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       # taz.de -- Politische Krise im Iran: Mauern beim Freitagsgebet
       
       > Im Freitagsgebet bemüht Irans Revolutionsführer Chamenei alte Parolen und
       > lehnt Kompromisse mit den USA ab. Im Innern Irans tobt ein Machtkampf.
       
   IMG Bild: Ajatollah Ali Chamenei, Irans oberster Führer
       
       Berlin taz | Irans Revolutionsführer Ali Chamenei hat in seiner Predigt
       beim Freitagsgebet in Teheran jeden Kompromiss mit den USA abgelehnt. Er
       appellierte an das iranische Volk, Widerstand zu leisten.
       
       Chamenei, der bei wichtigen Entscheidungen in der Islamischen Republik das
       letzte Wort hat, hatte tagelang geschwiegen und sich zu den dramatischen
       Ereignissen im Land nicht geäußert. Nun wurde erwartet, dass er für die
       wirtschaftliche und politische Krise, in der sich das Land seit geraumer
       Zeit befindet, Lösungen anbietet. Doch davon war nichts zu hören.
       
       Mit Blick auf die Massen, die an den [1][Trauerfeiern] für den
       [2][getöteten Qasim Soleimani] in Iran, Irak und anderen Ländern
       teilgenommen hatten, sagte Chamenei, Iran sei so stark wie noch nie. Es sei
       „die Hand Gottes“ im Spiel gewesen, die dieses „Wunder“ vollbracht habe:
       „41 Jahre nach der Revolution haben sich Millionen versammelt, die um den
       Tod des Märtyrers Soleimani trauerten, weinten und sich zu jedem Opfer
       bereit zeigten“, sagte er. Die Amerikaner hätten einen Terroranschlag auf
       den General verübt, einen General, der der größte Feldherr im Kampf gegen
       den Terrorismus gewesen sei.
       
       Iran habe den USA für den „feigen Angriff“ auf Soleimani eine „harte
       Ohrfeige“ gegeben und damit deren Ansehen schwer beschädigt, sagte
       Chamenei. Das iranische Volk werde niemals kapitulieren. Zu den
       [3][Protesten der letzten Tage] sagte er, einige Hundert, die Soleimani
       beleidigt hätten, seien von feindlichen Medien getäuscht worden.
       
       ## Machtkampf zwischen den Institutionen
       
       Die parolenhafte Rede Chameneis wird die dramatische Krise im Land nicht
       überbrücken können. Im Gegenteil: Der schon seit Jahren bestehende
       Machtkampf zwischen der Regierung von Präsident Hassan Rohani und den
       Revolutionsgarden beziehungsweise dem Wächterrat und der Justiz hat sich
       durch die jüngsten Ereignisse zugespitzt und damit die Krise weiter
       vertieft.
       
       Bislang war bei diesem Machtkampf die Position der Regierung die schwächste
       unter den Machtzentren der Islamischen Republik. Abgesehen vom
       Revolutionsführer Ali Chamenei, der mit nahezu unbegrenzten Befugnissen
       ausgestattet ist, ohne für seine Entscheidungen Rechenschaft ablegen zu
       müssen, haben sich die Revolutionsgarden mittlerweile zu einem Staat im
       Staat entwickelt, nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich und
       politisch. Sie bilden bei weitem das größte Wirtschaftsimperium des Landes,
       haben ihre eigenen Sicherheitsorgane, Geheimdienste und Gefängnisse, sie
       kontrollieren die Grenzen, die Häfen und Flughäfen und bestimmen zumindest
       im gesamten Nahen und Mittleren Osten die Außenpolitik Irans. Der Architekt
       dieser Außenpolitik war General Qasim Soleimani, der auf Befehl des
       US-Präsidenten Donald Trump am 3. Januar in der Nähe des Bagdader
       Flughafens von einer Drohne getötet wurde.
       
       Gegen diese Machtfülle hat Präsident Hassan Rohani bereits früher mehrmals
       Stellung genommen. Doch nun, nachdem die Garden den [4][Abschuss des
       ukrainischen Verkehrsflugzeugs] zu verantworten haben und in Erklärungsnot
       geraten sind, scheint Rohani eine Chance zu sehen, ihnen Paroli zu bieten.
       
       Er forderte in einer vom Fernsehen übertragenen Rede die Garden auf, die
       Fakten auf den Tisch zu legen. „Die Menschen wollen mit Aufrichtigkeit,
       Anstand und Vertrauen behandelt werden“, sagte er. Offenbar waren er
       selbst, der zugleich Vorsitzender des Obersten Nationalen Sicherheitsrats
       ist, sowie die Mitglieder seiner Regierung über den Flugzeugabschuss nicht
       informiert worden.
       
       ## Angst vor noch mehr Gewalt
       
       Der Abschuss der Maschine sei nicht allein damit zu erklären, dass ein
       Soldat versehentlich auf einen Knopf gedrückt habe. Dahinter stecke „ein
       ganzes System“. Das Land brauche einen grundlegenden Wandel, sagte Rohani.
       
       Auch Außenminister Mohammad Dschawad Sarif kritisierte die
       Revolutionsgarden und gab indirekt den Demonstranten Recht. „In den
       vergangenen Tagen hatten wir Menschen auf den Straßen von Teheran, die
       gegen den Fakt demonstriert haben, dass sie einige Tage lang angelogen
       worden sind.“
       
       Mitten in der politischen und wirtschaftlichen Krise wird in Iran auch noch
       Wahlkampf geführt. Das Land wählt am 21. Februar ein neues Parlament. Doch
       auch das neue Parlament wird vermutlich die Lage nicht ändern können.
       Bereits im Vorfeld hat der Wächterrat mehr als tausend Kandidaten, zumeist
       Anhänger der Reformer, als ungeeignet abgelehnt.
       
       Der Boden unter den Füßen der Machthaber in Iran ist dünn geworden.
       Sanktionen, Misswirtschaft und Korruption, der zunehmende Druck von außen
       und der innere Machtkampf geben wenig Hoffnung auf eine Besserung der Lage.
       Die Rede von Chamenei lässt befürchten, dass das Regime noch mehr als
       bisher Gewalt einsetzen wird, Gewalt nach außen und Gewalt gegen das eigene
       Volk.
       
       17 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bahman Nirumand
       
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