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       # taz.de -- Senat trifft Evangelische Kirche: „Ich empfinde da immer mehr Nähe“
       
       > Regierungschef Müller (SPD) berichtet nach einem Senatstreffen mit
       > Bischof Stäblein von seiner intensiven Verbindung zur Kirche.
       
   IMG Bild: Die Kirchen klagen eher darüber, dass ihnen die „Schäflein“ abhanden kommen
       
       Berlin taz | Ein Podium in einem Hörsaal, darauf der Regierende
       Bürgermeister und der Evangelische Landesbischof. Gut gelaunt sind beide in
       den Raum gekommen, um Journalisten zu erzählen, dass Senat und Kirche in
       gutem Kontakt zueinander stehen würden. Wobei Michael Müller, zugleich
       Wissenschaftssenator und dadurch nicht selten in Hochschulen unterwegs,
       stutzt, als er den 1965 entstandenen Saal mit seiner Holztäfelung sieht, wo
       an der Wand an einer Art Klingelschild Beleuchtung und sonstige
       Einstellungen zu regeln sind. „Wer ist denn auf den Ort gekommen?“, fragt
       der Regierende Bürgermeister.
       
       Das Treffen findet im Bezirk Zehlendorf statt, aber nicht an der Freien
       Universität, sondern im Audimax der Evangelischen Hochschule, an der
       zurzeit 1.600 Studierende eingeschrieben sind. Am Stadtrand, nur eineinhalb
       Kilometer vor der Grenze zu Brandenburg, ist die Hochschule eher selten so
       im Fokus – im Herbst verschaffte es ihr Aufmerksamkeit, dass die
       durchgefallene Linkspartei-Kandidatin fürs Verfassungsgericht dort eine
       Professur für Soziale Arbeit hat.
       
       An diesem Dienstag ist die Hochschule Ort des ersten Treffens zwischen
       evangelischer Kirchenleitung und Senat seit über zwei Jahren, dem insgesamt
       sechsten seit 2007. Die rot-rot-grünen Regierungsmitglieder haben in den
       Räumen der Hochschule erst unter sich getagt und danach mit den
       Kirchenleuten gesprochen. Es ist jene Landesregierung, bei deren
       Vereidigung Ende 2016 von elf Mitgliedern nur zwei ihren Amtseid mit dem
       Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ leisteten. Zum einen war das damals von der
       grünen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop zu hören, zum anderen von dem Mann,
       der nun neben dem Bischof vor den Journalisten sitzt, SPD-Mann Müller.
       
       Ob er sich denn auch als Kirchgänger bezeichnen würde? „Ich bin Christ“,
       antwortet Müller auf die taz-frage, „ich fühle mich meiner Kirche
       verbunden“, auch wenn er nicht jeden Sonntag zum Gottesdienst geht.
       
       ## Volksentscheid zum Religionsunterricht
       
       Als die Journalisten schon beim Notieren sind, schiebt der Regierungschef
       noch einige Sätze hinterher: „Die Verbindung wird im Laufe der Zeit
       intensiver, ich empfinde da immer mehr Nähe.“ Vielleicht liege es daran,
       dass er älter werde – Müller wurde im Dezember 55 Jahre alt. Auch den
       Moment mit der religiösen Beteuerung bei der Vereidigung vor über drei
       Jahren holt er sich noch mal vor Augen: „Das war mir wichtig, und ich habe
       es mit tiefer Überzeugung getan.“
       
       So ist die Stimmung durchaus aufgelockert im Hörsaal. Vorbei die Zeiten,
       als Senat und Kirche sich vor über zehn Jahren als erklärte Gegner
       gegenüberstanden, als es um den Volksentscheid zum Religionsunterricht
       ging. Als Ethik Pflichtfach an den Oberschulen wurde, sahen sich die
       Kirchen ausgebootet, in der Schule an den Rand gedrängt.
       
       Jetzt berichtet Bischof Stäblein, der erst im Herbst Markus Dröge als
       Landesbischof ablöste, von Gesprächen über eine „Integration des Fachs
       Religion in die Stundentafel“. Als Beleg für das gute Verhältnis zwischen
       Senat und Kirche verweist Müller auf Lob von Sozialsenatorin Elke
       Breitenbach (Linkspartei) und sagt selbst: „Wir erhalten bei unseren
       sozialen Projekten wie beispielsweise der Obdachlosenarbeit sehr viel
       Unterstützung durch die Kirchen.“
       
       Müller betont auf eine Frage hin, dass das immer mal wieder kritisierte
       Neutralitätsgesetz kein Anti-Kopftuch-Gesetz sei „und auch kein
       Anti-Kreuz-Gesetz“. In diesem Zusammenhang erwartet er auch keine
       neuerlichen Diskussionen, wenn bei der Fertigstellung des Stadtschlosses
       respektive Humboldt Forums ein Kreuz auf der Schlosskuppel prangt. Der
       Bischof mochte sich dazu nicht festlegen – „das kann ich nicht
       einschätzen“.
       
       21 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
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