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       # taz.de -- Corona in Berlin?: Bisher steckt nur die Angst an
       
       > [Update] Bislang gibt es in Berlin keine Corona-Infektion. Doch das Thema
       > beschäftigt Behörden und Politik. Die ITB wurde jetzt abgesagt.
       
   IMG Bild: Darstellung des Coronavirus bei einer Pressekonferenz
       
       [Update 28.02., 23:00] Die Messe Berlin GmbH hat wegen des Coronavirus die
       Internationale Tourismus-Börse (ITB) am Freitagabend „schweren Herzens“
       abgesagt. Die behördlichen Auflagen seien verschärft worden und so nicht
       umsetzbar, hieß es zur Begründung. „Wir nehmen unsere Verantwortung für die
       Gesundheit und die Sicherheit unserer Gäste, Aussteller und Mitarbeiter
       sehr ernst“, teilte Messechef Christian Göke mit. 
       
       Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nannte die Absage auf Twitter
       eine „richtige Entscheidung Berlins“. Die ITB – das „größte Reisebüro der
       Welt“ – sollte am kommenden Mittwoch beginnen. An den fünf Messetagen mit
       rund 10.000 Ausstellern kamen zuletzt bis zu 160.000 Besucher. 
       
       Killt das Coronavirus die ITB? Am Freitag wurde über eine Absage der
       Internationalen Tourismusbörse diskutiert, die vom 4. bis 8. März unterm
       Funkturm stattfinden soll. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte
       sich bereits am Donnerstag für eine Absage der Messe mit rund 10.000
       Ausstellern ausgesprochen. Die Messe Berlin GmbH teilte mit, sie werde bis
       zum Abend eine Entscheidung treffen. Das Bezirksamt schloss dagegen vorerst
       aus, die ITB zu untersagen.
       
       Wie der Gesundheitsstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Detlef Wagner
       (CDU), der taz bestätigte, hätte das bezirkliche Gesundheitsamt die
       Autorität, die ITB zu canceln – wenn es die Gefahrenlage so einschätze.
       Erst wenn das Land den Katastrophenfall ausriefe, ginge die Befugnis auf
       den Senat über. Eine Entscheidung gegen die Messe sei zurzeit aber vor dem
       Hintergrund ständiger Rücksprachen mit der Bezirks-Amtsärztin nicht nötig,
       so Wagner.
       
       „Die größte Messe Berlins findet doch jeden Tag statt, wenn Millionen mit
       dem ÖPNV fahren“, lautet Wagners Einschätzung. „Da gibt es keine
       Fragebögen, wer sich im Risikogebiet aufgehalten hat, keine
       Handdesinfektion, nichts – aber all das gibt es auf der Messe.“ Trotzdem
       beobachte man die Entwicklung genau. Wie alle Bezirke habe auch
       Charlottenburg-Wilmersdorf einen Pandemieplan, der in den vergangenen
       Jahren regelmäßig aktualisiert worden sei.
       
       Zuletzt hatte die Messe Berlin die Bedingungen für Aussteller verschärft:
       Am Mittwoch teilte das Unternehmen mit, Aussteller, die sich in den
       vergangenen 14 Tagen in Risikogebieten aufgehalten oder Kontakt zu
       Infizierten gehabt hätten, erhielten keinen Zutritt.
       
       ## „Häusliche Isolation“ hat Rechtsgrundlage
       
       Derweil bestätigte die Senatsgesundheitsverwaltung der taz, dass Personen,
       bei denen der Verdacht auf Infektion bestehe, von den Behörden unter
       „häusliche Isolation“ gestellt werden können. Die werde vom Amtsarzt nach
       Infektionsschutzgesetz angeordnet und „bedeutet, dass Betroffene ihre
       Wohnung nicht verlassen dürfen“, teilte die Pressesprecherin von Senatorin
       Dilek Kalayci (SPD) mit.
       
       Konkret heiße das: Während das Gesundheitsamt mit isolierten Personen
       „täglich“ in Kontakt trete, um den Gesundheitszustand zu beobachten,
       sollten diese selbst die Begegnung mit anderen Personen meiden. Empfohlen
       werde, dass Bekannte Besorgungen übernähmen und diese vor der Wohnungstür
       abstellten. „Sind nach einer Quarantäne von 14 Tagen die Ergebnisse
       negativ, wird die häusliche Isolation beendet“, so die Sprecherin.
       
       Auch Stadtrat Wagner bestätigt, dass in solchen Fällen der Amtsarzt die
       Bewegungsfreiheit von Menschen einschränken dürfe, notfalls unter
       polizeilichem Zwang. Was ungewohnt klingt, hat eine klare Rechtsgrundlage
       im Bundes-Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zur „Beobachtung“ von „Kranken,
       Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern“ heißt es
       da in § 29: „Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit
       der Person und der Unverletzlichkeit der Wohnung werden insoweit
       eingeschränkt.“
       
       Ob es so weit überhaupt kommt, ist offen. Der gesundheitspolitische
       Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Wolfgang Albers, warnte am
       Freitag nachdrücklich vor „Alarmismus“. Er selbst habe Hamsterkäufe
       beobachtet, Anlass dazu gebe es nicht. Leider heizten die Medien die
       Stimmung an, so der Politiker, der selbst Arzt ist, zur taz. Er befürchte,
       dass die Verwaltung sich vom grassierenden Aktionismus anstecken lasse.
       
       Sollte die ITB tatsächlich abgesagt werden, wäre das Albers zufolge nicht
       objektiven Gründen, sondern der öffentlichen Diskussion geschuldet. „Aber
       da hätten wir auch die Berlinale absagen müssen, und es dürfte kein
       Hertha-Spiel und kein Gottesdienst mehr stattfinden.“ Für ihn eine absurde
       Vorstellung, denn: „Wir haben es mit einer Erkrankung zu tun, die in etwa
       dem Schweregrad der Grippe entspricht.“ Er wolle das „nicht verniedlichen“,
       eine Sterberate von 2 oder 3 Prozent sei bedauerlich, aber kein Grund zur
       Panik.
       
       „Auch wenn das wie eine Phrase klingt: Berlin ist gut vorbereitet“, so
       Albers. Seit Jahren fänden Katastrophenübungen statt, „das ist alles
       eingeübt“. Natürlich stünden etwa Notbetten nicht in unbegrenztem Maße zur
       Verfügung. Völlig falsch sei aber, „über das Abriegeln von Stadtteilen zu
       spekulieren“, wie es Innensenator Andreas Geisel (SPD) zuletzt getan habe.
       
       28 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
   DIR Plutonia Plarre
       
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