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       # taz.de -- Zwangsräumung in Wedding: Eine Frage der Moral
       
       > Lange Zeit drohte Mieter Daniel Z. die Zwangsräumung. Jetzt musste er
       > seine Wohnung nach 36 Jahren verlassen. Proteste am sehr frühen Morgen.
       
   IMG Bild: Protestmarsch nach der erfolgten Zwangsräumung in Wedding
       
       Mittwochmorgen um sechs in Wedding: An der Ecke Transvaal-/Guineastraße
       versammeln sich einige Dutzend aufgebrachte Menschen, sie tragen
       Stoppschilder und Banner mit der Aufschrift „Hände weg von Daniel!“. Für
       6.30 Uhr ist die Gerichtsvollzieherin angekündigt, um die Zwangsräumung der
       Wohnung von Daniel Z. zu vollziehen. Aktivist*innen vom Bündnis
       Zwangsräumung Verhindern und der Stadtteilinitiative „Hände weg vom
       Wedding“ (HwvW) haben zur Soli-Demo aufgerufen.
       
       Seit 36 Jahren wohnt Z. in der Transvaalstraße 20, ihm zufolge hat
       Eigentümer Dietrich Zunker die Wohnung verkommen lassen. Die Öfen habe er
       selbst repariert. Als er erfuhr, dass sein Wasser noch durch Bleirohre
       fließt, habe er die Miete gemindert – und wurde gekündigt. Daniel Z. kämpft
       mit den Folgen einer Krebserkrankung und hat erhebliche psychische
       Probleme. „Wohnungsangst macht krank“, sagt ein Aktivist. Z. selbst fühlt
       sich durch die unsichere Wohnsituation „in die psychische Krankheit
       gedrängt“.
       
       Der letzte Zwangsräumungstermin im Oktober war aufgrund eines
       Gesundheitsgutachtens im letzten Moment verhindert worden. Jetzt wurde
       keine Rücksicht mehr auf Z.s Gesundheitszustand genommen. Grund dafür sei,
       dass sein Anwalt das sozialmedizinische Gutachten vom Amtsarzt nicht
       rechtzeitig eingereicht habe – sagt Z.
       
       ## Demonstrant*innen sind empört
       
       Um 6.40 Uhr die Nachricht: Es wird tatsächlich geräumt. Man kläre nur noch,
       was Z. mitnehmen könne, bevor er als Zwischenlösung in eine Notunterkunft
       ziehe, heißt es. Den Platz stellt ihm das Bezirksamt Mitte bis Ende März
       zur Verfügung, die 22,50 Euro pro Tag übernimmt das Amt. Eine langfristige
       Lösung gebe es nicht, sagt Daniel Z. der taz. Ihm sei eine andere Wohnung
       angeboten worden, allerdings weder preislich gleichwertig noch leerstehend.
       Innerhalb von 8 Tagen sollte er sich entscheiden. Noch bevor er zusagen
       konnte, wurde der bis 31. 3. geltende Räumungsaufschub aufgehoben –
       Begründung: Ihm drohe keine Obdachlosigkeit.
       
       Die Räumung an sich sei „locker“ abgelaufen, berichtet Z. im Anschluss,
       allerdings sei die Polizei schon seit 23 Uhr am Vorabend vor Ort gewesen.
       „Wir kämpfen hier für die Menschen dieser Stadt!“, rufen Aktivist*innen
       den Beamt*innen zu – die reagieren mit schelmischem Lächeln.
       
       Die Demonstrant*innen sind empört: „Mich ärgert es dermaßen, dass es unter
       Rot-Rot-Grün überhaupt noch Zwangsräumungen gibt. Wenn nicht die, wer
       dann?“, fragt Steffen Doebert, ein Freund von Z., und fügt hinzu:
       „Räumungsurteile werden jeden Tag gefällt. Aber diese Zwangsräumung ist
       besonders unanständig.“
       
       Um Viertel vor acht zieht die kleine Demonstration dann friedlich, aber eng
       von Polizist*innen umringt, zum Rathaus Wedding und zum Jobcenter
       Berlin-Mitte.
       
       26 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alissa Geffert
       
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