URI: 
       # taz.de -- Umgang mit minderjährigen Geflüchteten: Protest gegen Innere Mission
       
       > Nachdem minderjährige Geflüchtete in Bremen in Handschellen umverteilt
       > wurden, wendet sich der Ärger gegen den Träger der Flüchtlingsunterkunft.
       
   IMG Bild: „Together we are Bremen“-Aktivist*innen wollen nicht kriminalisiert werden
       
       Bremen taz | „Wir sind Bremen. Hier wollen wir bleiben. Stoppt die
       Transfers“ steht auf einem blauen Plakat, das von drei Jugendlichen
       gehalten wird. Mehr als hundert Demonstrierende sind am Dienstag vom
       Anti-Kolonial-Denkmal gemeinsam zur Geschäftsstelle der Inneren Mission
       marschiert.
       
       Auslöser der Proteste von [1][„Together we are Bremen“] ist die gewaltsame
       Umverteilung zweier Jugendlicher aus der Erstaufnahmestelle
       Steinsetzerstraße. Im Oktober und im Januar waren dort zwei minderjährige
       Flüchtlinge frühmorgens von der Polizei abgeholt worden – die beiden
       sollten in andere Bundesländer verbracht werden. Obwohl sie sich nichts
       hatten zuschulden kommen lassen, [2][wurden sie in Handschellen abgeführt].
       
       Veranlasst wurde die Umverteilung von der Sozialbehörde, durchgeführt von
       der Polizei, begleitet vom Jugendamt. Das Bündnis „Together we are Bremen“
       richtet sich mit seinem Protest aber ganz explizit gegen den
       [3][Jugendhilfeträger Innere Mission]: Sie nämlich betreibt die
       Erstaufnahmeeinrichtung an der Steinsetzerstraße.
       
       Jeder Zugang zum Gebäude werde von der Inneren Mission bewilligt, so der
       17-jährige Aziz, „any access“. Und: „Das sollten sie nicht akzeptieren,
       dass die Polizei in den frühen Morgenstunden reinkommt, um Migranten
       herauszuholen“, sagt er; „Die Sozialarbeiter sollten Menschen, die dort
       leben, schützen.“ So sieht es auch Gundula Oerter vom Flüchtlingsrat. „Die
       Innere Mission könnte sagen: ‚Das machen wir nicht mit‘.“
       
       ## Die Innere Mission schweigt
       
       „Inner Mission – Shame on you“, wird vor der Geschäftsstelle des
       Jugendhilfeträgers skandiert. „Kommt raus“, fordern die Jugendlichen. Doch
       die Geschäftsführung hält sich zurück – ein Vertreter der Demonstrierenden
       könne hereinkommen, heißt es schließlich als Gegenangebot. Das wiederum
       lehnt Sunny, der heute mehrere Reden auf der Versammlung gehalten hat, ab:
       „Die verstecken sich oben. Sie sollen rauskommen und mit uns allen reden.“
       
       Die Innere Mission hatte sich im Vorfeld mit Erklärungen zurückgehalten:
       „Die Verfahrenshoheit liegt beim örtlichen Jugendamt“, hieß es von
       Sprecherin Anke Mirsch auf eine Anfrage der taz von Mitte Januar, „unsere
       Aufgaben liegen in der Aufnahme, Unterbringung und Betreuung der
       ankommenden Jugendlichen.“ Neue Anfragen der taz angesichts des Protestes
       blieben unbeantwortet.
       
       Oerter vom Flüchtlingsrat sieht das skeptisch: „Die Frage ist: Sieht die
       Innere Mission sich lediglich als Verwahrstation für die Jugendlichen? Das
       wäre mit dem Auftrag der sozialen Arbeit und dem Berufsethos nicht
       vereinbar.“
       
       Die Zurückhaltung der Inneren Mission bei der Öffentlichkeitsarbeit könnte
       damit zusammenhängen, dass sie dem „Deutschen Verein zur öffentlichen und
       privaten Fürsorge“ angehört. Und der hat 2017 in einem Gutachten
       festgehalten, dass die Verteilung gegen den Willen der Jugendlichen zu
       einer Retraumatisierung führen könne.
       
       Dass der Protest jetzt die Innere Mission trifft, hat eine Vorgeschichte:
       Sie hatte zuvor schon das [4][Erstaufnahmelager an der Gottlieb
       Daimler-Straße] geführt. „Das war das schlimmste Lager“, so Aziz. Der
       Bewohner der Steinsetzerstraße äußert noch mehr Kritik am Träger: Die
       Essensportionen seien zu klein, die Lebensumstände schlimmer als überall
       sonst.
       
       ## Ist Bremen an seinen Kapazitätsgrenzen?
       
       „Wir müssen die Menschen erinnern, dass dort keine gute Arbeit gemacht
       wird“, sagt Aziz. „Innere Mission raus aus der Erstversorgung jugendlicher
       Geflüchteter“, heißt eine der Forderungen des Bündnisses.
       
       Die Bremer Behörden will „Together we are Bremen“ dabei nicht aus der
       Verantwortung lassen – an sie haben sie eigene Forderungen: Wer bleiben
       will, soll bleiben dürfen. Die Sozialbehörde dagegen findet, man tue schon
       genug: Das Land habe seine Aufnahmeverpflichtung in 2019 zu 240 Prozent
       erfüllt.
       
       36 Jugendliche wurden in den vergangenen zwei Jahren dennoch umverteilt.
       Ist Bremen also an seinen Kapazitätsgrenzen? Nun ja. Vor wenigen Tagen hat
       Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) öffentlichkeitswirksam angekündigt, Bremen
       werde 20 minderjährige Flüchtlinge aus griechischen Lagern aufnehmen.
       
       5 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://togetherwearebremen.org/
   DIR [2] /Kindeswohlgefaehrdung-in-Bremen/!5653928
   DIR [3] /!5622520/
   DIR [4] /Gefluechteter-ueber-seine-Unterbringung/!5502794
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lotta Drügemöller
       
       ## TAGS
       
   DIR Demo
   DIR Unterbringung von Geflüchteten
   DIR Geflüchtete
   DIR Senat Bremen
   DIR Jugendhilfe
   DIR Geflüchtete
   DIR Minderjährige Geflüchtete
   DIR Polizei Bremen
   DIR Ankerzentren
   DIR Unterbringung von Geflüchteten
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Minderjährige Geflüchtete in Bremen: Zwischengeparkt in der Turnhalle
       
       Aktivist*innen und Jugendliche klagen über menschenunwürdige
       Bedingungen in einer Unterkunft. Sozialsenatorin Schilling weist die
       Vorwürfe zurück.
       
   DIR Vorwürfe gegen Flüchtlingseinrichtung: „Aufgenommen und angezeigt“
       
       Die Bremer Innere Mission soll die ihnen anvertrauten minderjährigen
       Geflüchteten wegen illegaler Einreise angezeigt haben und dementiert die
       Vorwürfe.
       
   DIR Jugendliche Geflüchtete in Bremen: Umverteilt – auch mit Zwang
       
       Das Sozialressort will wieder Zwang nutzen, um junge Geflüchtete
       umzuverteilen – nach Berichten über gefesselte Teenies ein No Go für die
       Koalition.
       
   DIR Geflüchtete Jugendliche in Handschellen: Gewalt als Ultima Ratio
       
       Die gewaltsame Umverteilung Minderjähriger aus Bremen war Thema in der
       Sozialdeputation. Alles rechtens, sagt die Sozialsenatorin.
       
   DIR Kindeswohlgefährdung in Bremen: Handschellen für Teenager
       
       Die Bremer Polizei soll unbegleitete Minderjährige aus einer
       Erstaufnahmeeinrichtung in andere Bundesländer „verteilt“ haben – in
       Handschellen.
       
   DIR Geflüchtete protestieren gegen Unterkunft: Dauerhaft im Lager
       
       In der Aufnahmestelle in Bremen-Vegesack leben Flüchtlinge teils monatelang
       in Sechsbettzimmern. Am Samstag demonstrieren sie für drei Forderungen.
       
   DIR Geflüchteter über seine Unterbringung: „Als wollten sie dich kaputt machen“
       
       Die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in der Bremer
       Gottlieb-Daimler-Straße demonstrieren für eine menschenwürdige
       Unterbringung.