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       # taz.de -- „Wunderzeiten“ am Schnürschuhtheater: Gott allein ist auch keine Lösung
       
       > Fürs Schnürschuhtheater in Bremen inszeniert Pascal Makowa
       > „Wunderzeiten“. Spielfreude und Regie retten ein sonst eher lahmes
       > Jugendtheaterstück.
       
   IMG Bild: In der Pubertät gibt's noch Wunder: Der 13-Jährige Thomas wird von Engeln besucht
       
       Bremen taz | Zwei Himmelsboten, der eine ist hager und ganz in Schwarz
       gekleidet, der andere trägt Weiß, fahren in den Schrank. Bei Nebel und bunt
       flackerndem Licht stolpern sie daraus hervor ins Teenager-Zimmer: Die
       beiden haben den Auftrag, dem 13-jährigen Thomas eine Engelslizenz zu
       erteilen, was auch immer das sein mag. Der Junge liegt im Bett und schläft.
       
       Mit einer schönen Mischung aus Zauber, Witz und Realität führt das Stück
       „Wunderzeiten“ von [1][Kim Fupz Aakeson] in der Regie von Pascal Makowa
       durch Thomas’ Leben. Mit Komik, die bei dem Premierenpublikum,
       hauptsächlich Siebt- und Achtklässler, gut ankommt, wird dieses fröhlich
       verpackt.
       
       Dabei ist Thomas’ Leben eigentlich nicht besonders lustig, sondern voller
       Probleme: Seine Mutter ist nach dem Tod seines Vaters überfürsorglich und
       nervt, er selbst und sein bester Freund Martin sind in das gleiche Mädchen
       verliebt, Katharina.
       
       Und außerdem hat Lehrer Spitzer in Thomas, „seinem Lieblingsblödmann“, das
       beste Opfer für seine Schikanen gefunden: Er lässt ihn Liegestütze
       verrichten, während er den Jungen Hauptstädte abfragt und ihm dabei einen
       Ball an den Kopf wirft. Holger Spengler in schwarzer Elasthan-Trägerhose,
       bläst in eine knallgelbe Trillerpfeife und macht Spitzer zu einer
       Lehrer-Karrikatur.
       
       ## Der Zauber macht nicht alles besser
       
       In seiner Verzweiflung betet Thomas zu Gott. Und Gott schickt die erwähnten
       Himmelsboten samt Lizenz, die dazu dient, Wünsche zu erfüllen. Nach einigen
       Schwierigkeiten merkt der Junge jedoch, dass sein Leben vorher doch nicht
       so schlecht war. Denn unter dem Zauber tanzt die sonst so verschlossene
       Mutter zu lauter Musik und verwandelt sich zu einer partyverrückten Frau,
       die auch nicht mehr Mama genannt werden will, der beste Freund prügelt sich
       mit dem Schwarm.
       
       Beeindruckend ist, dass die SchauspielerInnen zu dritt mit nichts außer
       einem Schrank aus Pappe, einem Bett und einem Fensterrahmen (Bühnenbild:
       Olaf Kock) einen Raum erzeugen, der das Publikum gefangen hält. Vivienne
       Karow gelingt es, von der nervenden Mutter zur Teenager-Unsicherheit
       Katharinas und dann zur enthemmten 40-jährigen Partymaus zu springen. Auch
       Floriane Eichhorn stellt die Hauptfigur mit viel Elan dar.
       
       Diese Spielfreude rettet auch die Handlung, die nicht besonders interessant
       und manchmal sogar ein wenig peinlich und lahm ist. So ist es ein absolutes
       Teenagerklischee, dass Thomas ständig seine Schambehaarung kontrollieren
       muss. Dies ist bei den ersten beiden Malen lustig, danach aber nicht mehr
       wirklich. Ob es einen 13-jährigen Jungen wirklich so dermaßen beschäftigt,
       dass er weniger Schamhaare als seine Mitschüler hat, ist fragwürdig. Die
       Bearbeitung, mit der das Schnürschuh-Team, das Kosmische und die Magie des
       Stückes betont, macht diese Schwächen aber vergessen.
       
       14 Feb 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marie Happel
       
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