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       # taz.de -- ZDF-Dreiteiler „Unterleuten“: Ein Kampf gegen Windräder
       
       > Die Thematik von Juli Zehs Bestseller „Unterleuten“ ist auch 2020 noch
       > hochaktuell. Doch der Miniserie fehlt es an Tiefe und Spannung.
       
   IMG Bild: Rudolf Gombrowski (Thomas Thieme) will vor allem eines: Geld
       
       Politik, Intrigen und rauchende Männer. Die Miniserie „Unterleuten – Das
       zerrissene Dorf“ ist [1][das deutsche „House of Cards“]. Doch während es in
       der Netflix-Serie um Politik-Intrigen, Staatsschulden und Außenpolitik
       geht, ist der ZDF-Dreiteiler in einer brandenburgischen Gemeinde
       angesiedelt, die zwischen Großinvestoren aus Westdeutschland und dem Erhalt
       des ländlichen Lebens steht. Im Mittelpunkt des Kulturkampfes: zehn neue
       Windräder, die im unmittelbaren Umkreis des Dorfes gebaut werden sollen.
       
       Denn die möchte niemand so wirklich haben. Nur beim Profitieren, da sind
       alle wieder mit an Bord. Allen voran Gombrowski (Thomas Thieme), der dunkle
       Absolutist der Dorfpolitik, und Linda Franzen (Miriam Stein), eine junge
       Zugezogene. Denn auf ihrem jeweiligen Land kann gebaut werden – was eine
       enorme Wertsteigerung bedeuten würde.
       
       Daraus entspinnt sich ein Konflikt, bei dem manch einer nach dem großen
       Geld greift. Andere hingegen wollen den Bau verhindern: Etwa der
       Altkommunist Kron (Hermann Beyer), der sich gegen den einziehenden Kommerz
       stellt, oder Vogelschützer Gerhard Fließ (Ulrich Noethen), der verhindern
       will, das Naturschutzgebiete weggerodet werden.
       
       ## Alte Gesellschaft statt Naturschutz
       
       [2][Der Kampf um Windräder,] auch in der Realität ein hochpolitisches Thema
       in Brandenburg. Doch Naturschutz und erneuerbare Energien spielen in der
       Serie eine untergeordnete Rolle. Der Hauptkonflikt ist eher: Erhaltung der
       alten Gesellschaft und die Hochhaltung gemeinschaftlicher Werte versus die
       egoistisch-reichen kosmopolitischen „Heuschrecken“-Investoren, die sich
       persönlich bereichern wollen, natürlich unterstützt von einigen macht- und
       geldgierigen Einwohner*innen.
       
       Auch sonst tut sich die Serie schwer. Als Adaption des gleichnamigen
       Erfolgsromans musste der preisgekrönte Regisseur Matti Geschonneck in große
       Fußstapfen treten. Die Autorin [3][Juli Zeh blieb mit „Unterleuten“] 2016
       nicht nur 78 Wochen lang in der Top-50-Bestseller-Liste, sondern erschuf
       auch eine Welt, die über die Buchgrenzen hinaus lebendig wurde – eine Art
       multimediales Gesamtkunstwerk. Auf einer eigenen Website erstellte der
       Verlag Steckbriefe für jede*n Bewohner*in inklusive einer interaktiven
       Karte des Dorfes.
       
       Diese Faszination konnte nicht auf den Fernsehbildschirm übertragen werden.
       Auch die Perspektivwechsel des Romans, die nach und nach die Wahrnehmung
       der Dorfbewohner*innen beleuchten, finden in Serienform nicht statt.
       Dadurch kann sich die im Roman herausgestellte Subjektivität nicht als
       Konfliktherd entfalten. Viele Handlungsstränge verlieren an Gewicht, vor
       allem das Finale.
       
       ## Hölzerne Dialoge und Klischees
       
       Obwohl Darsteller wie Hermann Beyer, bekannt aus „Vergiss dein Ende“ und
       der Netflix-Serie „Dark“, oder auch Ulrich Noethen („Das Tagebuch der Anne
       Frank“, „Hannah Arendt“) in der Vergangenheit ihre Fähigkeit vielfach
       bewiesen haben, wirkt das Schauspiel holzig. Das liegt vor allem an den
       Dialogen, die zwischen durchaus klug über unfreiwillig komisch bis zu
       schwer erträglich sind.
       
       Die einzelnen Charaktere mögen in der Romanvorlage komplex und
       vielschichtig sein, in der Serie sieht man jedoch nur Abziehbilder von
       Klischees. Zum Beispiel Meiler, Immobilieninvestor, der nicht nur ein
       eiskalter Geschäftsmann ist, sondern auch Eheprobleme und einen
       drogensüchtigen Sohn hat. Oder Hilde Kessler, alte Frau, unverheiratet und
       Besitzerin von dutzenden Katzen.
       
       „Unterleuten“ sollte hochaktuell sein. Die Themen, die besprochen werden
       sind es: gesellschaftlicher Zusammenhalt, Aufarbeitung der Post-Wende-Zeit
       und der Konflikt zwischen dem Erhalt alter Strukturen und dem
       Nachhaltigkeitswandel auf dem Land. Der Serie fehlt jedoch die Tiefe, um
       sich diesen Themen adäquat stellen zu können. Stattdessen bleibt sie
       oberflächliche Unterhaltung. Vielleicht hätte sich statt des ZDF ja
       Netflix an den Stoff wagen sollen.
       
       2 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Matej Snethlage
       
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