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       # taz.de -- Regionalwahlen in Italien: Salvinis Siegeszug gestoppt
       
       > In der Emilia-Romagna setzt sich das Mitte-links-Bündnis überraschend
       > deutlich durch. Das ist eine Schlappe für die bisher erfolgsverwöhnte
       > Lega.
       
   IMG Bild: Pressekonferenz nach der Wahl: Eindeutiger Verlierer ist Matteo Salvini
       
       Matteo Salvini mit langem Gesicht, die Frontleute der Linken strahlend: An
       einen solchen Wahlabend muss Italien sich erst wieder gewöhnen. Am Sonntag
       stoppten die Wähler:innen in den Emilia-Romagna den scheinbar
       unaufhaltsamen Vormarsch der Lega. Sie bescherten dem bisherigen
       Regionalgouverneur Stefano Bonaccini, der an der Spitze einer
       Mitte-links-Allianz antrat, mit 51,4 Prozent die Wiederwahl mit [1][einem
       überraschend klaren Ergebnis]. Seine Gegenkandidatin Luci Borgonzoni von
       der Lega, die die Rechtsallianz anführte, musste sich mit 43,7 Prozent
       zufriedengeben.
       
       Damit ist die bisher unaufhaltsame Siegesserie Salvinis gestoppt. Er war im
       Dezember 2013 Chef der Lega geworden, einer damals rechtspopulistischen
       Regionalpartei des Nordens, die gerade einmal auf 4 Prozent kam. Er nahm
       dann eine radikale Wende hin zu einem aggressiven Nationalismus vor
       („Italiener zuerst!“), machte die Ausländer und die EU zu seinen
       Feindbildern – und führte so die Lega von Triumph zu Triumph. Bei den
       nationalen Wahlen 2018 erzielte sie 17 Prozent und trat in die Regierung
       mit den Fünf Sternen ein, in der Salvini Innenminister wurde. Im Mai 2019
       triumphierte er bei den Europawahlen mit 34 Prozent.
       
       Zudem eilte die Lega bei allen Regionalwahlen von Sieg zu Sieg. In acht
       Regionen wurde in den letzten 20 Monaten gewählt, alle acht Regionen waren
       zuvor links regiert – und Salvini entriss sie alle, vom Piemont im Norden
       über Umbrien im Zentrum bis zum Molise im Süden, den Linken.
       
       Seinen Siegeslauf konnte auch die Tatsache nicht stoppen, dass er selbst
       sich im August 2019 aus der Regierung katapultiert hatte, per
       [2][Aufkündigung der Koalition] mit den Fünf Sternen, auf die die von ihm
       ersehnten Neuwahlen folgen sollten. Doch das Movimento 5 Stelle tat ihm
       diesen Gefallen nicht und ging stattdessen völlig unerwartet ein
       Regierungsbündnis mit der gemäßigt linken Partito Democratico ein.
       
       ## Salvini gab den Sheriff
       
       Ebendieser Regierung wollte Salvini nun mit dem Urnengang vom Sonntag –
       neben der Emilia-Romagna wählte auch Kalabrien – den entscheidenden Schlag
       versetzen. Schließlich ist die Emilia-Romagna die Vorzeigeregion par
       excellence der italienischen Linken, die hier immer seit 1945 regiert
       hatte. Und die Chancen standen gar nicht so schlecht für ihn: Bei den
       Europawahlen im letzten Jahr war die Lega auch hier mit über 30 Prozent zur
       stärksten Partei geworden.
       
       Und so drehte sich der Wahlkampf der Lega auch gar nicht um deren
       (schwache) Spitzenkandidatin, sondern allein um Salvini. Der absolvierte
       stolze 200 Auftritte, tourte unermüdlich nicht bloß durch die Städte,
       sondern auch über die Dörfer. Von der Emilia-Romagna – einer ökonomisch
       prosperierenden Region, die durch überdurchschnittlich gute Verwaltung mit
       funktionierenden Dienstleistungen für die Bürger glänzt – war dabei so gut
       wie nie die Rede, stattdessen von Migranten und angeblicher
       Kriminalitätsgefahr. Salvini gab dabei gleich selbst den Sheriff und
       zeigte, welches Verständnis er vom Rechtsstaat hat: In Bologna klingelte er
       letzte Woche bei einer tunesischen Familie und fragte, ohne den Hauch eines
       Beweises: „Sagen Sie mal, wird bei Ihnen gedealt?“
       
       Auf diese Tour wollte Salvini zurück an die Macht in Rom. Das ist in die
       Hose gegangen, aus zwei Gründen. Erstens verfügte die PD, die
       Mitte-links-Allianz, mit Stefano Bonaccini über einen populären Gouverneur,
       über den auch die Rechte nichts Schlechtes zu sagen wusste. Dennoch war das
       Bonaccini-Lager noch im letzten Herbst völlig verzagt, gaben viele in ihren
       Reihen die Schlacht schon verloren, ehe sie überhaupt begonnen hatten.
       
       ## Erfolg der Sardinen
       
       Und hier kommt der zweite Grund ins Spiel. Der wahre Sieger ist nämlich
       eine Bewegung, die bei der Wahl gar nicht antrat: die Sardinen. Vier junge
       Menschen aus Bologna, keiner von ihnen vordem politisch aktiv, wollten
       nicht zusehen, wie ihre Region in die Hände der Lega fällt. Sie
       organisierten erstmals am 14. November ihren [3][Protest gegen „die Sprache
       des Hasses“] in der Politik, gegen den rechten Populismus, gegen die
       Ausländerfeinde. Tausende trafen sich zu einem Flashmob, mit Pappsardinen
       bewaffnet, auf der Piazza – und die Bewegung ging wie eine große Welle
       durch die Region, ja durch ganz Italien.
       
       Vor allem eines erreichte sie: die verzagten Anhänger der Linken
       wiederaufzurichten, in einem kollektiven Akt der Selbstvergewisserung
       deutlich zu machen, dass Italien nicht bloß aus Salvini-Anhängern besteht.
       Wie gut das funktionierte, zeigt schon die Wahlbeteiligung: Lag sie vor
       fünf Jahren bei mageren 38 Prozent, so schnellte sie jetzt auf 68 Prozent
       hoch – und am stärksten legte sie dort zu, wo die Linke vorn lag.
       
       Insofern hat Nicola Zingaretti, der Chef der PD, allen Grund, den Sardinen
       „ein immenses Dankeschön“ auszusprechen, wie er es am Sonntagabend tat. Sie
       waren es, die am Ende Salvini wirklich die Stirn boten, sie waren es, die
       die Stimmung wendeten. Und sie sind es, die der Linken jenen Mut
       zurückgaben, den sie auch in den nächsten Monaten brauchen wird.
       
       27 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
       
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