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       # taz.de -- Linksunten beim Bundesverwaltungsgericht: Kurzer Prozess für Indymedia?
       
       > Ob die fünf Freiburger Kläger überhaupt gegen das Vereinsverbot der
       > linken Internetplattform vorgehen können, ist fraglich.
       
   IMG Bild: Demonstrierende vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
       
       Freiburg taz | An diesem Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht
       in Leipzig über das Verbot der linksradikalen Internetplattform
       [1][linksunten.indymedia]. Der Prozess könnte allerdings platzen, bevor die
       spannenden Fragen auch nur zur Sprache kommen.
       
       Im August 2017 hatte der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU)
       linksunten.indymedia dichtgemacht. Die mutmaßlich in Freiburg betriebene,
       aber bundesweit bedeutsame Webseite habe es „ermöglicht und erleichtert“,
       dass dort Straftaten gebilligt und Anleitungen zu Straftaten veröffentlicht
       wurden. De Maizière versuchte damit, kurz nach den autonomen
       Ausschreitungen beim Hamburger G20-Gipfel staatliche Stärke zu zeigen.
       
       Fünf Freiburger, denen damals die Verbotsverfügung ausgehändigt wurde,
       klagten gegen das Verbot. Sie sollen als vermeintliche Betreiber der Seite
       den Verein „linksunten.indymedia“ gebildet haben. Nur durch die
       Konstruktion eines Vereins konnte der Innenminister das Verbot der Webseite
       auf das Vereinsgesetz stützen.
       
       Nach zweieinhalb Jahren verhandelt nun endlich das Bundesverwaltungsgericht
       (BVerwG) in Leipzig über die Klage. Das BVerwG ist bei Vereinsverboten die
       erste und einzige Instanz. Nachdem am Samstagabend in Leipzig eine
       militante Autonomen-Demo (Aufruf: „wir suchen die direkte Konfrontation“)
       auf das Verfahren aufmerksam machte, ist das öffentliche Interesse
       besonders groß.
       
       ## Zwei Personen und ein gemeinsamer Wille
       
       Und es stellen sich zahlreiche interessante Rechtsprobleme in diesem
       Prozess. Eines der einfachsten ist noch die Konstruktion eines Vereins. Um
       eine Struktur nach dem Vereinsgesetz verbieten zu können, ist nach
       bisheriger Rechtsprechung kein förmlicher Verein mit Vorstand und Satzung
       erforderlich. Es genügt, dass sich mindestens zwei Personen
       zusammenschließen und sich einem gemeinsam gebildeten Willen unterordnen.
       
       In anderen Fragen müsste das BVerwG juristisches Neuland betreten. Ist
       Indymedia von der Pressefreiheit geschützt? Müssten nicht zunächst einmal
       die Landesmedienanstalten die Löschung illegaler Posts verlangen, bevor der
       Bund mit dem Vereinsverbot zuschlägt? Und sind die veröffentlichten Posts
       überhaupt der Plattform zurechenbar?
       
       Möglicherweise kommt es aber nicht zur Klärung dieser Fragen. Denn es ist
       durchaus umstritten, ob die fünf Freiburger überhaupt gegen das Verbot
       klagen können. Denn nach bisheriger Rechtsprechung können nur die
       verbotenen Vereine selbst gegen ihre Auflösung klagen, nicht aber
       Einzelpersonen. Die fünf Freiburger könnten nach dieser Sichtweise das
       Verbot nur dann überprüfen lassen, wenn sie sich als Vertreter des Vereins
       präsentieren würden. Das haben sie bisher aber nicht getan. Sie haben
       bislang nur argumentiert, dass ihre Mitgliedschaft nicht bewiesen sei.
       
       ## Niemand muss sich selbst strafrechtlich belasten
       
       Ihre Anwälte argumentieren: Von den Klägern könne nicht verlangt werden,
       dass sie sich als Betreiber der Plattform outen. Schließlich müsse sich im
       Rechtsstaat niemand strafrechtlich selbst belasten. An einer Klärung, ob
       [2][linksunten.indymedia] legal ist, hätten sie aber schon deshalb
       Interesse, weil immer noch Gegenstände von ihnen beschlagnahmt sind.
       
       Bisher wurden die fünf Freiburger strafrechtlich nicht belangt. Bei der
       Staatsanwaltschaft Karlsruhe gab es zwar mehrere Ermittlungsverfahren im
       Zusammenhang mit linksunten.indymedia. Manche bezogen sich auf strafbare
       Datenschutzverstöße, weil auf der Plattform gehackte Daten von
       AfD-Mitgliedern veröffentlicht wurden. Andere Ermittlungen sahen das
       Projekt als „kriminelle Vereinigung“. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe
       stellte die Verfahren jedoch im August vorigen Jahres ein, weil sie sich
       nicht auf bloße [3][Verfassungsschutz]-Erkenntnisse stützen wollte.
       
       Sollte das Verbot gegen linksunten.indymedia bestehen bleiben, müsste die
       autonome Szene sich weiterhin mit der nichtverbotenen Seite
       de.indymedia.org begnügen, von der sich linksunten.indymedia 2008
       abgespalten hat.
       
       28 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Linksradikale-Gewalt-in-Leipzig/!5659322
   DIR [2] /Protest-gegen-Indymedia-Verbot/!5656734
   DIR [3] /Verfassungsschutz-Thueringen/!5646306
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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