# taz.de -- Aufarbeitung homophober Gerichtspraxis: Lesbe? Sorgerechtsentzug!
> Bis in die 90er wurden lesbischen Müttern ihre Kinder weggenommen.
> Argument: Kindeswohl. Jetzt nehmen sich die Grünen des Themas an.
IMG Bild: Kinderzeichnung mit Mamas
Berlin taz | „Als lesbische Mutter hatte ich keine Chance.“ Im Juni 1988
berichtet die taz über Gabi L., der das Sorgerecht für ihren Sohn entzogen
wurde, weil sie mit ihrer Freundin zusammenziehen wollte. Zwar sah die
Gerichtspsychologin bei ihr „ausgeprägte Fähigkeiten“, das Kind
aufzuziehen. Dennoch müsse es „in der Begegnung mit dem Vater Orientierung
auch im Hinblick auf die notwendige Ausbildung seiner sexuellen und
männlichen Identität“ finden.
Gabi L. ist kein Einzelfall. Bis in die 1990er Jahre argumentierten
Gerichte mit der Gefährdung des Kindeswohls, um Frauen, die in Beziehungen
mit Frauen lebten, das Sorgerecht für ihre leiblichen Kinder zu entziehen.
Meist ging die Initiative von den ehemaligen Ehemännern aus – so auch im
Fall von Gabi L. Dass der Ex-Partner unter Gewaltandrohung die Herausgabe
des gemeinsamen Sohnes forderte, interessierte das Gericht nicht.
Nun will die grüne Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik, Ulle Schauws,
das Thema auf die Agenda setzen. Bei einem Fachgespräch wird das Thema am
Freitag zum ersten Mal öffentlich diskutiert. Auch über Möglichkeiten der
Aufarbeitung soll gesprochen werden. „Die dringend nötige Anerkennung des
geschehenen Unrechts kann nur der erste Schritt sein“, so Schauws.
Der Sorgerechtsentzug konnte die betroffenen Mütter auch ereilen, wenn das
Jugendamt durch „besorgte“ Kindergärtner*innen, Nachbar*innen oder
Lehrer*innen auf sie aufmerksam wurde. Die Angst, ihre Kinder zu verlieren,
war Frauen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften deshalb ein ständiger
Begleiter. 1983 schrieb die „Gruppe lesbischer Mütter“: „Viele von uns
leben zurückgezogen, verstecken die Tatsache, daß sie Frauen lieben, vor
Außenstehenden, ja selbst vor ihren Kindern.“
Nur wenige der Sorgerechtsverfahren wurden öffentlich. Viele Frauen trauten
sich nicht, über das Erlittene zu sprechen – zu stark war das Stigma, eine
schlechte Mutter zu sein. Ein Stigma, das ihnen bis heute anhaftet, denn
zum Teil sind die Gerichtsurteile rechtskräftig.
17 Jan 2020
## AUTOREN
DIR Franziska Schindler
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