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       # taz.de -- Angel Olsens Konzert in Berlin: Effektive Dynamik
       
       > Emotionaler Cinemascope-Pomp-Pop: Die US-amerikanische Musikerin Angel
       > Olsen mit Mut zum Drama im Berliner Huxleys.
       
   IMG Bild: Ja, doch: Angel Olsen engelsgleich mit den Federn
       
       Die amerikanische Musikerin Angel Olsen, die wirklich so heißt, baut ihre
       Songs mit einer so simplen wie effektiven Dynamik auf: erst ganz leise,
       dann ganz laut. Manchmal auch: erst eher leise, dann ziemlich laut. In
       jedem Fall gibt es eine dramatische Steigerung, Spannungen, die sich
       entladen; sie macht altmodische Popmusik, funktionsharmonisch ausgeklügelte
       und dynamisch eben ziemlich rabiate, mit Mut zum Drama und zur großen
       Geste.
       
       Olsen spielte am Donnerstagabend im Berliner Huxleys, auf der Tour zu ihrem
       Album „All Mirrors“, das Ende des vergangenen Jahres auf einer Menge
       Bestenlisten zu finden war. Die 33-Jährige, die als Country-Musikerin
       angefangen hat und mittlerweile beim Cinemascope-Streicher-und-Pomp-Pop
       gelandet ist, hat eine durchdringende Stimme, die zu gleichen Teilen
       Schmerz und Selbstbehauptung ausdrückt und die mit einem Oktavsprung einen
       emotionalen Quantensprung erzeugen kann.
       
       Sieben Menschen, Olsen mitgezählt, stehen auf der Bühne. Die übliche
       Rockband-Aufstellung wird ergänzt durch eine Violinistin und eine
       Cellistin, welche auch für die gesamte Dauer des Konzerts mitspielen. Sie
       wurden also nicht als dekorative Veredelung eingestellt, sondern sind
       prägend für den Sound des Abends. Schwer wie Regenwolken hängen die
       Streicher über Olsens elegischen Stücken. Manchmal verbindet sich ihr
       jenseitiges Fiepen mit dem Feedback der E-Gitarren zu einer windschiefen
       Klangkulisse, auf die sich Olsens von mächtigen Hallräumen verstärkte
       Stimme legt.
       
       ## Alle tragen Schwarz
       
       Alle tragen Schwarz, Olsen trägt ein fransiges Kleid, hinter ihnen
       aufgebaut ist das großformatige Foto eines opulenten Treppenaufgangs, der
       an den aus „Titanic“ erinnert, wo Jack auf Rose gewartet hat. Das Bild ist
       in Schwarz-Weiß und verstärkt den morbiden Charakter von Olsens Musik. Die
       Ornamente und Verzierungen waren einmal glänzendes Gold, nun wirken sie wie
       die Aufnahme einer untergegangenen Welt, menschenleer und voller Geister.
       
       Die Musik ist so schwer und so ernst, dass Olsens flapsige Art zwischen den
       Songs eine schöne Überraschung ist. Als müsste sie das Drama der Lieder
       abschütteln, scherzt sie in den Pausen herum, reagiert zum Beispiel auf
       einen unverständlichen Zwischenruf aus dem Publikum mit einem
       improvisierten Mini-Song: „I don’t know what you saiiiiid“, singt sie
       sehnsüchtig. „But I’m gonna pretend it was goooood.“
       
       Später sagt sie, dass sie in der Nacht zuvor einen neuen Song geschrieben
       habe, den sie nun spontan spielen wolle. Großer Applaus. Sie dreht sich zu
       ihrer Band, zeigt die Akkorde, das Zusammenspiel gelingt nicht ganz, der
       Gitarrist wirft entnervt die Arme in die Höhe, als wollte er ausdrücken:
       „Was soll das denn jetzt?“ Aber dann beginnt sie mit einem alten Lied, und
       die Band steigt sofort perfekt ein, niemand verpasst den Einsatz. War also
       alles nur Spaß. „Lief doch gar nicht so übel“, sagt sie danach.
       
       31 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Jekal
       
       ## TAGS
       
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