug der LNA auf ihre Positionen vor dem Beginn des Krieges zustimmen zu
       wollen.
       
       Aber auch Haftar geht mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands ein
       hohes Risiko ein. Erst letzte Woche hatte der 74-Jährige einen „heiligen
       Krieg“ gegen die zur Unterstützung der Regierung Sarradsch nach Libyen
       entsandten türkischen Soldaten und die Milizen in Tripolis ausgerufen.
       
       In der LNA kämpfen neben in ostlibyschen Militärakademien ausgebildeten
       Rekruten eine unbekannte Zahl von ausländischen Söldnern aus Sudan,
       Russland und Tschad. Russische Luftwaffenmaschinen vom Typ Iljuschin 2-76
       MD pendeln zwischen einer Militärbasis im syrischen Laktakia und der unter
       Haftars Kontrolle stehenden ostlibyschen Stadt Bengasi. Mit russischer,
       ägyptischer, aber auch französischer Hilfe konnte Haftar in den letzten
       Jahren eine stabile Logistik und Befehlskette aufbauen.
       
       Unter den LNA-Einheiten befinden sich auch [2][ehemalige Gaddafi-
       Anhänger], die sich mit Haftar an die Macht zurückkämpfen wollten und mit
       dem vorläufigen Ende des LNA-Vormarschs unzufrieden sein werden.
       
       ## Russland und die Türkei als Garantiemächte
       
       İbrahim Kalın, Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan,
       feierte auf Twitter die russisch-türkische Initiative als Erfolg der
       „Friedensdiplomatie unseres Präsidenten“. Die Türkei hat nach offiziellen
       Angaben 35 Soldaten in Libyen stationiert, die der Einheitsregierung beim
       Aufbau militärischer Strukturen helfen sollen. Aber auch mehrere Hundert
       syrische Rebellen wurden aus Istanbul für den Kampf gegen Haftar nach
       Libyen geflogen.
       
       In Berlin bestätigte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert, dass
       die von deutschen Diplomaten angestoßene Libyen-Konferenz in der
       Bundeshauptstadt am kommenden Sonntag stattfinden soll.
       
       Neben Erdoğan werden weitere Staatsoberhäupter zu dem [3][Treffen in
       Berlin] erwartet, auf dem die Rolle der internationalen Partner der
       libyschen Milizen abgesteckt und ein politischer Prozess vereinbart werden
       könnte. Eine Friedenskonferenz unter UN-Aufsicht in Libyen soll folgen.
       
       Wer den Waffenstillstand überwachen wird, scheint klar zu sein: Ähnlich wie
       in Syrien sind die russischen und türkischen Einflussbereiche abgesteckt.
       Als Machtdemonstration kreisten am Montag unbekannte Kampfflugzeuge über
       den Frontlinien, berichten libysche Kommandeure.
       
       13 Jan 2020
       
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