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       # taz.de -- Luftverschmutzungs-Hotspot Sarajevo: Bosnier gegen Dreckluft
       
       > Die schmutzigste Luft der Welt atmeten in den vergangenen Wochen die
       > BewohnerInnen Sarajevos. Aufregung darüber gab es kaum – bis jetzt.
       
   IMG Bild: Extremer Smog: Sarajevo im Januar
       
       Sarajevo taz | So was wie in diesem Winter hat die Stadt Sarajevo noch nie
       erlebt. Zwar war die Luftverschmutzung schon in den letzten Jahren ein
       Ärgernis, diesmal jedoch wurden alle Rekorde gebrochen. [1][Mit Werten von
       bis zu 400 auf der Skala des World Air Quality Index, in einzelnen
       Stadtteilen sogar über 600,] stand Sarajevo in den letzten Wochen mehrmals
       an der Spitze der Welt.
       
       Der Witz, „wir sind immerhin darin Spitze“, zeigt zwar den Humor der
       Stadtbevölkerung, doch manche konnten darüber nicht mehr lachen. Denn
       solche Werte bedeuten ein hohes Risiko nicht nur für alte und kranke
       Menschen, sondern auch für Kinder und Erwachsene. Das Immunsystems wird
       beschädigt, Kopfschmerzen, Übelkeit und Müdigkeit sind direkte Folgen
       dieser Luftverschmutzung.
       
       Ist es die Unkenntnis, die Leidensfähigkeit einer Bevölkerung, die eine
       jahrelange Belagerung und eine Million Artilleriegranaten überlebt hat,
       oder ist es das Fehlen einer Prostestkultur, die zu dieser Passivität
       führt? Dass erst am Montagmittag einige hundert Menschen vor dem Rathaus zu
       protestieren begannen, ist für Mitteleuropäer kaum zu begreifen. Alte
       Stadtbürger behaupten, das liege auch daran, dass die traditionelle
       städtische Bevölkerung ausgedünnt ist und nun ungebildete Leute aus den
       Dörfern den Ton angeben.
       
       Nach wie vor zünden sich Männer inmitten dieser Suppe Zigaretten an und
       blicken verwundert und fragend auf diejenigen, die sich eine Schutzmaske
       besorgt haben. Die Stadtverwaltung denkt gar nicht daran, Fahrverbote für
       die Blechlawine aus zumeist alten Autos zu fordern, die von morgens bis
       abends die Straßen verstopfen. Ein doppeltes Ärgernis sind Autofahrer, die
       beim Parken den Motor laufen lassen.
       
       ## Schelte für Politik und Medien
       
       Als der Bürgermeister der Stadt, ein Mitglied der muslimischen
       Nationalpartei SDA, vorschlug, die Bürger könnten zu reduzierten Preisen
       die Seilbahn zum Berg Trebevic nutzen und dort frische Luft schnappen,
       wurde er nicht ausgelacht, sondern von vielen für seine „Wohltat“ gelobt.
       Von ihm zu fordern, endlich die alten Kohleöfen durch Gasheizungen zu
       ersetzen – die Pläne dafür liegen in den Schubladen –, kommt vielen
       Menschen gar nicht in den Sinn.
       
       Doch immerhin forderten am Montag nun endlich einige hundert
       Demonstrierende mehr Aktivität von der Verwaltung. Auch die Medien würden
       darin versagen, die Bevölkerung aufzuklären, sagt Faruk, einer der jungen
       Demonstranten vor dem Rathaus. Der Präsident des Kantons, Edin Forto von
       der nichtnationalistischen Reformpartei Naša stranka, forderte bei der
       Kundgebung zwar Fahrverbote, Produktionsstopp in manchen Betrieben und die
       Lösung des Heizungsproblems. „Doch warum hat auch seine Partei bisher nur
       wenig unternommen, diese Forderungen durchzusetzen?“ fragt Faruk.
       
       21 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.airvisual.com/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erich Rathfelder
       
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