URI: 
       # taz.de -- Debütalbum des Chemnitzer Trios Blond: Blutrünstig für den Moshpit
       
       > Hier performen die Künstler:innen noch selbst: Das Poptrio Blond
       > veröffentlicht sein Debütalbum „Martini Sprite“ und geht auf Tour.
       
   IMG Bild: Die Zukunft ist Blond: Nina Kummer, Johann Bonitz, Lotta Kummer
       
       Die drei Musiker:innen der Band Blond sitzen an einem dunklen Winterabend
       im Atomino. Auf den abgerockten Sofas des [1][Chemnitzer] Clubs dauert es
       nicht lange, bis das Gespräch um das Thema Menstruation geht. „Die Periode
       ist ein Thema, das mehr Platz einnimmt, als man denkt“, sagt Nina Kummer.
       „Ich rege mich oft drüber auf, dass ich deshalb irgendwas nicht machen
       kann.“
       
       Also hat die Sängerin und Gitarristin von Blond einen Song über diesen
       Missstand komponiert. „Es könnte grad nicht schöner sein“ heißt er und
       erzählt von perfekten Lebenssituationen, in denen dann blöderweise die Tage
       „reinkicken“.
       
       Er ist einer von mehreren Songs auf dem heute erscheinenden
       Blond-Debütalbum „Martini Sprite“, der sich mit feministischen Themen
       auseinandersetzt. Dies kleidet die Band nicht in hartes Sloganeering,
       sondern in subtile Texte. Gleich die erste Single „Thorsten“ rechnet ganz
       schnöde mit Mackertum im Musikbiz ab und gibt genüsslich dumme Sprüche von
       Männern wieder: Wie den, dass man das für eine Musikerin ja ganz gut
       hinbekommen hätte, aber das Kleid vielleicht etwas zu kurz geraten sei.
       
       Der Song „Sie“ wiederum beginnt mit der aufregend klingenden Zeile „Mein
       Herz macht Boom-Boom“, beschreibt aber Angst, die fast jede Frau hat, die
       nachts allein auf der Straße unterwegs ist. Sie hält den Hausschlüssel zur
       Notwehr in der Faust sicherheitshalber schon mal griffbereit. „Wir kennen
       eigentlich gar keine Frau, der noch nie irgendwas passiert ist“, sagt
       Schlagzeugerin Lotta Kummer.
       
       ## Upliftende Popsongs
       
       „Ein blödes Ereignis kann dazu führen, dass ich mein Leben lang ängstlich
       bin“, fügt Nina Kummer an. „Da ist ein großes Stück Freiheit weg.“ Trotz
       harter Themen klingt die Musik auf „Martini Sprite“ weder aggressiv noch
       traurig – ganz im Gegenteil. Das Debüt der Chemnitzer, zu der neben den
       beiden Schwestern auch Keyboarder und Bassist Johann Bonitz gehört, ist ein
       upliftendes Werk.
       
       Die Band selbst ordnet es dem Genre [2][Las-Vegas-Glamour] zu, obwohl
       keiner der drei jemals in der US-Wüstenstadt war. Dennoch spiegelt ihre
       Musik den Wahnsinn einer 24-Stunden-Casinowelt, in der es in einer Nacht
       möglich ist, Millionär zu werden und alles zu verzocken, gut wieder. Man
       sieht quasi das permanente Blinken der Leuchtreklamen, die mitten in der
       Wüste auf Hochhäusern stehen, vor sich. Blond garnieren ihre Songs mit
       rockigen Gitarrenhooks und bittersüßen Melodien.
       
       Liebeslieder findet sich keine – zumindest keine besonders romantischen.
       „Es wurden schon genug Songs über klassische Liebesbeziehungen
       geschrieben“, findet Nina. In „Nah bei dir“ heißt es im Refrain zwar, dass
       der Angesprochene alles ist, was die Sängerin will. Doch um ihn zu kriegen,
       stalkt sie ihn bis zum Konkurrentinnen-Mord. „Match“ dagegen beschreibt die
       unerfüllte Sehnsucht nach Zweisamkeit, die aber nicht so groß ist, als dass
       man nicht auch allein und mit seinen Freunden Spaß haben könnte, wenn man
       sich halt nicht verliebt.
       
       ## Nicht unterkriegen lassen
       
       Humor ist ein verlässlicher Begleiter auf „Martini Sprite“ (das nach einem
       Mixgetränk benannt wurde, welches die Band tatsächlich gerne trinkt). Die
       Songs sprühen vor Esprit, und die Beobachtungen aus dem Alltag junger
       Frauen, die sich trotz aller Unbill nicht unterkriegen lassen, sind sehr
       genau. „Wir haben noch nie etwas nicht gemacht, weil wir davor Angst
       hatten“, sagt Nina Kummer über die Bandgeschichte, die anfangs reichlich
       unglamouröse Momente hatte. In dem Refrain „mit Schlafsack im
       Backstagebereich“ wird sie lakonisch und dadurch sehr passend beschrieben.
       „Wir haben immer alles in die Welt geballert und geschaut, was zurückkam“,
       beschreibt Lotta dieses Konzept.
       
       Begonnen haben die heute Anfang 20-Jährigen im Kinderzimmer. Die Frage der
       Eltern lautete nicht, ob sie ein Instrument spielen wollten, sondern
       welches. Nina Kummer entschied sich für Gitarre, und weil zwei Gitarren
       langweilig sind, wählte Lotta Kummer das Schlagzeug. Johann Bonitz lernte
       Klavier und kam immer zu Besuch. Ihr erster gemeinsamer Auftritt: Johanns
       Jugendweihe, danach der Geburtstag einer Oma.
       
       Doch schnell landeten sie im Atomino, wo öfters Covernächte namens „Mania“
       steigen, in denen Bands jeweils Songs von anderen spielen müssen. „Wir
       wurden immer unterstützt“, betont Lotta Kummer. [3][Von den eigenen
       Brüdern], die mit ihrer Band [4][Kraftklub] längst berühmt sind, von den
       Eltern, die sie zu Konzerten fuhren, als sie selbst noch zu jung waren, und
       von der Chemnitzer Subkulturszene, die ihnen Übungsräume und
       Produktionsmittel für Musikvideos zur Verfügung stellte.
       
       „In Berlin würde das alles so gar nicht funktionieren“, sagt Nina Kummer.
       Obwohl Chemnitz dank Kraftklub und Trettmann inzwischen auch auf der
       musikalischen Landkarte verzeichnet ist, sei die sächsische
       Universitätsstadt noch nicht übersättigt, viele Leuten hätten Bock, was zu
       machen. „Ich finde Chemnitz auch nicht scheiße“, sagt Johann.
       
       ## Jede Menge Gimmicks
       
       Dass der Bassist blind ist, bremst die Band keineswegs. „Mein Part ist vor
       allem der musikalische, das Optische liegt mir nicht so“, witzelt er. „Er
       vertraut uns“, sagt Nina Kummer. Das wird auch bei den Konzerten deutlich,
       die die Bezeichnung Show auch tatsächlich verdienen, schließlich beinhalten
       sie nicht nur Musik, sondern auch jede Menge Gimmicks, sogar Zaubertricks.
       „Wir mögen gute Unterhaltung“, erklärt Nina. Und Lotta betont: „Es ist
       immer gut, wenn man zu groß denkt.“
       
       Und so werden Blond auf Tour von 16 Leuten begleitet, inklusive Chor,
       Tänzer:innen und einer Person, die beim Umziehen hilft. Inspiration für
       ihre Bühnenshow ziehen sie aus Events wie der Halbzeitpause des US-„Super
       Bowl“, die Blond für ihre Bühnendarbietung im DiY-Stil umsetzen. Dass ein
       Konzert nicht einfach nur Konzert ist, sondern auch Kunstperformance, haben
       Blond von Peaches gelernt, bei der die Chemnitzer mal im Vorprogramm
       spielten.
       
       Prägend war auch die Inszenierung von Sängerin [5][Beth Ditto] und ihrer
       Band Gossip. Inzwischen sind Blond selbst Role Models geworden. „Mein
       Schlagzeuglehrer hat mir erzählt, dass junge Mädchen wegen mir mit
       Schlagzeug anfangen“, sagt Lotta und freut sich sehr darüber.Wenn sie bei
       Konzerten „Es könnte grad nicht schöner sein“ anstimmen, hoffen Blond
       übrigens darauf, dass sich ein Moshpit bildet und alle im Publikum „Bloody
       storm in my uterus“ mitgrölen. Frauen und Männer.
       
       31 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kulturszene-in-Chemnitz/!5619232
   DIR [2] /Zweites-Album-von-Glasvegas/!5123729
   DIR [3] /Soloalbum-des-Kraftklub-Saengers/!5637434
   DIR [4] /Kraftklubs-Debuetalbum---mit-K/!5102105
   DIR [5] /Beth-Ditto-in-Berlin/!5449736
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Juliane Streich
       
       ## TAGS
       
   DIR Blond
   DIR Chemnitz
   DIR Las Vegas
   DIR Blond
   DIR Kraftklub
   DIR HipHop
   DIR Arbeit
   DIR Queer
   DIR Schwerpunkt Landtagswahlen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neues Album der Chemnitzer Band Blond: Schnörkellose Klatsche
       
       Das zweite Album des sächsischen Poptrios Blond liefert der
       männerzentrierten Musikindustrie tolle Ohrwürmer. Die knackigen Beats
       braucht man dringend.
       
   DIR Neues Album von Kraftklub: Aufbruchstimmung allerorten
       
       Das Quintett Kraftklub meldet sich mit dem Album „Kargo“ zurück. Wieder
       gebührt dem hassgeliebten Chemnitz eine tragende Rolle in den Songtexten.
       
   DIR HipHop-Label von und für Frauen: Mehr Flair, weniger Slot
       
       Lina Burghausen leitet 365XX, das erste HipHop-Label, das ausschließlich
       Künstlerinnen herausbringt. Das Debüt von Die P klingt vielversprechend.
       
   DIR Debütalbum von Die Arbeit: Orientierung gesucht
       
       Grober Klotz: „Material“, das Debütalbum der jungen Dresdner
       Post-Punk-Noiseniks Die Arbeit, besticht durch Stilwillen und Textdetails.
       
   DIR Queer-Punk in Berlin: Halbnackte Gegenbilder zum Modell
       
       Feier der Libertinage: Peaches in der Volksbühne. Der Auftritt der
       kanadischen Sängerin ist eine hübsch-angriffslustige Kampfansage an die
       Rechten.
       
   DIR Kulturszene in Chemnitz: Keine politische Streitkultur mehr
       
       Die Wirtschaft wird’s richten, der Feind steht links. Die Probleme in
       Sachsen haben mit der CDU zu tun, sagen Chemnitzer Musiker und
       KünstlerInnen.
       
   DIR Zweites Album von Glasvegas: Himmelhoch jauchzend, aye
       
       Der schottische Musiker James Allan und seine Band Glasvegas inszenieren
       auf ihrem zweiten Album "Euphoric // Heartbreak //" radiotauglichen
       Gitarrenbombast.