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       # taz.de -- Unwort des Jahres „Klimahysterie“: Die verbale Erderwärmung
       
       > Dass wir viel über die Klimakrise nachdenken, zeigen die Wortschöpfungen
       > der letzten Jahren – in Deutschland wie in anderen Ländern Europas.
       
   IMG Bild: Sieht ganz harmlos aus – das Unwort des Jahres 2019
       
       Über die „Klimahysterie“ ist alles gesagt, oder? Der Begriff ist abwertend,
       er verneint die Realität, [1][er ist sexistisch.] Gern benutzen ihn die
       LeugnerInnen des Klimawandels und die AfD. Ein richtig gutes „Unwort des
       Jahres“ haben wir da Anfang der Woche serviert bekommen. Man darf sich nur
       nicht von dem Gedanken ablenken lassen, was eigentlich ein Unwort ist. Ein
       Nichtwort? Unmöglich so was, oder? Auch ein Unkraut ist ein Kraut, ein
       Unmensch ein Mensch, ein Unfall ein Fall.
       
       Wörter und Unwörter des Jahres sind nicht nur Wortklauberei. Wie und was
       wir reden, prägt unser Denken. Und da denken wir offenbar viel über die
       Klimakrise nach, wenn man Sprachforschern glauben darf. 2018 war „Heißzeit“
       Wort des Jahres in Deutschland – die Beschreibung eines neuen, sehr
       ungemütlichen Zustands, in den unsere Welt gerade kippt.
       
       Und wir sind nicht allein. Der britische Economist, das von mir sehr
       geschätzte Fachblatt für den heimlich hellgrün denkenden Kapitalisten, hat
       eine Übersicht zum Klimasprech weltweit zusammengetragen: Da wären
       natürlich „Flygskam“, die schwedische Flugscham, und der „Tagskryt“, der
       Zugstolz für den Öko-Traveller. Der muss in den Niederlanden vorsichtig
       sein, nicht zum nur sprachlich sehr populären „Laadpaalklever“ zu werden,
       der sein E-Mobil ewig am Ladepfahl hängen lässt und so die Verkehrswende
       blockiert.
       
       Gleich nebenan in Belgien war Wort des Jahres 2019 „winkelhieren“, also
       schön nachhaltig „lokal einkaufen“. Und die Holländer votierten für
       „Boomer“ – das verächtliche Wort für die Babyboomer-Generation, die alles
       hatte und den Karren ökomäßig so richtig in den Dreck gefahren hat.
       
       ## Lust an der Ökokalypse bleibt
       
       Die Briten wiederum stimmten direkt für „Climate Emergency“ – einen
       Begriff, den auch die UNO inzwischen offiziell für das Erderwärmungschaos
       verwendet. Nur wir Deutschen, sonst vorn dabei, wenn es um Weltschmerz und
       German Angst geht, zeigten uns vordergründig cool: [2][Wort des Jahres
       2019: „Respektrente“]. Ja genau. Hatte ich auch noch nie gehört.
       
       Aber ich kann Sie beruhigen: Wir Deutsche haben die gute alte Lust an der
       Ökokalypse keinesfalls verloren. Nur bei einem Wort des Jahres der
       vergangenen Jahre kann man wirklich keine Verbindung zur Erderhitzung
       herstellen: Heißzeit, Jamaika-Aus, postfaktisch, Flüchtlinge, Lichtgrenze,
       Groko, Rettungsroutine, Stresstest, Wutbürger. Abwrackprämie, Finanzkrise.
       Und schon 2007 waren wir ganz vorn: Klimakatastrophe.
       
       19 Jan 2020
       
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