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       # taz.de -- „Schwesterlein“ im Berlinale-Wettbewerb: Hamlet reist in die Schweiz
       
       > In Stéphanie Chuats und Véronique Reymonds Berlinale-Beitrag spielt Nina
       > Hoss Lars Eidingers „Schwesterlein“. Und Eidinger ein bisschen sich
       > selbst.
       
   IMG Bild: Eng verbunden: die Zwillingsgeschwister Lisa (Nina Hoss) und Sven (Lars Eidinger)
       
       Lisa (Nina Hoss) lebt als Schriftstellerin und Lehrerin mit ihrem Mann
       Martin (Jens Albinus) sowie ihren zwei Kindern in der Schweiz. Martin
       leitet ein internationales Elite-Internat bei Lausanne. Die Vereinbarung
       zwischen Martin und Lisa, in der Schweiz zu leben, sie besteht auf Zeit.
       Lisa möchte zurück nach Berlin, Martin jedoch seine Karriere in der Schweiz
       fortsetzen. Als Lisas Zwillingsbruder Sven (Lars Eidinger) an Krebs
       erkrankt, geraten die bisherigen Gewissheiten ins Wanken. Lisa ist
       Zwillingsbruder Sven eng verbunden.
       
       Sven ist (wie Lars Eidinger und auch Nina Hoss im wirklichen Leben) ein
       berühmter Theaterschauspieler an der [1][Berliner Schaubühne]. Und um
       dieses Spiel mit dokufiktional anmutenden Elementen in Stéphanie Chuat und
       Véronique Reymond Wettbewerbsbeitrag „Schwesterlein“ komplett zu machen,
       füllt die Rolle des Schaubühnen-Intendanten Thomas Ostermeier selbst aus.
       Ostermeier, langjähriger Leiter der Schaubühne, erscheint dabei als kein
       allzu schlechter Darsteller seiner selbst, so er sich in seinen Stärken und
       Schwächen filmisch inszeniert.
       
       Es ist sicher dieses Spiel mit dem Sich-selber-Darstellen, das
       „Schwesterlein“ über ein Spartenpublikum hinaus von Interesse sein lässt.
       Nina Hoss, Lars Eidinger und Thomas Ostermeier gemeinsam mit
       internationalen Stars wie Marthe Keller oder dem Dänen Jens Albinus in
       einem Filmdrama, dazu die Schaubühne als Requisite und Kulisse. Aber trägt
       diese fiktive Story vom tödlich an Krebs erkrankten Bühnenstar und
       Zwillingsbruder tatsächlich für einen Wettbewerbs-Beitrag auf der
       Berlinale?
       
       Einzelne Episoden und Dialoge scheinen sehr gelungen. Marthe Keller spielt
       eine schusselige, selbstbezogene, hassens-, aber auch liebenswerte
       alkoholische Schauspielermutter, für die nach Brecht nichts mehr kam. Außer
       vielleicht noch ihr Bühnenstar-Sohn Sven, aber der ist ja nun unansehnlich
       und krank. Ganz bestimmt aber nicht ihre bühnenflüchtige Tochter Lisa.
       
       ## Sachertorte als Ritual
       
       Im antiquarischen Chaos der Berliner Altbauwohnung schwelgt diese Frau in
       nostalgischen Erinnerungen, dämpft sich mit Pychopharmaka, ist manchmal
       böse. Der Film stellt dies angenehm unverkrampft und humorvoll dar. Ein
       Überbleibsel des einst vertrauten Familienrituals ist die Zubereitung der
       Sachertorte. Sie verbrennt regelmäßig, schmeckt aber genau so.
       
       Es leuchtet ein, dass Lisa (Nina Hoss) vor diesem chaotischen Berliner
       Bühnenleben, das sich auch ins Private zieht, den Absprung ins mehr oder
       weniger biedere Schweizer Idyll riskierte. Sicherheit gegen Rollenteilung.
       Auch Lars Eidinger spielt sich selbst gekonnt mit schwarzen Humor,
       verschorft, mit unterschiedlichen Perücken und blau lackierten
       Fingernägeln. Hamlet, der tragische Held.
       
       Die Schauspieler lohnen den Besuch von „Schwesterlein“ jedenfalls. Die
       Ausgestaltung des ambivalenten Familienlebens von Hoss und Albinus in der
       Westschweiz nach Eintreffen des fragilen und zugleich raumergreifenden
       Aliens Eidinger ist sehr gelungen. Doch im letzten Drittel nervt das allzu
       assoziative und selbstbezügliche Schauspielergebabbel („hinter dem Weiß ist
       das Dunkel“). Der Film verzehrt sich ein wenig an seinen tragischen
       Legenden selbst.
       
       25 Feb 2020
       
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