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       # taz.de -- Rechte Anschlagserie in Berlin-Neukölln: „Diese Gewissheit erleichtert eher“
       
       > Die linke Abgeordnete Anne Helm wurde von der Polizei informiert, dass
       > sie seit 2013 auf einer rechten Feindesliste steht. Wie geht sie damit
       > um?
       
   IMG Bild: Die Linken-Politikerin Anne Helm
       
       taz: Frau Helm, die Auswertung eines Datenträgers durch das
       Landeskriminalamt (LKA) hat ergeben, dass Sie sich seit 2013 auf der
       Feindesliste des Hauptverdächtigen der Anschlagsserie in Neukölln befinden.
       
       Anne Helm: Mich selbst hat die Information nicht überrascht, mich hat diese
       Gewissheit jetzt eher erleichtert. Ich war bereits lange zuvor zu dem
       Ergebnis gekommen, dass der Neuköllner Täterkreis meine Privatadresse
       ausfindig gemacht hat. Im Winter 2013 wurde mein Briefkasten aufgebrochen,
       und ich habe schon damals einen politischen Hintergrund vermutet. Dass mich
       diese eigene Einschätzung nicht trügt, sondern das Landeskriminalamt sie
       teilt, hat mir da eine gewisse Sicherheit gegeben, eben im Sinne von
       Gewissheit.
       
       Warum hatten Sie das bereits vermutet? 
       
       Ich habe schon 2013 Ausspähaktivitäten festgestellt. Nazis haben sich in
       der Nähe meines Wohnhauses aufgehalten, teilweise die verbale
       Auseinandersetzung mit mir gesucht. Das schafft natürlich ein
       [1][Bedrohungsszenario], wo man sich zweimal umschaut, bevor man aus dem
       Haus geht, oder zweimal um den Block geht, wenn man sich verfolgt fühlt.
       
       Handelt es sich bei der Auswertung des Datenträgers um einen
       Ermittlungserfolg der Polizei? 
       
       Das lässt sich noch nicht abschließend bewerten. Ob tatsächlich
       Informationen sichergestellt werden konnten, die den Hauptverdächtigen mit
       konkreten Taten in Verbindung bringen können, ist mir bis dato nicht
       bekannt. Man kann es nur hoffen, weil das ja nach mehreren verpassten
       Chancen der Strohhalm war, an den sich die Ermittler geklammert haben.
       
       Sie haben per Twitter andere Menschen aufgefordert, die ebenfalls auf der
       Feindesliste stehen, sich bei Ihnen zu melden. Ist das schon passiert? 
       
       Ja, mehrere haben sich gemeldet. Und die [2][Mobile Beratungsstelle gegen
       Rechtsextremismus (MBR)] hat mir gesagt, dass sich auch bei ihnen mehrere
       Betroffene gemeldet haben. Ich habe es öffentlich gemacht, da ich es für
       wichtig halte, darüber zu sprechen. Aber viele andere Betroffene stehen
       nicht so in der Öffentlichkeit wie ich und wollen auch nicht öffentlich
       darüber sprechen. Auf dem Datenträger sind mehr personenbezogene Daten
       gefunden worden als von den Menschen, die bereits Opfer von Anschlägen
       geworden sind.
       
       Erhoffen Sie sich jetzt mehr Unterstützung von anderen Parteien für Ihre
       Forderung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses? 
       
       Wir warten immer noch auf den Abschlussbericht der Besonderen
       Aufbauorganisation (BAO) Fokus. Wenn wir danach weiterhin offene Fragen
       haben, werden wir sehen müssen, auf welchem Weg wir die beantworten können.
       Ich glaube, dass alle Regierungsparteien ein Interesse an einer lückenlosen
       Aufklärung haben. Wir sind uns nur uneinig darüber, auf welchem Weg wir das
       machen. Wenn die BAO Fokus keine Antworten finden kann, werden wir
       weiterhin darauf bestehen, dass wir als Parlamentarier:innen suchen müssen.
       
       Welche politischen Konsequenzen müssen noch gezogen werden? 
       
       Der politische Hintergrund der rechtsextremen Taten wurde lange völlig
       übersehen – das ist ein Fehler, der sich auf gar keinen Fall wiederholen
       darf. Es hat große [3][Patzer] in den Ermittlungen gegeben, und wir
       brauchen konkrete Antworten, wie es dazu kommen konnte. Wieso ist
       beispielsweise [4][Ferat Kocak] nicht informiert worden, obwohl klar war,
       dass ein Anschlag geplant war? Das sind Fragen, die massiv das Vertrauen in
       die Ermittlungsbehörden erodieren. Das sollte im Interesse von niemanden
       sein. Eine Aufklärung von Fehlern, die gemacht worden sind, liegt im
       eigenen Interesse der Ermittlungsbehörden.
       
       15 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Rechte-Anschlagserie-in-Berlin-Neukoelln/!5646031/
   DIR [2] https://www.mbr-berlin.de/?lang=de
   DIR [3] /Rechtsextreme-Anschlaege-in-Neukoelln/!5637018/
   DIR [4] /Linke-Politiker-ueber-Anschlagsserie/!5640812&s=Anschlagsserie/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Henrike Koch
       
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