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       # taz.de -- Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: „Das wird uns weiter beschäftigen“
       
       > Der innenpolitische Sprecher der Linken, Niklas Schrader, zum
       > Zwischenbericht der Sonderkommission „Fokus“: Durchbruch bisher nicht
       > gelungen.
       
   IMG Bild: Niklas Schrader bei einer Plenarsitzung
       
       taz: Herr Schrader, die vom Innensenator eingesetzte
       Sonderermittlungsgruppe „Fokus“ hat ihren Zwischenbericht vorgelegt. Es
       geht um die rechtsextremistisch motivierte Anschlagsserie in Neukölln, die
       nach wie vor nicht aufgeklärt ist. Wie beurteilen Sie den Bericht?
       
       Niklas Schrader: Ich muss vorausschicken, dass der Bericht als geheim, also
       vertraulich, eingestuft ist. Deswegen kann ich über genaue Inhalte keine
       Angaben machen. Wir Abgeordnete konnten ihn auch nur im Geheimschutzraum
       lesen. Auch bei der Sitzung des Innenausschusses am Montag werden wir über
       die Einzelheiten nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit sprechen können.
       
       Hat der Bericht für Sie neue Erkenntnisse offenbart? 
       
       Die „Fokus“-Ermittler haben großen Aufwand betrieben, um die Daten und
       Informationen auszuwerten, die die Polizei im Laufe der mehrjährigen
       Ermittlungen gesammelt hat. Der Durchbruch ist bisher nicht gelungen, aber
       die Arbeit der Sonderkommission ist auch noch nicht am Ende. Es sind auch
       noch nicht alle Beweismittel ausgewertet worden.
       
       Es gibt zwei Hauptverdächtige, das ist bekannt. Bei dem einen, dem Neonazi
       Sebastian T., ist eine sogenannte Feindesliste auf dem Computer gefunden
       worden. Weitere beschlagnahmte Datensätze sind noch nicht decodiert. Meinen
       Sie das? 
       
       Genau. Es könnte sein, dass da neue Beweise gefunden werden.
       
       Gibt es für Sie gänzlich neue Erkenntnisse? 
       
       Wirklich bahnbrechende Informationen über die Taten und die Tatverdächtigen
       gibt es nicht. Aber natürlich ist in den Berichten einiges ausgebreitet,
       über die Vorgehensweise der Ermittler und wie die vorliegenden
       Informationen ausgewertet wurden.
       
       Sind die Informationen brisant genug, um eine Geheimhaltung zu
       rechtfertigen? 
       
       Ich kann die Geheimhaltung nachvollziehen, solange es sich um laufende
       Ermittlungen und Ermittlungsmethoden handelt. Sonst könnten sich die
       Tatverdächtigen ja auf bestimmte Ermittlungsschritte vorbereiten. Aber ein
       Teil des Berichtes sollte öffentlich gemacht werden. Meine Fraktion wird
       bei der Sitzung des Innenausschusses am Montag darauf drängen.
       
       Wie soll das gehen? 
       
       Wir müssen das nach dem Prinzip machen: so viel wie möglich öffentlich,
       ohne dabei Ermittlungen und Ermittlungsmethoden zu gefährden, so wenig wie
       nötig geheim. Die Öffentlichkeit, insbesondere die Betroffenen haben darauf
       einen Anspruch. Es ist ja auch ein großes Misstrauen gegen die Polizei
       entstanden.
       
       Innensenator Andreas Geisel hat angekündigt, dass es eine öffentliche
       Zusammenfassung des Berichts geben wird. 
       
       Es gibt noch mehr Dinge, über die wir öffentlich sprechen können. Die
       rechtsextremistischen Einstellungen bei der Polizei sind in dem
       Zusammenhang ein wichtiges Thema.
       
       Es gibt neue Zahlen. 2019 hat die Polizei 17 Disziplinarverfahren gegen
       Beamte wegen möglicher rechtsextrem motivierter Taten eingeleitet. 
       
       Ich kenne diese Zahlen nur aus den Medien. Es ist gut, dass
       Polizeipräsidentin Slowik diese Erhebung eingeführt hat. Davor hatten wir
       überhaupt keinen Überblick. Das genauer zu untersuchen könnte Aufgabe des
       künftigen Polizeibeauftragten sein. Denkbar wäre eine unabhängige
       Untersuchung über Einstellungen in der Polizei durchzuführen.
       
       Wo ist der Unterschied zur Gesinnungsschnüffelei? 
       
       Das wäre, wenn man den Leuten hinterher spioniert. Man müsste das
       wissenschaftlich machen, in Form einer freiwilligen Befragung innerhalb der
       Polizei.
       
       Bei der Anschlagsserie in Neukölln gibt es den Verdacht, dass Polizeibeamte
       durch Kontakt zu Neonazis die Ermittlungen behindert haben. Gibt es dazu
       Erkenntnisse? 
       
       Nein, auch dieses Thema wird uns weiter beschäftigen. Das bedarf
       weitergehender Untersuchungen. Das gilt auch für die Frage, ob Dinge aus
       dem Polizeiapparat nach außen dringen, die nicht nach außen dringen
       durften. Dafür gibt es keine direkten Beweise, aber der Verdacht liegt
       nahe. Auch die Behinderung polizeilicher Arbeit durch den Verfassungsschutz
       gehört aufgeklärt und abgestellt.
       
       16 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Plutonia Plarre
       
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