URI: 
       # taz.de -- Vizeweltmeister über Winterschwimmen: „Fünf Grad sind angenehm warm“
       
       > Vizeweltmeister Martin Tschepe über Kraulen fast am Gefrierpunkt,
       > olympische Ambitionen und das Glück, ohne Erkältung durch den Winter zu
       > kommen.
       
   IMG Bild: Selfie im See: Martin Tschepe wurde gerade Vizeweltmeister im Winterschwimmen
       
       taz: Herr Tschepe, Sie sind Eisschwimmer. Warum macht man so was? 
       
       Martin Tschepe: Gute Frage, wir haben die so oft gestellt bekommen, dass
       wir uns diese Antwort zurechtgelegt haben: weil es cool ist, weil es gesund
       ist und weil wir es können.
       
       Seit wann wissen Sie denn, dass Sie so etwas können? 
       
       Ich bin seit fünf Jahren dabei, da gab es zum ersten Mal die German Open,
       und der Veranstalter, der wusste, dass ich gerne und gut schwimme, wollte
       mich dabeihaben.
       
       Ihre Reaktion? 
       
       Ihr spinnt! Das mache ich nicht! Aber dann habe ich es halt doch
       ausprobiert. Als sparsamer Halbschwabe macht man so was.
       
       Bis dahin waren Sie ein normaler Bahnenschwimmer in geheizten Frei- und
       Hallenbädern? 
       
       Ja, aber ich bin auf Sylt aufgewachsen, da bin ich auch oft im Meer
       geschwommen. Das waren teils schon Temperaturen um die 16, 17 Grad. Und als
       Jugendlicher, bis zum Alter von 25 Jahren, bin ich dann bei sogenannt
       normalen Wettkämpfen geschwommen.
       
       Was sind mittlerweile Ihre Temperaturen? 
       
       Das kälteste Wasser, in dem ich einen Wettkampf geschwommen habe, war 1,7
       Grad. Da bin ich 1.000 Meter gekrault. Im Salzwasser kann es auch unter
       null Grad sein, das friert ja später, aber ich persönlich habe den
       1,7-Grad-Rekord.
       
       Reicht ja auch, oder? 
       
       Als Faustregel gilt: Zwei Grad ist doppelt so kalt wie vier Grad. Und fünf
       Grad ist schon angenehm warm.
       
       Warm? 
       
       Relativ natürlich. Ich bin ja einigermaßen schnell. Für 1.000 Meter in
       diesem kalten Wasser brauche ich etwa eine Viertelstunde. Aber bei den
       Eisschwimm-Wettkämpfen sind auch Leute dabei, die deutlich langsamer sind,
       die brauchen dann vielleicht eine halbe Stunde. Für die wird es manchmal
       zum Problem.
       
       Gibt es eine Grenze? 
       
       Bestimmt, aber ich bin noch nie an meine Grenze gegangen. Und ich will sie
       auch nicht austesten.
       
       Ist das nicht alles sehr gefährlich? 
       
       Nein. Bei Wettkämpfen, an denen ich teilgenommen habe, ist noch nie etwas
       passiert. Gewiss, woanders schon – das dürfte wie beim Marathonlauf sein:
       Es gibt immer wieder Todesfälle bei Veranstaltungen, aber die sind
       statistisch selten.
       
       Gibt es Schutzmaßnahmen? 
       
       Jeder Schwimmer, so war es jetzt bei der WM auch, muss beim
       Freiwasserschwimmen einen Betreuer dabeihaben. Und es gibt Begleitboote, in
       denen Kampfrichter sitzen: Wenn jemand deutlich langsamer krault oder
       unkoordiniert wirkt, dann wird er herangewunken, er sieht die Gelbe Karte
       und mit ihm wird gesprochen. Wenn es sich nicht bessert, gibt’s die Rote
       Karte, und er wird aus dem Wasser gezogen.
       
       Am Anfang unseres Gesprächs haben Sie ja behauptet, Winterschwimmen sei
       gesund. 
       
       Ist es auch. Ich bin, seit ich damit angefangen habe, kein einziges Mal
       erkältet gewesen. Leichter Schnupfen schon mal, aber ernsthafte grippale
       Infekte habe ich nicht.
       
       Sie sind jetzt im Bleder See in Slowenien dreimal Vizeweltmeister geworden
       – in welchen Disziplinen? 
       
       Ich bin Langstreckler: 1.000 Meter, 450 Meter und, ganz untypisch, in der
       4-mal-25-Meter-Staffel.
       
       Sind Sie Vizeweltmeister für den Deutschen Schwimmverband? 
       
       Nein, ich vermute, dass man uns dort ignoriert. Unsere Staffel war eine
       „Germany-Russia“-Staffel: Drei deutsche Schwimmer und eine russische
       Schwimmerin. Also gegendert und multinational.
       
       Haben Sie olympische Ambitionen … 
       
       Ja. Eindeutig. Wir wollen olympisch werden. Uns steht im Wege, dass es zwei
       konkurrierende Weltverbände gibt, die „International Winter Swimming
       Association“ und die „International Ice Swimming Association“. Die bemühen
       sich zwar darum, einmal olympische Demonstrationssportart zu werden, aber
       das dauert noch.
       
       Winterolympia, nehme ich an? 
       
       Ja, wir sind ja eine Wintersportart.
       
       9 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Krauss
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Sport trotz Corona
   DIR Schwimmen
   DIR Extremsport
   DIR Schwimmen
   DIR Schwimmen
   DIR Schwimmen
   DIR Wohnungslosigkeit
   DIR Sotschi 2014
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Winterschwimmen in Argentinien: Ins zu kühle Nass
       
       Während Europäer in der Hitze schwitzen, beginnt in Patagonien die
       Weltcup-Serie im Winterschwimmen – bei einer Wassertemperatur von 3 Grad
       Celsius.
       
   DIR Weltcup der Winterschwimmer: Kaltes, klares Wasser
       
       Die Weltcup-Serie der Winterschwimmer startet in Patagonien, und der
       unerschrockene Münchner Lars Mack gewinnt im nur 2,6 Grad kalten
       Gletscher-See.
       
   DIR Alternativen zur Fußball-WM: Kein Blues
       
       Für Katar-Boykoteur:innen probiert die taz Alternativen aus. Dieses Mal:
       Winterschwimmen im Nordlondoner Park Hampstead Heath.
       
   DIR Die Wochenvorschau für Berlin: Vom Wohnen und Baden im Winter
       
       Alle Weihnachtsbäume fliegen raus. Der Senat lädt zur 1. Berliner
       Strategiekonferenz Wohnungslosenhilfe ein. Und die Berliner Seehunde gehen
       baden – kein Scherz!
       
   DIR Sotschi 2014 – Vermisste Sportarten: Wir wollen auch mitspielen!
       
       Bei den Winterspielen in Sotschi passiert zu wenig. Acht Vorschläge gegen
       zu viel Langeweile im olympischen Programm.
       
   DIR taz-Serie Schneegestöber (12): Baden: "Nichts für Warmduscher!"
       
       Im Orankesee wird das ganze Jahr gebadet. Jetzt ist die Zeit für besonders
       Sportliche.