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       # taz.de -- Kampf um bezahlbaren Wohnraum: Das ist Wohnsinn!
       
       > Der Bremer Senat will rund 1.000 neue Sozialwohnungen schaffen. Davon
       > profitieren werden weniger die Armen als der Mittelstand.
       
   IMG Bild: Kein Fall für Arme: Neubau auf dem Stadtwerder in Bremen
       
       BREMEN taz | Der rot-grün-rote Senat in Bremen hat am Dienstag eine Reihe
       von Maßnahmen beschlossen, die für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen sollen.
       Insgesamt sollen in der laufenden Legislaturperiode 10.000 neue Wohnungen
       entstehen. Die Zahl der Sozialwohnungen soll von derzeit 6.900 auf 8.000
       steigen. Vor zwölf Jahren gab es noch 11.500, räumte Bürgermeister Andreas
       Bovenschulte (SPD) ein.
       
       Die Sozialwohnungsquote soll von 25 auf 30 Prozent steigen, zudem die
       Sozialbindung von 20 auf „mindestens 30 Jahre“ verlängert werden. Letzteres
       geht nur im Einvernehmen mit den Eigentümer*innen, die sich das vom Staat
       bezahlen lassen. Bremen möchte auslaufende Belegbindungen verlängern – und
       sieht „ein Potenzial von 300 Wohnungen“. Das kann laut Bauressort bis 2022
       bis zu vier Millionen Euro kosten.
       
       Die Sozialwohnungen kosten – je nachdem welchen Klimaschutzstandards sie
       entsprechen – sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter an Miete. Eine höhere
       Grundmiete soll durch niedrigere Nebenkosten ausgeglichen werden. Auf diese
       Weise will die grüne Bausenatorin Maike Schaefer höhere
       Klimaschutzstandards durchsetzen.
       
       Diese „B-Schein-Wohnungen“ richten sich aber „nicht primär an
       Transferleistungsbezieher*innen“, erklärt Bovenschulte. Denn für die sind
       sie oftmals schon zu teuer. „Uns geht es um die erwerbstätige
       Alleinerziehende, die Rentnerin oder die Familie, die Nachwuchs bekommt“,
       sagt SPD-Baupolitiker Falk Wagner – „alle sollen sich Wohnen in Stadtteilen
       wie Findorff weiter leisten können“.
       
       Anspruch auf geförderten Wohnraum hat ein Zwei-Personen-Haushalt bis zu
       einem Bruttojahreseinkommen von 42.000 Euro, bei einem
       Vier-Personen-Haushalt sind es 63.000 Euro. Eine fünfköpfige Familie kann
       bis zu einem Jahreseinkommen von knapp 74.000 Euro Anspruch auf eine
       geförderte Neubauwohnung erheben. Zum Vergleich: [1][Lehrer*innen, die nach
       A 13 besoldet sind, bekommen in Bremen derzeit mindestens 52.000 Euro im
       Jahr brutto für eine volle Stelle.]
       
       In Bremen geben rund 47 Prozent der Mieter*innen über 30 Prozent ihres
       Einkommens für die Miete aus, rund 23 Prozent sogar über 40 Prozent. Das
       geht aus einer umfassenden Analyse der [2][Hans-Böckler-Stiftung] hervor,
       die 77 deutsche Großstädte verglichen hat. Bremen liegt in dieser Studie
       auf Platz 5, Bremerhaven auf Platz 6 der teuersten Städte – hinter
       Düsseldorf, aber noch vor Hamburg und München. Die Linke forderte deshalb
       in der Vergangenheit schon vehement einen Mietendeckel, auch in der SPD
       fand man die Idee „sympathisch“. Das Aktionsbündnis „Menschenrecht auf
       Wohnen“ fordert einen zunächst auf fünf Jahre befristeten Mietpreisstopp.
       
       Davon ist derzeit in der Koalition aber nicht die Rede, dafür von einem
       „Impulsflächenprogramm“, also einer Liste, auf der steht, wo genau neue
       Häuser entstehen könnten, um das Angebot an Mietwohnungen auszuweiten.
       Bovenschulte spricht von „aberdutzenden von Flächen“, das Bauressort von
       einem Potenzial für 25.000 bis 30.000 Wohnungen in Bremen und Bremen-Nord.
       Die umstrittene Osterholzer Feldmark wird nicht auf dieser Liste stehen.
       
       Allein in Baulücken könnten 2.000 bis 2.500 Wohneinheiten entstehen, sagt
       der Sprecher des Bauressorts – aber keine Sozialwohnungen, denn die Quote
       greift erst, wenn auf einer Fläche mindestens 20 Wohneinheiten entstehen.
       2018 wurden in Bremen 1.809 Wohneinheiten fertiggestellt und 2.270
       genehmigt. Schaefer sieht sich damit „im Plan“. Zwischen 2014 und 2018
       seien etwa 3.000 Wohneinheiten mehr genehmigt als fertiggestellt worden,
       ergänzt ihr Sprecher.
       
       ## „Prüfen“ und „denken“
       
       Noch etwas vage bleibt der Senat dort, wo es nicht um die Förderung von
       Investoren, sondern von Genossenschaften „und anderen
       kollektiv-solidarische Formen des Wohneigentums“ geht. Sie sollen „noch
       besser unterstützt werden“, heißt es. Die Möglichkeit einer
       Anschubfinanzierung wird aber nur „geprüft“, zinslose Darlehen für den Kauf
       von Genossenschaftsanteilen oder Baukostenzuschüsse sind lediglich
       „denkbar“. Nach Ressortangaben könnte die Genossenschaftsförderung bis 2022
       etwa 3,5 Millionen Euro kosten.
       
       Insgesamt soll das neue Wohnraumförderprogramm ein Volumen von 90 Millionen
       Euro haben. Da es sich um Darlehen handelt und Gelder aus bisherigen
       Programmen zurückfließen, ist das Konzept laut Bauressort
       „haushaltsneutral“.
       
       4 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/hb?id=beamte-bremen-2020&matrix=1
   DIR [2] /R2G-in-Bremen-uneins-in-der-Mietpolitik/!5640479&s=Barloschky/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
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