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       # taz.de -- Bremer Polizei räumt Fehlverhalten ein: Zyniker statt Freund und Helfer
       
       > Eine junge Frau erstattet Anzeige wegen einer Morddrohung im Internet.
       > Der Polizeibeamte nimmt sie nicht ernst – und ist mittlerweile
       > suspendiert.
       
   IMG Bild: Nochmal die Kurve gekriegt: Im zweiten Anlauf kümmerte sich die Bremer Polizei dann doch
       
       Bremen taz | Ein Unbekannter schreibt einer jungen Frau während ihres
       Streamings auf der Videoplattform Twitch folgende Nachricht: „Ich habe
       deine Adresse und werde dich vergewaltigen und anschließend in der
       Badewanne ertränken.“ Sein Benutzername besteht aus Vorname und Nachname
       der jungen Frau, dahinter: „_toeten“. Sie fühlt sich unmittelbar bedroht
       und geht in Bremen zur Polizei. Die allerdings belächelt die Betroffene am
       Montagabend, als sie Anzeige gegen Unbekannt erstatten will. Ihre
       Erfahrungen [1][teilt sie noch am selben Abend auf Twitter mit], wodurch
       die Öffentlichkeit auf ihren Fall aufmerksam wird.
       
       Anstatt ihr Verständnis entgegenzubringen, habe der Beamte sie gefragt,
       wieso sie sowas denn auch mache, schreibt die Frau. Gemeint ist ihr Spielen
       auf Online-Plattformen mit Videostream. Wenn sie es nicht machen würde,
       „würden wir hier nicht sitzen“, habe der Polizeibeamte gesagt, womit er der
       jungen Frau eine direkte Mitschuld an dem Vorfall unterstellt. Zum Schluss
       habe er noch die zynische Bemerkung fallen gelassen, dass die Polizei nun
       immerhin schon einen Ermittlungshinweis habe – falls die junge Frau
       wirklich tot in ihrer Badewanne gefunden wird.
       
       In Kommentaren unter ihrem Tweet berichten vor allem Frauen von ähnlichen
       Erfahrungen und schildern persönliche Demütigungen, die auch sie bei der
       Polizei erlebt hatten. Auffällig oft geht es dabei um Fälle von verbaler
       oder sexualisierter Gewalt im Internet mit dem Vorwurf, dass die Polizei im
       Umgang mit Online-Straftaten noch nicht in der Gegenwart angekommen sei,
       wie eine Twitter-Userin schreibt.
       
       Die Polizei Bremen spricht von einem Einzelfall und reagierte bereits
       wenige Stunden nach dem Tweet: „Es ist ein Disziplinarverfahren gegen den
       Beamten eingeleitet worden. Er ist bis auf Weiteres von seinen Aufgaben im
       Bürgerkontakt entbunden“.
       
       ## Disziplinarverfahren eingeleitet
       
       Am Mittwoch Vormittag wurde die Frau noch einmal von der Polizei Bremen
       eingeladen. Dieses Mal schickte man eine Frau, um die Daten ein erneutes
       Mal aufzunehmen. Ein nicht unerhebliches Detail, wenn es um sexuelle Gewalt
       an Frauen geht.
       
       Auf Twitter bedankte sich das Opfer anschließend öffentlich für das
       „kompetente Handeln“ der Polizei. Auch für den Bremer Grünen-Politiker
       Mustafa Öztürk ist die Reaktion der Polizei „vorbildlich“, er merkt an,
       dass die Anzeige trotz der Vorfälle aufgenommen worden sei. Dennoch wolle
       Öztürk der Polizei bei der heutigen Innendeputation in der Bremer
       Bürgerschaft Fragen zu diesem Fall stellen. Diese würden sich allerdings
       eher auf die Anzahl von Anzeigen wegen Online-Bedrohung beziehen als auf
       das Versagen eines einzelnen Beamten im Fall der jungen Bremerin.
       
       Trotz „vorbildlicher“ Reaktion im Nachhinein bleibt der Fall erschreckend.
       Er sei ein Beweis für die „subtilen Vorurteile und Vorannahmen bei
       sexueller Gewalt gegen Frauen“, sagt die Psychologin Sedef Sahin-Yavuz von
       Notruf Bremen. Es gebe einen unbewussten Mechanismus, den Täter zu
       entlasten und ein Fehlverhalten bei den Opfern zu suchen.
       
       Dass die „subtilen Vorurteile“ in diesem Fall von einen ausgebildeten
       Polizeibeamten geäußert wurden, sei problematisch, weil es das Gefühl von
       Unsicherheit und Ohnmacht beim Opfer verstärke, sagt Sahin-Yavuz. Für Opfer
       von sexueller Gewalt koste es noch immer Überwindung, zur Polizei zu gehen.
       Umso wichtiger sei hier die nötige Sensibilität der BeamtInnen.
       
       23 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/PinkP0wny/status/1219284732007145473
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sophie Lahusen
       
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