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       # taz.de -- Treffen zwischen Merkel und Erdoğan: Lobende Worte für den Präsidenten
       
       > In Istanbul verspricht die Kanzlerin Unterstützung beim Bau von
       > Notunterkünften. Die Zukunft inhaftierter Deutscher bleibt unklar.
       
   IMG Bild: Der türkische Präsident Erdoğan mit seiner „geschätzten Freundin“
       
       Istanbul taz | Gleich dreimal traf sich die Bundeskanzlerin am Freitag
       während eines Besuchs in Istanbul mit dem türkischen Präsidenten Recep
       Tayyip Erdoğan. Das wichtigste Ergebnis ist, dass sich die Kanzlerin bereit
       erklärte, im Rahmen humanitärer Hilfe die türkische Regierung beim Aufbau
       von Notunterkünften an der syrischen Grenze zu unterstützen.
       
       Am Morgen hatten Merkel und Erdoğan zunächst den nach jahrelanger
       Verspätung fertiggestellten Campus der [1][deutsch-türkischen Universität]
       in einem Vorort Istanbuls eingeweiht. Kurz danach traf die Kanzlerin
       Erdogan dann erneut zu einem Vieraugengespräch und am Abend zu einem Essen
       in größerer Runde. Merkel hatte eine lange Liste mit Themen abzuarbeiten,
       das wichtigste war die [2][Flüchtlingsfrage]. Bereits am Morgen bei der
       ersten Begegnung setzte sie dabei den Ton: „Die Leistung der Türkei
       angesichts der Aufnahme von mehr als 3 Millionen syrischer Flüchtlinge kann
       gar nicht hoch genug geschätzt werden“, sagte sie neben einem zufrieden
       dreinblickenden Erdoğan. „Sie verdient Anerkennung und sollte unterstützt
       werden“.
       
       Das war genau das, was Erdoğan von seiner „geschätzten Freundin“, wie er
       Merkel nannte, hören wollte. Denn Erdoğan braucht Unterstützung bei der
       Bewältigung der syrischen Flüchtlingskrise. Nach offiziellen türkischen
       Angaben leben derzeit 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge im Land,
       angesichts der Wirtschaftskrise von immer mehr Türken als Belastung
       empfunden.
       
       In Idlib, dem letzten Rebellenbezirk im Norden Syriens, rückt die syrische
       Armee mit russischer Unterstützung allen Waffenstillstandsabkommen zum
       Trotz immer weiter vor. Mit Bomben und Artillerie wird die Zivilbevölkerung
       aus dem südlichen Teil der Provinz nach Norden, Richtung türkische Grenze
       vertrieben.
       
       Erst in den letzten zwei Tagen sind 36.000 Menschen vor den Angriffen
       geflohen. Wie Erdoğan erklärte, befinden sich bereits jetzt 400.000
       Flüchtlinge auf der syrischen Seite der Grenze, die dort von türkischen
       Hilfsorganisationen notdürftig versorgt werden. Für die sollen nun feste
       Unterkünfte errichtet werden, an deren Finanzierung sich die
       Bundeskanzlerin beteiligen will.
       
       Erdoğan drohte in der Vergangenheit mehrfach damit, Flüchtlinge nach Europa
       weiterzuschicken, wenn nicht mehr Unterstützung kommen würde. Die EU lehnt
       allerdings bislang eine Erhöhung der bereits zugesagten 6 Milliarden Euro
       ab, Merkel sagte nun zu, sich dafür einzusetzen, dass auch längerfristig
       über die 6 Milliarden hinaus Geld aus der EU für die Flüchtlingsintegration
       in der Türkei gezahlt werden soll. Außer den syrischen Flüchtlingen und dem
       anderen [3][Krisenherd Libyen] ging es vor allem um die Stärkung der ins
       Kriseln geratenen deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen.
       
       Seit dem Fastabbruch der diplomatischen Beziehungen 2017 halten sich
       deutsche Konzerne in der Türkei mit Investitionen zurück. VW hat erst
       kürzlich den Bau einer neuen Fabrik in der Nähe von Izmir [4][auf Eis
       gelegt], weil nach dem türkischen Einmarsch in Nordsyrien die politische
       Lage als zu angespannt galt. Hier soll Merkel nun für neues Vertrauen
       sorgen, hofft zumindest Erdoğan. Dafür mahnte Merkel ein paar
       Zugeständnisse im Dauerkonflikt um inhaftierte deutscher Staatsbürger –
       nach offiziellen Angaben derzeit 59, zu denen sowohl politische wie normale
       Kriminalfälle gehören – an.
       
       24 Jan 2020
       
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