# taz.de -- Zahlen zur Luftqualität: Weniger Städte über dem Grenzwert
> Freude bei der Umweltministerin: Die Konzentration von Stickoxid und
> Feinstaub nimmt weiter ab. Umweltverbänden reicht das nicht.
IMG Bild: Unveränderte Standorte, niedrigere Werte: Messgerät an einer Straße in Hamburg
Berlin taz | Der Bundesumweltministerin war die Freude anzumerken: „Die
Ergebnisse sind endlich mal erfreulich“, sagte Svenja Schulze (SPD) am
Dienstag, als sie die aktuellen Zahlen zur Luftqualität in Deutschland
vorstellte. Die Werte zeigen tatsächlich in allen Bereichen eine
Verbesserung: Die bisher vorliegenden Daten zeigen, dass der Grenzwert für
das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid (NO2) im vergangenen Jahr
[1][nur noch in 19 Städten überschritten] wurde.
Wenn alle Messstationen ausgewertet sind, dürfte diese Zahl noch auf 25 bis
30 steigen – aber auch das wäre nur etwa halb so viel wie die 57 Städte, in
denen der Grenzwert 2018 überschritten wurde. „Das ist ein beachtlicher
umweltpolitischer Erfolg“, sagte Schulze. Und der sei durch
verkehrspolitische Maßnahmen erreicht worden, nicht etwa durch veränderte
Messstandorte, erklärte die Umweltministerin – ein Seitenhieb auf
CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer, der in der Vergangenheit
[2][gefordert hatte], Schadstoffmessungen in größerer Entfernung zur Straße
vorzunehmen.
Die Überschreitung des EU-Grenzwerts von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter
Luft hat dazu geführt, dass zahlreiche Städte nach Klagen vor allem der
Deutschen Umwelthilfe (DUH) in einzelnen Straßen oder ganzen Zonen
Fahrverbote für ältere Diesel erlassen mussten. Zudem unterstützt der Bund
Kommunen bei der Umrüstung von Bussen und anderen Fahrzeugen. Und: Einzelne
Hersteller spielen bei Fahrzeugen mit überhöhten Stickoxidwerten neue
Software auf.
Alle diese Maßnahmen trugen laut Umweltbundesamt (UBA) aber nur zu einem
geringen Teil zum Rückgang der Stickoxidwerte bei. Den weitaus größten
Einfluss hatte die Erneuerung der Fahrzeugflotte. Denn während Autos mit
der Abgasnorm 6 c, die als Neuwagen noch bis zum vergangenen August
zugelassen werden durften, den Grenzwert von 80 Milligramm NO2 pro
Kilometer in der Realität um das 7-Fache überschritten haben, halten die
neuesten Diesel mit der Abgasnorm 6 d Temp den vorgeschriebenen Wert
tatsächlich ein. „Das zeigt, dass wir schon längst die Grenzwerte in den
Städten hätten einhalten können, wenn bereits ältere Diesel-Pkw sauber
gewesen wären, und zwar nicht auf dem Prüfstand, sondern real auf der
Straße“, kommentierte UBA-Präsident Dirk Messner.
Einen Rückgang gab es auch bei der Konzentration des noch deutlich
gesundheitsschädlicheren Feinstaubs. Hier wurden die geltenden
EU-Grenzwerte erstmals an allen Messstationen eingehalten. Das reiche aber
nicht noch nicht aus, sagte UBA-Chef Messner. Denn die europäischen
Grenzwerte sind doppelt so hoch wie die Empfehlung der
Weltgesundheitsorganisation (WHO). „Um die Gesundheit der Menschen zu
schützen, sollten die Feinstaubgrenzwerte strenger werden“, forderte er.
Würden die WHO-Empfehlungen gelten, würden bei besonders feinen Partikeln
(PM10) die Jahresmittelwerte an mehr als der Hälfte der Messstationen
überschritten.
## Auch der milde Winter half
Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßte den
Rückgang der Schadstoffwerte, sieht darin aber „keinen Grund zum Aufatmen“.
Neben den politischen Maßnahmen habe auch der milde Winter zum Rückgang
beigetragen, sagte VCD-Experte Michael Müller-Gönnert. Vielerorts lägen die
Werte weiter über dem EU-Grenzwert. „Wir brauchen daher dringend Maßnahmen
zur weiteren Reduktion der Schadstoffbelastung“, forderte er.
Der europäische Verband nachhaltiger Verkehrsorganisationen Transport &
Environment wies zudem darauf hin, dass auch neue Diesel Probleme bereiten.
Aktuelle Tests hätten einen [3][hohen Ausstoß von besonders kleinen
Partikeln] ergeben, die in offiziellen Tests bisher nicht gemessen werden.
Zudem gebe es kurzfristig sehr hohe Schadstoffwerte, wenn die Filter
gereinigt werden. Hier müssten die Regeln verschärft werden.
11 Feb 2020
## LINKS
DIR [1] https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/luftqualitaet-2019-no2-rueckgang-setzt-sich-fort
DIR [2] /Messung-von-Luftschadstoffen/!5606223
DIR [3] https://www.transportenvironment.org/news/new-diesel-cars-linked-tiny-cancer-causing-particles-are-invisible-law
## AUTOREN
DIR Malte Kreutzfeldt
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