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       # taz.de -- Klimaaktivisten in München präsent: Bei Siemens brennt der Busch
       
       > Zweiter Tag der Proteste vor der Hauptversammlung von Siemens. Das
       > Unternehmen wird als Beschleuniger für die „Klima-Kriminellen“
       > gebrandmarkt.
       
   IMG Bild: ≤Gesunde Menschen für einen gesunden Planeten“, steht auf einem der Schilder
       
       München taz | Am kalten Morgen liegen sie auf der Brücke zur Olympiahalle
       und versperren den Weg. Sie sind 25, 30 Leute. Sie haben Isomatten
       mitgebracht, eine jüngere Frau spielt Gitarre – es ist ein „Die-In-Protest“
       der Klimaaktivisten von Extinction Rebellion. Schilder wie „Australien
       brennt“ oder „Kohleminen stoppen“ werden gezeigt, sodass den vielen
       Siemens-Aktionären, die zur Hauptversammlung ihres Konzerns wollen, schnell
       klar wird, um was es den jungen und älteren Leuten geht. Sie müssen
       zwischen den liegenden Protestierern durch balancieren oder sich an der
       Seite vorbei quetschen, um zur Halle zu gelangen.
       
       Der Technologiekonzern muss seine Hauptversammlung unter besonderen
       Umständen abhalten. Seit im Januar die Beteiligung von Siemens am höchst
       umstrittenen Kohlebergbau-Projekt in Australien bekannt wurde, steht die
       Firma „im Mittelpunkt der Klimadebatte“, wie der Vorstandsvorsitzende Joe
       Kaeser später in seiner Rede sagen wird. Demonstranten von Fridays for
       Future, Extinction Rebellion oder Greenpeace sind gekommen, schon am
       Vorabend war die Fassade und das Dach der Firmenzentrale am
       Wittelsbacherplatz von Aktivisten besetzt worden, die ein Banner ausgerollt
       hatten: „Buschbrände beginnen hier.“
       
       [1][Nun protestieren Hunderte] direkt am Eingang zur Halle, der von der
       Polizei mit Absperrgittern gesichert ist, die Beamten halten sich im
       Hintergrund. Die Aktivistin Lindsay Simpson ist aus Australien gekommen,
       sie sagt zur taz: „Unser Land brennt, eine Milliarde Tiere sind gestorben.“
       „Von der blauen Erde kommen wir“, singen die Demonstranten, „unser Klima
       stirbt genauso schnell wie wir.“
       
       Thomas Mayer, ein pensionierter Angestellter im öffentlichen Dienst, steht
       seit einer Stunde mit seinem Plakat vor dem Gitter: „Siemens als
       Brandbeschleuniger für die Klima-Kriminellen.“ Ja, meint er, manche der
       Siemens-Besucher würden schon sagen, dass sie gegen das Australien-Geschäft
       seien. Ein älterer Herr in Anzug und Krawatte zeigt ihm aber nur den
       Mittelfinger. Ein anderer sagt: „Von denen geht keiner arbeiten.“ Eine Frau
       ergänzt: „Die leben von dem, was wir erspart haben, auch mit
       Siemens-Aktien.“
       
       So aufgeheizt geht es in der Olympiahalle, die bis zu 10.000 Besucher
       fassen kann, nicht zu. Doch auch da steht das Klimathema an erster Stelle.
       Dass der Konzern recht schlechte aktuelle Zahlen vorgelegt hat, dass er in
       die drei Bereiche digitale Industrie, Gesundheit und Energie aufgeteilt
       werden soll – dies alles interessiert an diesem Tag nur die
       Wirtschaftsfachleute. Es gab schon viele solcher Umstrukturierungen bei
       Siemens, die sich späterhin als heiße Luft entpuppt hatten.
       
       ## Im Ziel einig
       
       Die argumentative Stoßrichtung der Siemens-Führung wird rasch klar: Das
       [2][Australien-Geschäft hätte man nicht abschließen sollen], jetzt müsse
       man es aber durchziehen, außerdem ist es mit 18 Millionen Euro nur ein sehr
       kleines Projekt. „Wie die Debatte geführt wird, entfernt sich immer mehr
       vom Thema“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Jim Hagemann Snabe. Im Ziel
       sei man sich ja „einig mit der Klimaschutzbewegung“. Siemens strebe bis zum
       Jahr 2030 „eine CO2-neutrale Zukunft an“. Schon im vergangenen Jahr seien
       die Emissionen bei Aufträgen um 50 Prozent niedriger gewesen als 2014. Und
       schließlich wolle man „Siemens neu erfinden“.
       
       Große Worte, die in ähnlicher Modulation auch bei Vorstandschef Joe Kaeser
       zu hören sind. In der Pressekonferenz am Morgen hatte er den Protest der
       Klimaschützer noch als „fast grotesk“ bezeichnet. In seiner Rede gesteht
       er: „Es trifft zu, dass wir das gesamte Bild dieses Auftrags nicht richtig
       und nicht rechtzeitig erkannt haben.“ Denn die Klimakrise sei eine
       „existenzielle Bedrohung“. Aber: „Proteste allein bringen noch keine
       Lösung.“ Dafür erhält er erstmals kleinen Applaus.
       
       Kaeser kündigt an, dass die neue Teilfirma „Siemens Energy“ einen so
       genannten Nachhaltigkeitsausschuss erhalte, dem auch Mitglieder von
       außerhalb des Konzerns angehören können. Er wolle einen
       „lösungsorientierten Dialog mit allen suchen“.
       
       Auf der Versammlung sind auch Klimaaktivisten, denen etwa von Aktionären
       die Wahrnehmung der Stimme übergeben worden war. Ein jüngerer Mann namens
       Corby hat sich ein Känguru-Kostüm angezogen, zieht immer wieder durch die
       Reihen und wird weitgehend ignoriert. Am Nachmittag darf Helena Marschall
       von Fridays for Future reden. Sie warnt die Aktionäre, dass Siemens die
       Kunden der Zukunft verlieren werde. Auch sie erhält ein wenig Applaus.
       
       5 Feb 2020
       
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   DIR Patrick Guyton
       
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