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       # taz.de -- Mexikos Präsident López Obrador: Gefühlte Gerechtigkeit
       
       > Weil Mexikos Präsident López Obrador teuren Luxus ablehnt, wird das
       > Präsidentenflugzeug verlost. Doch Kritiker seiner Autorität werden
       > beschimpft.
       
   IMG Bild: Das Präsidentenflugzeug kann jetzt per Los gewonnen werden
       
       Wollten Sie nicht schon immer mal ein eigenes Flugzeug? Mit ein bisschen
       Glück haben Sie jetzt die Chance, für ein paar mexikanische Pesos eine
       echte Präsidentenmaschine zu bekommen. Eine Boeing 787-8 Dreamliner mit
       Suite, Marmorbad und schickem Konferenzraum. Ein Flugzeug, wie es nicht
       einmal Donald Trump hat, betont [1][Mexikos Präsident Andrés Manuel López
       Obrador.] Er selbst braucht die Maschine nicht, also soll der 200 Millionen
       Euro teure Edelflieger verlost werden. Großes Theater für einen guten
       Zweck.
       
       Auf einer seiner täglichen Pressekonferenzen präsentierte López Obrador
       vergangene Woche das Design des Loses. 500 Pesos, ungefähr 24 Euro, soll es
       kosten. Wenn tatsächlich, wie der Staatschef hofft, sechs Millionen
       Menschen einen der Lotteriescheine kaufen, kommt da viel Geld zusammen. Der
       Erlös soll in medizinische Geräte und Krankenhäuser für Arme investiert
       werden.
       
       Schon zu Beginn seiner Amtszeit im Dezember 2018 stellte der Reformer López
       Obrador klar, das er den Dreamliner nicht selbst nutzen werde. Er will ein
       Vorbild sein, Geld sparen und hervorheben, wie verschwenderisch sein
       Vorgänger regierte. Deshalb hat er auch den Präsidentenpalast „Los Pinos“
       zum Kulturzentrum umfunktioniert, bestreitet seine Dienstfahrten mit einem
       einfachen Pkw und hat sein Gehalt halbiert. Es wäre eine Beleidigung des
       mexikanischen Volks, mit einer teuren Luxusmaschine zu reisen, findet er.
       
       ## Mafiabesitz versteigert
       
       Also versuchte der 66-Jährige, den regierungseigenen Jet zu verkaufen.
       Allerdings erfolglos. Keiner will ihn. Das Flugzeug gammelt auf einem
       Boeing-Gelände in Kalifornien vor sich hin und frisst Parkgebühren. Knapp
       1,5 Millionen Euro hat die Regierung bereits an den Flugzeugbauer bezahlt.
       Hätte López Obrador ihn benutzt, wäre das auch nicht teurer gewesen.
       
       Im Sommer ließ er in „Los Pinos“ schicke Sportwagen und gepanzerte SUVs
       versteigern, die der Mafia abgenommen wurden. Das Geld sollte armen
       Gemeinden zugutekommen. Wenn es um gefühlte Gerechtigkeit geht, ist der
       Staatschef gerne dabei. Zumindest, wenn die Events seiner religiösen
       Vorstellung entsprechen, nach der die Welt eine bessere wird, wenn die
       Reichen ein bisschen an die Armen abgeben. Und wenn alles so läuft, wie er
       will. Sonst wird er zornig, entdeckt Verschwörungen, die sich – logo –
       nicht nur gegen ihn, sondern gegen das ganze Volk richten.
       
       ## Paternalismus und Verschwörungstheorien
       
       Just bevor er seine Dreamliner-Tombola verkündete, traf sein Zorn eine
       Friedenskarawane, die eine Gruppe um den Dichter Javier Sicilia organisiert
       hatte. Seit Sicilias Sohn vor neun Jahren von Kriminellen ermordet wurde,
       kämpft er gegen die eskalierende Gewalt. Immer wieder kritisiert er den
       Staatschef, weil dieser das Thema nicht ernsthaft angehe.
       
       Mit dem Marsch machten Angehörige auf das Verschwinden ihrer Liebsten
       aufmerksam, Journalisten prangerten die Ermordung von Kollegen an.
       Begleitet von Lesungen und Konzerten zogen sie in die Hauptstadt, um mit
       López Obrador über Wege zur Überwindung des Terrors zu sprechen. Der
       Staatschef stellte jedoch klar, er werde sich auf „diese Show, dieses
       Spektakel“ nicht einlassen. Seine Anhänger empfingen die Opferangehörigen
       in Mexiko-Stadt lautstark mit Rufen wie „Vaterlandsverräter“, in den
       sozialen Medien wurde Sicilia als „Putschist, „Saboteur“ und „Judas“
       bezeichnet.
       
       Sicher ist der Präsident nicht für allen Blödsinn seiner Fans
       verantwortlich. Aber seine permanenten Verweise auf verschwörerische
       Mächte, sein ständiges Denunzieren unliebsamer Journalisten als
       „Schickimicki-Presse“ stärken dieses autoritäre Denken, das nur Freunde und
       Volksfeinde kennt. Seine symbolischen Umverteilungen sind zwar nett,
       stärken aber seine paternalistische Rolle sogar noch. Und wer braucht schon
       ein Flugzeug im Vorgarten?
       
       4 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Migration-aus-Mittelamerika-in-USA/!5659201
       
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