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       # taz.de -- „Rettomat“ im S-Bahnhof: Hat alles seinen Preis
       
       > Auf dem S-Bahnhof Bornholmer Straße kann man jetzt „gerettete“
       > Lebensmittel am Automaten ziehen. Eine prima Idee – aber nicht wirklich
       > günstig.
       
   IMG Bild: Entscheidend ist, was unten rauskommt: „Rettomat“ von Sirplus
       
       An so einem sonnigen Februartag lässt es sich durchaus mal ein paar Minuten
       aushalten auf dem zugigen S-Bahnhof Bornholmer Straße. Schon der Blick
       hinüber auf die blühenden japanischen Kirschbäume an der Norwegerstraße
       lohnt das Umsteigen. Und jetzt ist auch noch eine Weltneuheit zu bestaunen:
       zwei „Rettomaten“ des [1][Berliner Unternehmens „Sirplus“]. Eigentlich ganz
       gewöhnliche Snack-Automaten, aus denen man hier aber Lebensmittel mit
       abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum ziehen und so vor der Mülltonne
       retten kann.
       
       Gute Sache, das – und eine experimentelle Erweiterung der
       Sirplus-„Rettermärkte“, deren vierter gerade erst im Ostbahnhof eröffnet
       hat. Das Start-up von Foodsharing-Erfinder Raphael Fellmer verkauft alles
       Mögliche, bio oder nicht, frisch oder haltbar, „abgelaufen“ oder sonst wie
       ausgemustert. Wie die schon sprichwörtlichen krummen Karotten, die den
       Schönheitsidealen der Lebensmittelregale nicht entsprechen.
       
       Bis Jahresende soll es in Berlin an die zehn Rettermärkte geben, es wird
       aber auch republikweit expandiert, und nach oben ist laut Fellmer noch eine
       Menge Luft: „Im Moment werden in Deutschland jedes Jahr 18 Millionen Tonnen
       Lebensmittel verschwendet. Da ist der limitierende Faktor nicht die
       Verfügbarkeit.“ Hilfsorganisationen wie den Tafeln lässt Sirplus übrigens
       grundsätzlich den Vorrang.
       
       Niemand muss jetzt denken, dass im Rettomaten an der Bornholmer
       wurmstichige Äpfel auf die erlösende Münze warten. Es gibt vielmehr
       automatengängige Ware, Schokoriegel, vegane Flips, Kokosdrinks, auch eine
       fancy Bambuszahnbürste ist dabei – „Dinge, die den Alltag nachhaltiger
       gestalten“, so CEO Fellmer.
       
       ## Öfter mal was Neues
       
       Das Sortiment soll sich des Öfteren ändern, je nachdem, was gerade vom
       Großhandel gerettet wurde. Nach drei Monaten Testphase wird erst mal
       evaluiert, bei Sirplus ist man aber guter Dinge: „Die Aktion hat auf
       Instagram knapp sechstausend Likes bekommen, die Leute sind begeistert. Es
       haben ja nicht alle einen Rettermarkt um die Ecke“, sagt Fellmer.
       
       Dass die Automaten ausgerechnet hier stehen, ist dabei kein Zufall: Die
       Deutsche Bahn hat die Station Bornholmer Straße zu einem von
       deutschlandweit 16 [2][„Zukunftsbahnhöfen“] erkoren. Auf denen soll
       ausprobiert werden, was Bahnfahren noch attraktiver machen könnte. Hier
       gibt es beispielsweise außer den Rettomaten zwei neue DB-Snackpavillons,
       demnächst noch kommt ein „innovatives Lichtkonzept“ dazu.
       
       Ob am Ende wirklich das Geld im Kasten klingt, bleibt abzuwarten. Denn
       viele Preise im Rettomaten sind ganz schön happig, selbst wenn man auch dem
       Aufsteller seinen Teil vom Kuchen gönnt.
       
       Jemand Lust auf 50 g Bioschokolade „Authentic Single Origin Cocoa – Bean to
       Bar“, MHD 01.12.2019, für schlappe 4,60 Euro? Schwierig. Dabei kostet
       dieselbe Tafel im Sirplus-Onlineshop nur 2,29 Euro (statt ursprünglich 4
       Euro). Und die veganen Kakaonib-Lucuma-Riegel, im Rettomat à 2 Euro, hatte
       Sirplus online schon mal für 3,98 Euro angeboten, allerdings als komplettes
       Zwölferpack. Mittlerweile ist das dort nicht mehr zu haben: „Alles
       weggerettet“ heißt es da.
       
       5 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://sirplus.de/
   DIR [2] https://www.bahnhof.de/bahnhof-de/bahnhoferleben/Zukunftsbahnhof-4476510
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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       Fellmer.