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       # taz.de -- Berlin im Museum: Alles ist mit allem verbunden
       
       > Das Stadtmuseum mischt sich zunehmend in die Debatten über die Zukunft
       > Berlins ein. Das wird auch die der Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum
       > tragen.
       
   IMG Bild: Bereits seit letztem Sommer in der Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum: Die Tresor-Tür
       
       Der Drops mit den Eintrittspreisen ist gelutscht. Wiederholt wird am
       Dienstagvormittag bei der Jahrespressekonferenz des Stadtmuseums an
       Museumsdirektor Paul Spies die Frage gestellt, was die 7 Euro Eintritt mit
       der [1][Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum] machen werden, die er
       konzipiert hat und die man ab September wird sehen können.
       
       Doch Spies reagiert lässig. Ja, das Humboldt Forum wird eintrittsfrei sein
       und die Berlin-Ausstellung nicht. Ja, die Besucherzahlen schießen stets
       nach oben, wenn man Museen eintrittsfrei macht. Dann folgt das große Aber:
       „Mein Ambition wäre es, dass bei freiem Eintritt völlig andere Leute kommen
       und nicht dieselben, die ihre Geld danach zum Konditor tagen“, sagt er.
       
       Spies weiß, dass 7 Euro nicht die Welt sind im Vergleich mit den
       Eintrittspreisen für Museen weltweit. Er weiß aber vor allem, dass seine
       Ausstellung toll genug wird. Vielleicht, so schimmert am Dienstag durch,
       wird sie sogar die interessanteste im ganzen Humboldt Forum. Spies will
       wegen des Überraschungseffekts nicht mehr dazu sagen, was zu sehen sein
       wird. Bislang weiß man von der 2,7 Tonnen schweren [2][Metalltür des
       Techno-Clubs Tresor], die schon in den Räumen steht. Von den anderen 100
       Objekten, die auf den 4.000 Quadratmetern im ersten Stock ausgestellt
       werden, ist indes wenig bekannt.
       
       Man muss allerdings auch zwischen Paul Spies’ Aussagen lesen, um zu
       verstehen, was da entsteht. Es geht nicht darum, die Geschichte der Stadt
       zu erzählen: Das soll ja weiterhin Thema im Hauptgebäude des Stadtmuseums
       sein, im Märkischen Museum. Vielmehr möchte Spies die globale Verflechtung
       der Stadt in Geschichte und Gegenwart zeigen. Das Gerüst bilden Themen wie
       „Berlin Bilder“, „Revolution“, „Freiheit“, „Grenzen“, und „Mode“.
       
       ## Humboldt ist auch in Berlin
       
       Im Bereich „Mode“ etwa wird der Glanz der Modeszene von heute mit den oft
       von jüdischen Unternehmern geführten Textilunternehmen Berlins vor der
       Machtergreifung der Nazis verglichen. Außerdem werden Parallelen zwischen
       den schlechten Arbeitsbedingungen damals und der Ausbeutung der
       TextilarbeiterInnen etwa in Indien gezogen. Alles ist mit allem verbunden:
       Dieses Diktum von Alexander von Humboldt ist auch Leitbild für die
       Berlin-Ausstellung.
       
       „Wir versuchen, eine wichtige Rolle an einem Ort zu spielen, wo die
       Weltkulturen präsentiert werden“, sagt Paul Spies. Er lässt damit viel
       Hoffnung aufkommen, dass er all die Fragen, die für den großen Rest des
       Humboldt Forums auch aufgrund der Kritik der Stadtgesellschaft erst
       allmählich aufkommen, immer schon im Hinterkopf hatte.
       
       Auch jenseits der Berlin-Ausstellung erweckt das Stadtmuseum den Eindruck,
       als sei es auf einem erfrischenden Weg. Für 2019 vermeldete Spies einen
       Rekord von 276.000 Besuchern. So viele waren es zuletzt vor zwölf Jahren.
       Eine der wichtigsten Ausstellungen 2020 wird „Chaos & Aufbruch – Berlin
       1920/2020“ ab dem 26. April sein. Darin geht es um die Gründung von
       Groß-Berlin, als die Stadt durch Eingemeindungen über Nacht zur
       bevölkerungsreichsten Stadt der Welt nach New York und London wurde. Sicher
       könnte man eine solche Ausstellung trocken gestalten, indem man sich über
       doppelte Verwaltungsstrukturen austoben würde.
       
       Nicht so das Stadtmuseum. Hier weiß man, dass die Gründung Groß-Berlins bis
       heute die Stadt prägt, die Vielfalt ihrer Kieze, die die meisten
       BerlinerInnen so sehr lieben. Außerdem will man eine Diskussion über die
       historische Schwelle anstoßen, auf der Berlin auch heute wieder steht. Wie
       konnte es damals gelingen, trotz dermaßen unruhiger Zeiten so schnell so
       viel zu bauen, den öffentlichen Nahverkehr neu zu regeln, insgesamt für
       erstaunlich viel sozialen Ausgleich zu sorgen? Das Museum hat eine ganze
       Etage für die Ideen von Stadtakteuren freigeräumt, und natürlich gibt es
       auch eine Werkstatt, wo BerlinerInnen über die Zukunft ihrer Stadt
       nachdenken können.
       
       Angesichts dieses Ehrgeizes und frischen Winds ist es also mehr als
       wahrscheinlich, dass auch die Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum ab
       September ihre 7 Euro wert sein wird.
       
       28 Jan 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
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