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       # taz.de -- Der Soundkünstler Felix Kubin im Film: Seltsame Kombinationen
       
       > In „Felix in Wonderland“ darf man die wundersame Welt des Felix Kubin
       > ergründen. Am Samstag ist das Filmporträt im Berliner Silent Green zu
       > sehen.
       
   IMG Bild: Experimenten immer aufgeschlossen: Felix Kubin konfrontiert sich mit Kubin
       
       Es geht damit los, dass Felix Kubin einen Hund ein Mikrofon beschnuppern
       und abschlabbern lässt. „Experiment Number One: Feeding a microphone to a
       dog“, kommentiert der Hamburger Künstler und Musiker. Als der Hund, ein
       Golden Retriever, sich daraufhin nicht weiter interessiert zeigt, steckt
       Kubin das Mikrofon wie eine Wurst in ein Brötchen und wirft es dem Tier zum
       Fraß vor. Kubin nimmt die Klänge auf, die nun entstehen: „Was wir gerade
       hören, sind die Beiß- und Leckgeräusche des Hundes“, erklärt er in Richtung
       Kamera.
       
       Dieses und andere Experimente mit dem Mikrofon ziehen sich wie kleine
       Zwischenspiele durch den Dokumentarfilm „Felix in Wonderland“, in dem die
       französische Regisseurin Marie Losier den Sound- und Synthesizer-Weirdo
       Felix Kubin porträtiert.
       
       Die Einschübe erzählen sehr viel über Kubins Herangehensweise an Klang und
       Musik: er ist immer daran interessiert, neue Geräusche zutage zu fördern,
       ob als Field-Recording-Sammler oder als Studiomusiker, der begeistert ist
       von den schier unendlichen Möglichkeiten der Synthesizer – und das schon
       seit Schulzeiten: „Als ich entdeckte, dass ich mit Synthesizern alles
       machen konnte, Helikopter-Geräusche, Explosionen oder verrückte
       Sci-Fi-Sounds, erzählte ich Mitschülern davon. Sie konnten es nicht
       wirklich verstehen. Also blieb ich alleine mit der Schönheit der Geräte“,
       sagt er im Film über seine Anfänge.
       
       ## Ein wandelndes Gesamtkunstwerk
       
       Felix Kubin, 1969 als Felix Knoth in Hamburg geboren, ist einer der großen
       [1][Unterschätzten der Experimentalmusik]; in Deutschland ist sein Name bis
       heute nur Eingeweihten ein Begriff. Dabei begann er schon im Alter von 12
       Jahren Musik aufzunehmen (nachzuhören auf der bei A-Musik erschienenen
       Kompilation „The Tetchy Teenage Tapes of Felix Kubin 1981-85“), und von
       1982 an spielte er in der Synthpunk-Combo Die Egozentrischen 2. In den
       Neunzigern machte Kubin elektroakustische Musik mit dem Duo Klangkrieg und
       tobte sich dadamäßig bei der Liedertafel Margot Honecker aus. Zudem hat er
       Film- und Theatermusiken gemacht und viele Hörspiele produziert, die leider
       viel zu oft im Nachtprogramm der Öffentlich-Rechtlichen untergingen.
       
       Höchste Zeit, dass sich jemand dieses wandelnden Gesamtkunstwerks filmisch
       annimmt – und dass dies die in New York lebende Filmemacherin Marie Losier
       tut, ist umso besser. Denn sie hat zweifelsohne einen Zugang zu dieser Art
       von Subkultur, so hat sie unter anderem den Film „The Ballad of Genesis and
       Lady Jaye“ (2011) über Genesis P-Orridge und Lady Jaye (Psychic TV) sowie
       Kurzfilme mit und über Alan Vega und [2][Tony Conrad gedreht].
       
       In „Felix in Wonderland“ versucht Losier die wundersame Welt des Felix
       Kubin zu ergründen, und dies gelingt ihr recht gut. Sie spricht mit Kubin
       in dessen Heimstudio, wo er – adrett gekleidet in blauem Hemd und mit roter
       Krawatte – vor einer Armada von Synthesizern über seine Musik referiert.
       Sie begleitet ihn bei der Arbeit für die Großproduktion „Falling Still“,
       die er beim Musikfest Hamburg 2016 auf die Bühne bringt. Mit dabei: das
       Ensemble Resonanz, ein Jungenchor, sein Bruder Max Knoth als Dirigent und
       seine Tochter am Synthesizer.
       
       Losier zeigt zudem Archivaufnahmen der Egozentrischen 2, in denen man diese
       geniale Teenage-Sensation aus den frühen Achtzigern wiederentdecken kann.
       Und sie dreht gemeinsam mit Kubin surreale Sequenzen, bei denen dieser
       einen Uhu in freier Natur auf seinen Synthesizer setzt oder sich selbst als
       Arzt am Operationstisch Gedärm und Innereien entnimmt. Auch das
       blutverschmierte Zeug, was er da rauszieht, macht natürlich Geräusche.
       
       Und fortgeführt werden eben auch die Mikrofon-Experimente, Kubin taucht
       einmal seinen Kopf in eine Badewanne und nimmt die Geräusche mit
       Unterwassermikrofonen auf, und er testet schließlich, wie es klingt, wenn
       man das Mikrofon mit Benzin übergießt und anzündet (ziemlich interessant
       nämlich). Dass „Felix in Wonderland“ mit seinen knapp 50 Minuten keine
       vollständige Biografie Kubins sein kann, ist klar. Aber dieser Film macht
       große Lust, sich mit dem Werk des Geräuschexperimentators in aller
       gebotenen Tiefe auseinanderzusetzen.
       
       14 Feb 2020
       
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       ## AUTOREN
       
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