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       # taz.de -- Flucht übers Mittelmeer: Athen will bei Lagerplan bleiben
       
       > Die griechische Regierung plant weiterhin, geschlossene Lager für
       > Flüchtlinge zu bauen. Frontex testet derweil neues Überwachungsspielzeug.
       
   IMG Bild: Lesbos: Schwimmwesten von Flüchtlingen, die aus der Türkei über das Meer gekommen sind
       
       taz/epd/dpa | Nach einem Generalstreik der lokalen Bevölkerung hat die
       griechische Regierung bekräftigt, die völlig überfüllten Lager auf den
       Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos schließen zu wollen. Stattdessen
       sollen bis zum Sommer 2020 geschlossene Internierungslager auf dem Festland
       entstehen.
       
       In den Lagern auf den fünf Inseln harren derzeit rund 42.000 Menschen aus.
       Platz bieten sie nur für rund ein Drittel. Die humanitäre Lage ist
       desaströs.
       
       Schon im November hatte die Regierung den Transfer der Menschen in noch zu
       bauende geschlossene Lager angekündigt. Am Freitag hatte der griechische
       Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis gesagt, sein Land wolle – unter
       anderem für den Bau der neuen Lager – zusätzliche EU-Mittel.
       
       Unterdessen legte die EU-Kommission einen Bericht vor, nach dem
       Griechenland zwischen 2016 und 2019 insgesamt 1.995 Menschen offiziell in
       die Türkei abgeschoben hat. Griechische Gerichte hatten Abschiebungen in
       die Türkei immer wieder gestoppt, weil das Land für viele Flüchtlinge nicht
       sicher sei.
       
       ## Die CDU will noch mehr Abschiebungen
       
       Die griechische Regierung hatte dies aber nicht davon abgehalten, allein im
       letzten Jahr [1][inoffiziell und illegal] rund 60.000 Menschen über die
       Landgrenze am Evros zurück in die Türkei zu schicken. Der Spiegel hatte im
       November 2019 eine entsprechende Statistik der türkischen Regierung
       [2][veröffentlicht.]
       
       Die CDU warf der griechischen Regierung nun dennoch vor, zu wenig
       abzuschieben. Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte der Welt am Sonntag,
       man müsse angesichts des Rückgangs – offizieller – Abschiebungen „ganz
       offen von einem Verwaltungsversagen sprechen“. Die griechischen Inseln
       würden „überrannt“. „Das hat unverkennbar damit zu tun, dass die Türkei
       Ablandungen nicht mehr konsequent unterbindet.“
       
       Um dies zu ändern, hatte die EU-Grenzschutzagentur Frontex im August in der
       Ägäis zum ersten Mal den Einsatz eines Luftschiffs, eines sogenannten
       Aerostats, erprobt. Wie jetzt bekannt wurde, kostete der vierwöchige
       Einsatz 486.000 Euro. Das Luftschiff des französischen Unternehmen A-NSE
       habe dabei „mehrere Vorfälle im Bereich der illegalen Einwanderung“
       festgestellt, heißt es in der Antwort von Innenkommissarin Ylva Johansson
       auf eine Anfrage der Linken, die der taz vorliegt.
       
       Die griechische Küstenwache habe die Informationen unter anderem an die
       türkische Küstenwache weitergegeben. Aus Sicht von Frontex und der
       Kommission war der Einsatz ein Erfolg: Das Luftschiff biete im Vergleich zu
       anderen Grenzüberwachungssystemen „eine höhere Frühwarnkapazität“, „eine
       bessere Präventionsleistung und eine wirksamere operative Reaktion“. Soll
       heißen, Flüchtlinge können früher aufgespürt und von den Türken gestoppt
       werden – sofern die mitmachen.
       
       ## Seehofer blockiert Hilfe
       
       Sie könnten daran durchaus ein eigenes Interesse haben, glaubt die
       Linke-Abgeordnete Özlem Demirel: „Immer mehr Oppositionelle werden in der
       Türkei drangsaliert und versuchen, neben Geflüchteten aus anderen Staaten,
       die Türkei zu verlassen“, sagt sie. Die EU trage mit der Weitergabe der
       Daten „aktiv dazu bei, auch politische Verfolgung in der Türkei zu
       ermöglichen, und verhindert, dass Menschen sich vor dem [3][Erdoğan-Regime]
       in Sicherheit bringen können“.
       
       Unter anderem Brandenburg, Niedersachsen sowie eine Reihe von Kommunen
       haben ihre Bereitschaft bekräftigt, minderjährige Flüchtlinge von den
       Ägäisinseln aufzunehmen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnt das
       ab. „Das kann man nur auf europäischer Ebene lösen“, sagte er am Freitag
       beim Treffen mit seinen EU-Kollegen.
       
       Die Schweizer Innenministerin Karin Keller-Sutter kündigte an, „dass wir
       unbegleitete Minderjährige übernehmen, eine gewisse Anzahl, sofern sie auch
       eine familiäre Beziehung in die Schweiz haben“.
       
       26 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Illegale-Abschiebungen-in-die-Tuerkei/!5642211
   DIR [2] https://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-soll-zehntausende-migranten-illegal-in-die-tuerkei-abgeschoben-haben-a-1295964.html
   DIR [3] /Treffen-zwischen-Merkel-und-Erdoan/!5656171
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
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