URI: 
       # taz.de -- AWO-Geschäftsführer muss gehen
       
       > Der Skandal um überhöhte Abrechnungen kostet den Kopf eines prominenten
       > Sozialdemokraten: Die Arbeiterwohlfahrt trennt sich von Ansgar Dittmar
       
   IMG Bild: Haben sie auch von überhöhten AWO-Gehältern profitiert? Frankfurts OB Peter Feldmann (SPD) und seine Frau Zübeyde
       
       Von Christoph Schmidt-Lunau, Frankfurt am Main
       
       Paukenschlag im Skandal der Arbeiterwohlfahrt in Hessen. Nach
       taz-Informationen liegt ein Aufhebungsvertrag des AWO-Bezirksvorstands
       Hessen-Süd mit seinem Geschäftsführer Ansgar Dittmar vor. Der Hessische
       Rundfunk hatte zuvor berichtet, der Vorstand habe sich von ihm getrennt.
       Mit Dittmar verliert erstmals in dieser Affäre ein prominenter
       Sozialdemokrat seinen Posten bei der AWO. Bundesweit bekannt wurde Dittmar
       als langjähriger Vorsitzender der Schwusos, der Arbeitsgemeinschaft von
       Schulen und Lesben in der SPD. Er gehört auch dem Bezirksvorstand der
       Partei an. Als Geschäftsführer war er zuletzt Chef von mehr als 3.000
       MitarbeiterInnen.
       
       Zum Verhängnis wurde Dittmar offenbar seine Rolle als ehrenamtlicher
       Vorstand des Frankfurter AWO-Kreisverbands. Seit Monaten sorgen die
       skandalösen Zustände in den Kreisorganisationen in Wiesbaden und Frankfurt
       für Negativschlagzeilen: Drastisch überhöhte Gehälter für die
       hauptamtlichen Vorstände, familiäre und dienstliche Verflechtungen zwischen
       den Verantwortlichen, Dienstwagen der Luxusklasse, Honorarzahlungen und
       Rechnungen ohne Gegenleistung. Gegen sechs ehemalige und amtierende
       AWO-Funktionäre ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf
       Betrug und Untreue. Fast täglich gelangen neue Details an die
       Öffentlichkeit. Zuletzt machte eine Rechnung für die Vermittlung einer
       Immobilie Schlagzeilen, die offenbar ohne Gegenleistung gestellt und
       bezahlt wurde.
       
       „Bitter für die Soziallandschaft in Hessen und für die Beschäftigten“,
       nannte am Donnerstag der zuständige grüne Landesminister Kai Klose im
       Landtag die Vorgänge. Immerhin arbeiten mehr als 1.000 MitarbeiterInnen
       allein in Frankfurt in AWO-Kitas oder -Alteneinrichtungen.
       
       Noch ärger als sie trifft es die vielen freiwilligen HelferInnen. „Da
       bricht eine Welt zusammen“, sagte der Vorsitzende des AWO-Ortsvereins Nied,
       Klemens Mielke, der taz. Für viele, die sich 30 oder 40 Jahre lang
       ehrenamtlich engagiert hätten, sei das ein „Biografiebruch“, so Mielke. Ein
       Jahr vor den nächsten hessischen Kommunalwahlen trifft der Skandal vor
       allem die SPD. Die AWO, gegründet als eine Arbeitsgemeinschaft der
       Sozialdemokraten, ist bis heute eng mit der Partei verbunden. Auch ihr
       Hoffnungsträger, Frankfurts SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann, und seine
       Ehefrau Zübeyde mussten sich kritischen Fragen stellen. Beide hatten
       zeitweise auf der Lohnliste der AWO gestanden, angeblich ebenfalls mit
       überhöhten Gehältern und Dienstwagen. Nach kritischen Worten, auch aus der
       eigenen Partei, entschuldigte sich Feldmann im Dezember für sein langes
       Schweigen zu den Vorwürfen. Er und seine Ehefrau würden zu Unrecht
       erhaltene Beträge zurückzahlen, sollten das die Überprüfungen ergeben.
       
       Von den anderen Beschuldigten gibt es solche Einsicht indes nicht. Noch
       arbeiten mindestens zwei von ihnen in der Kreisgeschäftsstelle. Bislang war
       lediglich der langjährige AWO-Kreisgeschäftsführer Jürgen Richter gekündigt
       worden. Er, seine Ehefrau und ihr gemeinsamer Sohn standen auf der
       AWO-Payroll, zum Teil in beiden Kreisverbänden. Dass noch immer
       Beschuldigte im Amt sind, nennt Mielke von der AWO-Basis „eine
       Katastrophe“. Da fast alle ehrenamtlichen Vorstands- und
       Präsidiumsmitglieder zu Beginn der Krise zurückgetreten sind, ist die
       Organisation nur bedingt handlungsfähig. Mielke setzt auf die geplante
       Neuwahl des Präsidiums am 15. Februar.
       
       Es bedurfte im vergangenen Jahr der massiven Intervention durch den
       Bundesverband und dessen Vorstand, dass auch intern eine lückenlose
       Aufklärung eingeleitet wurde. Die ehemalige SPD-Politikerin Herta
       Däubler-Gmelin wurde als Chefin einer Taskforce eingesetzt. Die frühere
       Bundesjustizministerin und Rechtsanwältin hat angekündigt, „den
       AWO-Mitgliedern und Beschäftigten, aber auch den Partnern und der
       Öffentlichkeit sobald wie möglich einen ausführlichen Bericht und, soweit
       erforderlich, auch klare Empfehlungen vorlegen.“ Die Oberfinanzdirektion
       überprüft inzwischen sogar die Gemeinnützigkeit der Organisation. Nicht nur
       die Stadt Frankfurt will zu Unrecht angewiesene Gelder zurückverlangen.
       
       3 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christoph Schmidt-Lunau
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA