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       # taz.de -- Demo gegen Münchner Sicherheitskonferenz: Diesmal auch für das Klima
       
       > Mehrere tausend Menschen demonstrierten in Bayerns Landeshauptstadt gegen
       > die „Kriegstreiberkonferenz“ – und gegen Umweltzerstörung.
       
   IMG Bild: Junge Leute waren auf der Demo doch eher die Ausnahme
       
       München taz | [1][Die einen tagen drinnen], die anderen demonstrieren
       draußen – und wollen mit ihrem Protest die Veranstaltung „umzingeln“, wie
       es im Aufruf der Organisatoren heißt. Das ist seit vielen Jahren die
       Aufstellung bei [2][der Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo)]. Und so ist
       es auch an diesem Samstag. Mehrere tausend Teilnehmer verschiedenster
       linker und Friedensgruppen sind gekommen, um ihre Ablehnung über das
       traditionell als „Kriegstreiberkonferenz“ bezeichnete Treffen im
       Bayerischen Hof kund zu tun.
       
       Bei der Demo-Sammlung am Mittag am Stachus haut der Aktivist Wolfgang
       Blaschka schon ordentlich rein und bezeichnet die Konferenz als
       „Versammlung von Mördern, die ins Gefängnis gehören“. Die Band „Ruam“ –
       oberpfälzisch für Rüben – spielt den Friedensbewegungs-Klassiker „Was
       wollen wir trinken?“ von den Bots und ein neueres Lied zum Mitzählen:
       „Eins, zwei, drei – raus aus Afghanistan“
       
       Das Motto der samstäglichen Demo klingt neu: „Alles muss sich ändern – Nein
       zu Krieg und Umweltzerstörung“. Im Zeichen der weltweiten Klimaproteste
       haben die Organisatoren vom Aktionsbündnis gegen die
       Nato-„Sicherheits„konferenz die Veranstaltung um den Aspekt des
       Umweltschutzes erweitert. So sagt Matthias Gast vom Münchner
       Friedensbündnis: „Über Umweltzerstörung und Klimawandel muss man sprechen,
       aber man darf Krieg und Militarismus nicht vergessen.“
       
       Schon am Vorabend, am Freitag, hatten geschätzte 500 bis 800 Menschen von
       Klima- und Flüchtlingsgruppen wie „Ende Gelände“ und „Seebrücke München“
       demonstriert. Nachdem dort Pyrotechnik abgebrannt wurde, kürzten die
       Versammlungsleiter die Route des Zuges ab. Nicht wenige der vorabendlichen
       Demonstranten sind auch am Samstag wieder dabei.
       
       ## Verhinderte Selbstverbrennung
       
       Den klassischen Themen des Protestes gegen die Sicherheitskonferenz widmet
       sich auf der Auftaktkundgebung am Samstagmittag die Rednerin Andrea: „Die
       Nato rüstet weiter auf.“ Sie klagt an: „Deutschland steht wieder an der
       Grenze zu Russland.“ Und weiter: „Die Volksrepublik China und Russland
       werden von der Nato provokativ eingekreist.“ Dieser Plan werde – Andrea
       deutet in Richtung des Bayerischen Hofes – „dort drüben weitergestrickt“.
       Ihr Nachname bleibt unbekannt, auf Nachfrage sagt sie: „Ich arbeite im
       öffentlichen Dienst, und das in Bayern.“
       
       Von dem dramatischen Zwischenfall, der sich am Rande der Auftaktkundgebung
       ereignet, bekommt sie wie so viele andere Demonstranten nichts mit: Ein in
       München lebender Iraker überschüttet sich am Rande der Versammlung mit
       Benzin. Glücklicherweise entdecken Polizisten den Mann mit dem Feuerzeug in
       der Hand gerade noch rechtzeitig.
       
       Der 50-jährige Mann muss allerdings aufgrund der inhalierten Benzoldämpfe
       medizinisch versorgt werden. Anschließend wird er in polizeiliches
       Gewahrsam genommen und in einer psychatrischen Einrichtung untergebracht.
       Am Abend wird das Münchner Polizeipräsidium mitteilen, dass Motiv könnte
       gewesen sein, „dass er mit dem Selbstverbrennungsversuch auf seine
       persönliche Situation in Bezug auf sein Heimatland hinweisen wollte“. Die
       Ermittlungen würden aber noch laufen.
       
       ## Diesmal ohne Friedenskonferenz
       
       Neben dem Umweltthema ist für das Aktionsbündnis in diesem Jahr auch neu,
       dass die geplante „Münchner Friedenskonferenz“ geplatzt ist. Diese
       Veranstaltung im Alten Rathaus und im DGB-Haus bot bisher oftmals
       hochkarätigen Referenten die Möglichkeit, parallel zur SiKo außenpolitische
       Alternativen aufzuzeigen. Doch es kam zum Streit zwischen der Stadt, die
       das Alte Rathaus zur Verfügung stellt, und den Veranstaltern.
       
       Der Grund: Die Stadt wollte den langjährigen CSU- und seit kurzem
       SPD-Stadtrat Marian Offman für das Grußwort entsenden, [3][der passte dem
       Organisator Thomas Rödl jedoch nicht]. Offman, der einzige Stadtrat
       jüdischen Glauben, witterte Antisemitismus. [4][Die Organisatoren sagten
       dann alles ab.]
       
       Claus Schreer, 81 Jahre alt, ist [5][ein Urgestein des Münchner
       Anti-Siko-Protests]. Auf die Konferenz-Turbulenzen angesprochen, gibt er
       sich wortkarg: „Damit haben wir nichts zu tun.“ Das Aktionsbündnis
       allerdings hat eine Erklärung verfasst, worin die Friedenskonferenz
       unterstützt wird. Darin heißt es, Offman vertrete bei den Themen „Militär,
       Rüstung und Atomwaffen Positionen, die völlig konträr zum Konferenzprogramm
       stehen“.
       
       ## In die Jahre gekommen
       
       Zu den größeren Unterstützern der Demonstration gehören der Landes- und der
       Stadtverband der bayerischen Linkspartei, die Gewerkschaften Verdi und GEW,
       die Deutsche Friedensgesellschaft DFG-VK oder Pax Christi aus dem
       katholischen Bereich. Kommunisten von DKP und SDAJ sind – wie immer – auch
       mit dabei. Exotische Gruppierungen wie etwa die MLPD sind auch gekommen.
       
       Bei so vielfältigen Teilnehmern kann es durchaus zu inhaltlichen
       Gegensätzen kommen. „Hände weg vom Iran“ verlangen etwa die einen,
       Exil-Iraner hingegen fordern den Sturz des Mullah-Regimes und
       Gerichtsprozesse gegen die jetzige Machtelite.
       
       Die Abschlusskundgebung findet am Nachmittag auf dem Marienplatz statt. Auf
       dem weitläufigen Gelände wird deutlich, dass bei der Teilnehmerzahl Luft
       nach oben ist. Die Organisatoren sprechen von 5.600 Demonstranten, die
       Polizei von 3.000. Das entspricht den Zahlen der letzten Jahre.
       
       Ohne den Protestlern zu nahe zu treten: graue Haare und graue Bärte
       dominieren. Viele, die hier demonstrieren, waren bei den Kundgebungen der
       Friedensbewegung Anfang der 1980er-Jahre junge Menschen. Claus Schreer
       kommt ans Mikrofon, geißelt den „Aufrüstungswahnsinn“, will die Bundeswehr
       sofort abschaffen sowie obendrein alle US- und Nato-Stützpunkte schließen.
       Von der Bühne blickt er auf die Menge und ruft: „Wir sind ganz viele.“
       
       Die Münchner Polizei resümiert am Abend, der Verlauf der Veranstaltung
       könne „als friedlich und störungsfrei bezeichnet werden“.
       
       Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Textes war Matthias
       Gast dem „Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus“ zugeordnet worden.
       Gast ist allerdings Mitglied im Münchner Friedensbündnis. Wir haben den
       Fehler korrigiert.
       
       16 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Patrick Guyton
       
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