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       # taz.de -- Regierungskrise in Thüringen: Kampf für neue Stabilität
       
       > Die Linke will Ramelow nur wieder zur Wahl stellen, wenn es verlässliche
       > Zusagen von CDU und FDP gibt. Nächste Woche finden erste Gespräche statt.
       
   IMG Bild: In Thüringen wird es wohl noch einige Sitzungen geben
       
       Berlin taz | Am Montag, nachdem der erste mit Stimmen der AfD ins Amt
       gehievte Ministerpräsident vereidigt und [1][kaum 72 Stunden später wieder
       zurückgetreten] war, erreichte der Wintersturm „Sabine“ auch Erfurt. Es war
       der erste Ferientag im Bundesland, eigentlich sitzungsfreie Zeit. Doch
       passend zur stürmischen Wetterlage ist auch die politische Großwetterlage
       in Thüringen nach wie vor unbeständig. Wie kommen wir wieder zu stabilen
       Verhältnissen? Das ist die Frage, die alle Parteien im Landtag, außer der
       AfD, beschäftigt.
       
       Am Mittwoch hatten AfD, CDU und FDP im Thüringer Landtag den FDP-Politiker
       Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt, um Amtsinhaber Bodo
       Ramelow von der Linkspartei endlich abzuwählen. Das Beben, das auf den
       Dammbruch nach rechts folgte, war gewaltig. Zu den Opfern zählen neben dem
       neuen, nunmehr geschäftsführenden Ministerpräsidenten Kemmerich auch der
       Frontmann der Thüringer CDU, Mike Mohring, und die
       [2][CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer]. Beider
       Parteikarrieren neigen sich dem Ende zu.
       
       Die Thüringer Linke traf sich am Montag erstmals nach der Abwahl Bodo
       Ramelows wieder zur Fraktionssitzung. Für seine Partei gehe es weiterhin
       zunächst darum, erst einmal eine arbeitsfähige Regierung zu bilden, so der
       stellvertretende Parteivorsitzende Steffen Dittes danach zur taz. Wenn
       diese Regierung stehe, dann müsse erstens der Haushalt auf den Weg gebracht
       und parallel dazu müssten Neuwahlen vorbereitet werden.
       
       An Neuwahlen führe, so Dittes, kein Weg vorbei. „Diese Legislatur wird
       definitiv nicht bis 2024 dauern.“ Bis vergangenen Mittwoch habe er
       geglaubt, man könne mit CDU und FDP phasenweise und in der Sache
       zusammenarbeiten. „Doch das setzt Vertrauen voraus. Das ist zerstört“,
       erklärte Dittes.
       
       CDU-Mitglieder fordern Neuwahlen 
       
       Neuwahlen sind gemäß der Landesverfassung jedoch nur noch möglich, wenn der
       Landtag seine Auflösung mit Zweidrittelmehrheit, konkret mit 60 von 90
       Stimmen, beschließt. Doch die designierte rot-rot-grüne Koalition verfügt
       nur über 42 Sitze, die CDU, die zurzeit 21 Mandate hat, sieht angesichts
       miserabler Umfragewerte [3][keine Notwendigkeit für Neuwahlen.]
       
       Doch an der Basis gibt es durchaus einzelne Mitglieder, die sich auch
       öffentlich dafür aussprechen. Der ehemalige Landtagsabgeordnete Wolfgang
       Fiedler erklärte am Montagmorgen im Deutschlandfunk, man müsse jetzt einen
       klaren Schnitt machen.
       
       Auch der Treffurter CDU-Stadtrat Lutz Koscielsky hält Neuwahlen für ein
       schmerzliches, aber notwendiges Übel, um Verantwortung zu übernehmen.
       „Alles andere hätte ein Geschmäckle.“ Koscielsky, erfolgreicher
       Bäckermeister, mahnt zudem, dass seine Partei die Realität endlich
       anerkenne: Man habe die Wahl verloren und 70 Prozent der Thüringer hielten
       Ramelow für einen guten Ministerpräsidenten. Sprich: Es spricht nichts
       dagegen, wenn auch CDU-Abgeordnete für den beliebten Ministerpräsidenten
       stimmen.
       
       Von der Forderung seiner Partei, nun auf einen unabhängigen Kandidaten zu
       setzen, hält Koscielsky nichts. „Ohne Ramelow würden sich die Wähler doch
       verarscht vorkommen.“ Auch die Strategie seiner Partei, den gleichen
       Abstand zu AfD und Linken zu wahren, sei nicht mehr zeitgemäß. „Ich finde
       es schlimm, wenn Ramelow mit Höcke verglichen wird.“ Die CDU müsse sich
       diesem Thema nun offensiv stellen.
       
       Absichtserklärung reicht nicht mehr 
       
       Der Linke Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow, der sich im Spiegel-Interview
       noch beklagte, er sei zum Trottel gemacht worden, könnte sogar gestärkt aus
       dem Sturm hervorgehen. Linke, Grüne und SPD setzen weiterhin auf Ramelow
       als Ministerpräsidentenkandidaten. Die Linke will ihn allerdings nur
       antreten lassen, wenn sie sicher sein kann, dass er im ersten Wahlgang
       gewählt wird.
       
       „Wir werden Bodo Ramelow nicht aufstellen, wenn wir diese Sicherheit nicht
       spüren“, so Dittes. Eine Erklärung der Thüringer CDU-Fraktion vom
       Donnerstag, man werde sich bei der Ministerpräsidentenwahl enthalten,
       reicht demnach nicht mehr aus. „CDU und FDP müssen ausreichend verbindlich
       erklären, dass aus ihren Fraktionen eine stabile Mehrheit sichergestellt
       wird.“
       
       Ob sich beide Parteien darauf einlassen? In der nächsten Woche trifft man
       sich zu Gesprächen: Linke, SPD und Grüne sowie die Viererverhandlungsgruppe
       der CDU aus Mario Voigt, Raymond Walk, Volker Emde und Andreas Bühl. Ob die
       FDP dazustößt, ist noch unklar. Es wären jedenfalls die ersten Gespräche
       auf Parteiebene zwischen den fünf Fraktionen.
       
       CDU und FDP hatten solche bisher ausgeschlossen und erklärt, nur mit
       Ministerpräsident Ramelow persönlich zu verhandeln. Aber der ist ja nun
       nicht mehr im Amt. Ergebnis eines solchen Treffens könnte eine
       Sondersitzung des Landtags noch im Februar sein. Auf dieser würde dann ein
       neuer Ministerpräsident gewählt.
       
       11 Feb 2020
       
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