URI: 
       # taz.de -- Das Leben im Dorf: Neue Leute, neue Ideen
       
       > Was es für ein gutes Leben braucht, ist Ansichtssache. Was es für ein
       > gutes Landleben braucht, hingegen nicht.
       
   IMG Bild: Ein verlassener Dorfsportplatz in Bingenheim in der Wetterau, Hessen
       
       Leere Straßen und geschlossene Geschäfte, ein riesiges Funkloch ohne
       Arbeitsplätze – so stellen sich viele Städter das Leben auf dem Land vor.
       Wer will da schon hin? Der fehlende Dorfladen und die verschwundene
       Metzgerei sind jedoch nicht das Problem. „Es fehlt den ländlichen Gemeinden
       an Menschen“, sagt [1][Peter Dehne], Professor für Planungsrecht und
       Baurecht an der Hochschule Neubrandenburg.
       
       In seiner Forschung beschäftigt er sich hauptsächlich mit den Auswirkungen
       des demografischen Wandels auf kleinere Städte und der Frage, wie diese
       sich entwickeln müssen, um zu überleben. Vor allem jüngere Menschen ziehen
       in die Städte und verlassen ihren Heimatort. Die Studie [2][„Urbane Dörfer.
       Wie digitales Arbeiten Städter aufs Land bringen kann“] vom Berlin-Institut
       für Bevölkerung und Entwicklung zeigt, dass immer mehr junge Menschen das
       Abitur schaffen und den Wunsch haben, ein Studium zu beginnen.
       
       Städte wie Jena, Leipzig und Dresden profitieren von dem hohen Andrang an
       Studenten. Von 2012 bis 2017 verließen pro 1.000 Einwohner 112 meist junge
       Menschen ihr Heimatdorf, um in anderen Städten eine Hochschulausbildung zu
       erhalten. Durch den Wegzug der jüngeren Bevölkerung verändert sich die
       Altersstruktur der Dörfer. Das bedeute aber nicht, dass die kleineren
       Gemeinden in Zukunft aussterben, sagt Peter Dehne.
       
       Denn es gibt auch einen Gegentrend: es ziehen wieder mehr Menschen in
       ländliche Gebiete. Die Städter kommen hauptsächlich in kleinere Gemeinden,
       die nicht allzu weit von größeren Zentren entfernt sind. Vor allem die
       neuen Arbeitsweisen, die das digitale Zeitalter bietet, spielen dabei eine
       große Rolle, stellte auch die Studie vom Berlin-Institut fest. Viele
       Personen, die freiberuflich und nicht ortsgebunden arbeiten, zieht es in
       ländliche Regionen.
       
       ## Dörfer als Gesellschaftslabor
       
       Das ist nicht nur eine demografische Veränderung für die Dörfer, sondern
       auch eine innovative. Neue Leute bringen neue Ideen, die dazu beitragen
       können, eine Gemeinde neu zu gestalten. „Die ländlichen Gebiete können zu
       einem Gesellschaftslabor werden“, beschreibt die Studie die Zukunft der
       Dörfer, in denen neue Ansätze des Zusammenlebens und der Nachhaltigkeit
       erprobt werden können.
       
       Stadt und Land können also beidseitig voneinander profitieren. Diese
       Einstellung ist auch vielen Menschen, die auf dem Land leben, wichtig:
       Viele Dorfbewohner sind genervt von den Klischees. „Sie fühlen sich
       missverstanden. Denn auch wenn die Rahmenbedingungen des Alltags andere
       sind, finden sie das Lebensgefühl auf dem Land sehr gut“, sagt Dehne, der
       für seine Forschung viel mit der Landbevölkerung vor Ort spricht.
       
       [3][Das soziale Miteinander in den kleinen Ortschaften sei dabei ein
       wichtiger Punkt] und sichere das zukünftige Zusammenleben und Fortbestehen
       der Gemeinschaft, sagt Dehne. Und das funktioniere am besten, wenn auch
       jeder bereit ist, etwas für einen Wandel zu tun. Dehne kennt einige Orte,
       in denen die Bewohner Probleme selbst anpacken und sich zum Beispiel aktiv
       für einen Dorfladen einsetzen. Die Motivation der Menschen ist dabei der
       ausschlaggebende Punkt: „Ob ein Dorf erhalten bleibt oder nicht, hängt
       maßgeblich vom Engagement der Bevölkerung ab.“
       
       Alles Engagement helfe jedoch nicht, wenn eine gewisse Grundversorgung
       nicht gewährleistet sei. Schulen, öffentlicher Nahverkehr und
       Gesundheitsversorgung seien beispielsweise notwendig. Dehne wünscht sich an
       dieser Stelle mehr Verantwortung von Bund und Ländern, denn davon hätten
       sie in den letzten Jahren zu wenig übernommen.
       
       3 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.hs-nb.de/fachbereich-landschaftswissenschaften-und-geomatik/ppages/peter-dehne/
   DIR [2] https://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/urbane-doerfer.html
   DIR [3] /Kleinstadtleben-in-Deutschland/!5658766&s=Gesa/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eliane Morand
   DIR Denise Klein
       
       ## TAGS
       
   DIR Landleben
   DIR Engagement
   DIR Dorf
   DIR Stadt-Land-Gefälle
   DIR Stadt
   DIR Coming-of-Age-Film
   DIR Politisches Buch
   DIR Landflucht
   DIR Dorfleben
   DIR Mode
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR YouTube-Serie „Jugendland“ des NDR: Deutschrap auf dem Dorfplatz
       
       Die YouTube-Serie „Jugendland“ porträtiert junge Erwachsene im ländlichen
       Raum. Angenehm abwesend: der typische Blick aus der Großstadt.
       
   DIR Buch über Historie des Landlebens: Sehnsucht nach Unverfälschtem
       
       Der Kulturgeograf Werner Bätzing zeichnet kühl die Zerrüttung des
       Landlebens nach. Er forscht mit überschaubarem Erfolg nach Alternativen.
       
   DIR Kleinstadtleben in Deutschland: Letzte Ausfahrt vor Polen
       
       Eine kleine Stadt in Mecklenburg-Vorpommern kämpft um ihre Schule und um
       ihr Bestehen. Soll man Orte wie Penkun fördern oder aufgeben?
       
   DIR Der Mann und sein Dorf: Hummelflug im Kopf
       
       Schmilka, ein kleiner Ort in der Sächsischen Schweiz, droht zu sterben.
       Sven-Erik Hitzer, dem das halbe Dorf gehört, versucht, das zu verhindern.
       
   DIR Agrarwissenschaftler über sein Modelabel: „Ich bin stolz, vom Land zu kommen“
       
       Lukas Meyer-Tonndorf hat ein Modelabel gegründet, um das Image von
       Bauernkindern aufzuwerten. Ein Gespräch über Klischees, Freundschaft und
       Dorfleben.