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       # taz.de -- Gedenken in Auschwitz: Versöhnliche Töne
       
       > In Polen wird an den 75. Jahrestag der Befreiung des früheren
       > Konzentrations- und Vernichtungslagers durch die Rote Armee erinnert.
       
   IMG Bild: Gedenken an den Holocaust in Auschwitz aus Anlass des 75. Jahrstags der Befreiung
       
       Warschau taz | „Die Wahrheit über den Holocaust darf nicht sterben“, sagte
       [1][Polens Präsident Andrzej Duda] am Montag auf der Gedenkfeier zur
       Befreiung des nazideutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers
       Auschwitz-Birkenau. „Diese Wahrheit muss verhindern, dass sich der
       Völkermord wiederholt. Im Namen der Republik Polen erneuere ich hiermit
       unsere Verpflichtung, auch in Zukunft an diese Wahrheit zu erinnern, an all
       das, was hier passiert ist.“
       
       75 Jahre nach der Befreiung durch die Rote Armee leben nur noch wenige der
       über 1,3 Millionen Menschen, die von Nazi-Schergen, Wehrmachtssoldaten und
       SS-Männern ins NS-Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
       verschleppt wurden. Dem Nazi-Rassenwahn zufolge sollten Juden, Sinti und
       Roma als ganze Völker vernichtet werden.
       
       Ethnische Polen, Ukrainer, Weißrussen und Russen sollten vor allem
       Zwangsarbeit leisten und den deutschen „Ariern und Herrenmenschen“ als
       „slawische Untermenschen“ dienen. Angehörige anderer Nationen wurden meist
       als „politische Gefangene“, „Asoziale“ oder „Homosexuelle“ nach Auschwitz
       oder in eines der Nebenlager im deutsch besetzten Polen gebracht.
       
       Die Gedenkfeier in Auschwitz fand in einer politisch aufgeheizten Stimmung
       statt. Schuld daran hatte [2][Russlands Präsident Wladimir Putin], der kurz
       vor dem Jahrestag eine Verbalattacke nach der anderen gegen Polen
       abfeuerte. Angeblich, so Putin, trage Polen eine Mitschuld am Ausbruch des
       Zweiten Weltkriegs. Den polnischen Vorkriegsbotschafter in Berlin könne er
       nur als „antisemitischen Drecksack“ bezeichnen.
       
       ## Grenzenlose Enttäuschung
       
       Fassungslos diskutierte ganz Polen, wie man darauf reagieren solle. Als
       sich dann immer mehr internationale Delegationen bei der
       Konkurrenz-Gedenkveranstaltung am 23. Januar in Jerusalem anmeldeten,
       kannte die Enttäuschung kaum noch Grenzen.
       
       Denn auch hier hatte Putin neue Standards gesetzt und entschieden, dass er
       als Präsident zwar nach Jerusalem fahren, nicht aber an der Gedenkfeier in
       Auschwitz-Birkenau teilnehmen würde. Dorthin wurde lediglich der russische
       Botschafter in Polen geschickt.
       
       Als dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda dann auch noch das Rederecht in
       der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem verweigert wurde, sagte dieser
       seine Teilnahme an der dortigen Gedenkfeier ab. Denn anders als Duda sollte
       Putin dort eine Rede halten dürfen.
       
       Immerhin schlug Israels Präsident Reuven Rivlin in Polen einen
       versöhnlichen Ton an und lud Andrzej Duda nach Israel ein. „Wir möchten der
       polnischen Nation heute die Hand geben und bitten, dass wir erneut auf den
       Weg zurückkehren, den wir gemeinsam gehen können“, sagte Rivlin in Oświęcim
       nach einer Begegnung mit Duda.
       
       ## Klares Schuldbekenntnis
       
       Nicht nur diese Einladung glättete etwas die Wogen. Sehr positiv
       aufgenommen wurde auch der Besuch des deutschen Präsidenten Frank-Walter
       Steinmeier in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Er hatte sich mehrfach
       in Polen und vor wenigen Tagen auch in Israel ganz klar zur historischen
       Schuld Deutschlands bekannt.
       
       Die Befreiung durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 erlebten gerade noch
       rund 7.500 kranke und ausgemergelte Häftlinge. 1940 bis 1945 kamen rund
       eine Million Juden in den Gaskammern von Birkenau ums Leben, ebenso 22.000
       bis 25.000 Sinti und Roma sowie circa 15.000 sowjetische Kriegsgefangene.
       Außerdem starben in Auschwitz rund 70.000 ethnische Polen – zumeist an
       Überarbeitung, Hunger und Entkräftung.
       
       27 Jan 2020
       
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