URI: 
       # taz.de -- Grünes Doppel in Brandenburg: „Eine klare Trennung der Rollen“
       
       > Petra und Ricarda Budke sind in der Grünen-Fraktion im Brandenburger
       > Landtag. Wie klappt die Zusammenarbeit von Mutter und Tochter?
       
   IMG Bild: Petra Budke (61), Ricarda Butke (20), Kolleginnen
       
       taz: Frau Budke junior, Frau Budke senior, im Berliner Abgeordnetenhaus
       sitzen die Brüder Wolf und die Czajas – aber Mutter und Tochter in einer
       Landtagsfraktion wie in Brandenburg gibt es bundesweit nur noch ein
       weiteres Mal, in Hamburg. War und ist das bei den Grünen kein Thema, ob
       solche Familienbande im Landtag okay sind? 
       
       Petra Budke: Es ist tatsächlich kein Thema. Und zwar deshalb, weil Ricarda
       von Anfang an nicht als meine Tochter wahrgenommen wurde, sondern als
       Sprecherin der Grünen Jugend. Sie hat sich engagiert und viel geleistet.
       Deshalb war klar, dass es um sie selbst ging und nicht um unsere
       Familienkonstellation …
       
       … aber vielleicht hatte der Parteitag bei der Listenaufstellung mit den
       Kandidaten auch gar nicht damit gerechnet, dass so viele Grüne ins
       Parlament kommen und auch ein hinterer Listenplatz dafür reicht?
       
       Petra B.: Das kam natürlich dazu: Als wir die Liste aufgestellt haben, da
       waren wir in den Umfragen noch weit von unserem Wahlergebnis entfernt –
       niemand hat damit gerechnet, dass Listenplatz 13, von dem Ricarda jetzt
       nachgerückt ist, für einen Sitz im Parlament reichen würde. Und trotzdem
       hat Ricarda sich auch diesen Platz in einer knappen Abstimmung erkämpft.
       
       Wie soll das nun konkret gehen mit Mutter und Tochter in einer zehnköpfigen
       Fraktion – vor allem, wenn die eine auch noch die Fraktionschefin ist? Wie
       kann man sich da nötigenfalls deutlich Contra geben, ohne gleich den
       Familienfrieden zu gefährden? 
       
       Petra B.: Das müssen wir ja noch erproben, darum ist es ganz gut, dass
       Ricarda schon jetzt nachgerückt ist. Wir sind ja insgesamt noch dabei, uns
       zu finden – ich bin ja auch neu ins Amt gekommen, weil die beiden
       bisherigen Fraktionsvorsitzenden jetzt Minister sind.
       
       Ricarda B.: Wir haben diese Konstellation im Grunde ja schon länger – bis
       Ende 2019 waren wir ja parallel Vorsitzende des Grünen-Landesverbands und
       der Grünen Jugend …
       
       … umso schlimmer: Die Grüne Jugend ist doch per Definition schärfste
       Kritikerin der Mutterpartei. 
       
       Ricarda B.: Das hat aber trotzdem gut geklappt. Wir konnten uns gegenseitig
       entschieden Contra geben und doch harmonisch zusammen Weihnachten feiern.
       Ich hatte mir das anfangs eigentlich schwieriger vorgestellt. Inhaltlich
       hatten wir ja oft genug gegensätzliche Positionen: Bei den Parteitagen im
       Herbst habe ich gegen die Kenia-Koalition mit SPD und CDU geredet, meine
       Mutter dafür.
       
       Aber gerade als Sie noch nicht mal 18 Jahre alt waren und noch zu Hause
       wohnten: Streit oder auch nur erregte Diskussionen in Gremien sind ja nicht
       außergewöhnlich – aber da geht normalerweise nachher jeder irgendwo anders
       hin nach Hause und auf Abstand –, aber selten mit seinem Streitgegner in
       eine gemeinsame Wohnung. 
       
       Ricarda B.: Solche Situationen, wo wir so aneinandergeraten wären, die gab
       es bislang gar nicht – wir sind persönlich immer gut miteinander
       ausgekommen.
       
       Petra B.: Auf so einer Ebene haben wir uns tatsächlich gar nicht
       gestritten, es war immer ein fairer Austausch. Die Aufgabe der Grünen
       Jugend ist ja auch nicht, unsere Meinung anzunehmen. Beide Seiten konnten
       damit leben, weil es immer das Verständnis für die andere gab.
       
       Das klingt irgendwie zu schön, um wahr zu sein. 
       
       Ricarda B.: Ist aber so. Entscheidend war, dass wir immer klargemacht
       haben, in welcher Rolle wir gerade miteinander reden – mit Sätzen wie „Ich
       sag dir das jetzt als Tochter“ oder: „Ich sprech jetzt als
       Grüne-Jugend-Vorsitzende zu dir“.
       
       Und dieser Rollenwechsel hat immer geklappt? 
       
       Petra B.: Ja, weil wir das eben irgendwann mal genau so verabredet haben:
       Wir sagen das immer an, auf welcher Ebene wir uns gerade bewegen. Ohne eine
       solche klare Trennung der Rollen hätte das nicht geklappt. Entscheidend war
       auch, dass wir uns als Politikerinnen auf Augenhöhe bewegen – sie ist dann
       eben nicht die Tochter, sondern die Grüne-Jugend-Sprecherin oder jetzt eben
       die Landtagsabgeordnete.
       
       Gab es nie mal Kritik aus der Grünen Jugend: Ricarda, du machst deiner
       Mutter zu wenig Druck, du gehst zu schonend mit der Parteispitze um? 
       
       Ricarda B.: Nein, das gab es nicht. Und wenn es bei einem Thema so aussah,
       als könnte es schwierig werden, dann hat meine Mutter das an ihren
       Co-Vorsitzenden abgegeben.
       
       Petra B.: Darauf haben wir dann auch gelegentlich zurückgegriffen.
       
       Ein offenbar unterschätzter Vorteil der Grünen-Doppelspitze. 
       
       Petra B.: Das muss man wirklich sagen, das ist ein großer Vorteil – ganz
       abgesehen davon, dass man sich auch die Themen aufteilen kann.
       
       Bei Pfarrerskindern heißt es: Entweder werden die auch Pfarrer oder sie
       treten aus der Kirche aus. Übertragen auf eine Politikerfamilie trifft bei
       Ihnen das Erste zu. 
       
       Ricarda B.: Ich habe schon eine starke Prägung von meinen Eltern bekommen –
       eben nicht zu Hause zu sitzen und zu meckern, sondern sich engagieren, sich
       Wahlen zu stellen.
       
       Sie studieren seit 2018 in Cottbus Stadt- und Regionalplanung – wird sich
       das mit dem Landtagsmandat vereinbaren lassen? 
       
       Ricarda B.: Nach so wenigen Tagen kann ich erst mal nur sagen: Einfach wird
       das nicht. Ich werde wahrscheinlich das Studium stark reduzieren müssen und
       notfalls pausieren.
       
       Sorgt sich die Mutter, jetzt nicht die Fraktionschefin, dass nun das
       Studium der Tochter leidet, wenn die im Hauptberuf Landtagsabgeordnete
       ist? 
       
       Petra B.: Das finde ich durchaus problematisch. Da ich das Politikleben
       ganz gut kenne, weiß ich, dass man das nicht als Berufslaufbahn anstreben,
       sondern erst mal eine abgeschlossene Ausbildung haben sollte. Und ich
       hoffe, Ricarda, dass du das Studium nicht aus den Augen verlierst und, wenn
       auch begrenzt, weiterführst. Als Fraktionschefin dürfte ich dir das jetzt
       nicht sagen – aber als Mutter sehe ich das so.
       
       22 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
   DIR Familie
   DIR Brandenburg
   DIR Bündnis 90/Die Grünen
   DIR Ursula Nonnemacher
   DIR Dietmar Woidke
   DIR Kenia-Koalition
   DIR Landtag Brandenburg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ursula Nonnemacher im Interview: „Man muss es Menschen leicht machen“
       
       Eine Grüne als Ministerin in Brandenburg? Lange undenkbar. Wie geht Ursula
       Nonnemacher mit ihrer neuen Rolle um?
       
   DIR Wiederwahl Woidkes in Brandenburg: Kenia verpatzt den ersten Test
       
       Ministerpräsident Woidke (SPD) fehlen bei der Wiederwahl drei Stimmen aus
       der rot-schwarz-grünen Koalition. Die Mehrheit reicht nur knapp.
       
   DIR Regierungsbildung in Brandenburg: Der Weg nach Kenia ist frei
       
       Nach SPD und CDU votieren auch die Grünen für eine rot-schwarz-grüne
       Koalition. Vereidigt wird die neue Landesregierung am Mittwoch.
       
   DIR Parteitag der Brandenburger Grünen: Kenia rückt immer näher
       
       81 Prozent der Delegierten stimmen für die Koalition mit SPD und CDU. Das
       Ergebnis ist wichtig für die laufende Urwahl: Dort ist Beteiligung bisher
       mau.