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       # taz.de -- Vorwahlkampf der US-Demokraten: Ende der Gemeinsamkeit
       
       > Die TV-Debatte der KandidatInnen für das Präsidentenamt hat etwas von
       > einer Schlammschlacht. Zumindest die Sender jubilieren.
       
   IMG Bild: Warren (links) oder Sanders: wer sagt die Wahrheit
       
       New York taz | Eine Frau habe bei den Präsidentschaftswahlen dieses Jahres
       in den USA keine Chance, gewählt zu werden, soll Bernie Sanders gesagt
       haben. Das zumindest behauptet [1][Elizabeth Warren]. Ihr linker Kontrahent
       widerspricht.
       
       Der demokratische Sozialist, der seit Jahrzehnten politische Karrieren von
       Frauen unterstützt hat, erklärt, dass ein solches Statement das Gegenteil
       dessen sei, woran er glaube. Und er fügt hinzu: „Wie könnte irgendjemand
       auf eine so absurde Idee kommen? Natürlich kann eine Frau gewinnen.
       Schließlich hat Hillary Clinton 2016 mehr als drei Millionen mehr Stimmen
       bekommen als Trump“.
       
       Aber Warren insistiert auf ihrem Vorwurf und versucht, daraus ein
       politisches Argument zu ihren Gunsten zu machen. „Frauen“, erklärt sie am
       Dienstag in Iowa bei der siebten Präsidentschaftsdebatte der DemokratInnen
       in dieser Vorwahlsaison, „haben bei den jüngsten Wahlen besser
       abgeschnitten als Männer.“
       
       Wer von den beiden – ob Sanders oder Warren – die Wahrheit sagt, ist nicht
       überprüfbar. Denn der fragliche Wortwechsel fand unter vier Augen statt.
       Laut Warren soll das bei einem Treffen im Jahr 2018 geschehen sein. Damals
       kandidierte keineR der beiden SenatorInnen für das Weiße Haus und damals
       bezeichneten die beiden sich noch als FreundInnen.
       
       ## Stimmen des linken Flügels
       
       Inzwischen gehören Warren und Sanders zu den sechs verbliebenen
       SpitzenkandidatInnen im Präsidentschaftswahlkampf der Demokratischen
       Partei. Sie bündeln die Stimmen des linken Flügels der Partei. Gemeinsam
       haben sie fast 40 Prozent der Basis hinter sich. Damit übertreffen sie das
       gemeinsame Ergebnis der beiden Zentristen im Spitzenfeld – Joe Biden und
       Pete Buttigieg – um mehrere Punkte.
       
       Aber weniger als drei Wochen, bevor in Iowa am 3. Februar die Basis in dem
       ersten Bundesstaat eineN demokratischeN PräsidentschaftskandidatIn
       bestimmt, zählen die linken Gemeinsamkeiten nicht mehr. Jetzt geht es
       darum, die noch unentschiedenen oder zögernden WählerInnen zu überzeugen.
       
       Warren bringt ihren Vorwurf just zu dem Moment an die Öffentlichkeit, als
       Sanders in einer Meinungsumfrage in Iowa in Führung geht. Und als auch die
       Veröffentlichung der vierteljährlichen Spendenergebnisse zeigt, wie stark
       er ist.
       
       Danach hat Sanders mit 34,5 Millionen Dollars im vierten Quartal 2019 die
       meisten Spenden bekommen, und nicht nur die größte Zahl von individuellen
       SpenderInnen dieser Vorwahlsaison hinter sich versammelt, sondern auch
       einen neuen Rekord in der US-Geschichte aufgestellt: Seine Kampagne spricht
       von fünf Millionen SpenderInnen. KeinE PräsidentschaftskandidatIn vor ihm
       hatte so viele.
       
       ## Bitterer Wortwechsel
       
       Für Sanders-Fans ist das, was Warren tut, eine Schlammschlacht. Warren-Fans
       hingegen sorgen dafür, dass möglichst viele WählerInnen von dem Vorwurf
       ihrer Kandidatin hören. Es geht darum, die Stimmen von Frauen zu erobern.
       
       Am Dienstag, bei der siebten demokratischen Debatte dieser Vorwahlsaison,
       liefert der bittere Wortwechsel zwischen den beiden Linken den Moment von
       Spannung, auf den die TV-Sender gewartet haben. Die nur noch sechs (von
       einst mehr als 20) DemokratInnen, die sich für diese siebte Debatte
       qualifiziert haben, debattieren Themen, die von der [2][Eskalation zwischen
       Washington und Teheran] über die Freihandelsabkommen bis hin zu
       Krankenversicherungen reichen.
       
       Sanders nennt den Vietnamkrieg und den Irakkrieg die „beiden großen
       Politik-Katastrophen unserer Lebenszeit“. Er sagt, dass beide auf Lügen
       basierten und dass der gegenwärtige Präsident jetzt im Iran wieder dabei
       sei, zu lügen.
       
       Am anderen Ende des demokratischen KandidatInnenspektrums bezeichnet Biden
       sein Votum für den Irakkrieg als „Fehler“, und versucht seine
       außenpolitische Ehre damit zu retten, dass der Irakkriegsgegner Barack
       Obama ihn dennoch zu seinem Vizepräsidenten gemacht hat.
       
       Warren konstruiert ihren Debattenauftritt rund um die fiktive oder reale
       Frauenfrage. Als sie am Ende auch noch die zum Gruß ausgestreckte Hand von
       Sanders ignoriert, jubilieren die TV-Sender. Vor dieser Szene treten alle
       anderen Themen der Debatte in den Hintergrund.
       
       15 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kandidatenkuer-der-US-Demokraten/!5634210
   DIR [2] /Flugzeugabsturz-bei-Teheran/!5651724
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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