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       # taz.de -- Karlsruhe urteilt zur Suizidhilfe: Viel radikaler als erwartet
       
       > Das Urteil schafft ein Recht auf einen milden Suizid mit Begleitung. Für
       > die braucht es jetzt Mindeststandards.
       
   IMG Bild: Wir haben alle ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, hat das BVG entschieden
       
       So nicht. Das ist die klare Botschaft aus Karlsruhe. [1][Das Verbot der
       geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung] ist verfassungswidrig. Es verstößt
       gegen ein neu definiertes „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“. Dieses
       Recht schütze auch, sich beim Sterben helfen zu lassen, so die Richter.
       
       Dabei wären rechtlich auch andere Lösungen für die Richter denkbar gewesen.
       Denn auch die Befürworter des Gesetzes argumentierten mit dem Schutz der
       Selbstbestimmung am Lebensende. Sie befürchteten, dass alte Menschen
       vorschnell und letztlich unfreiwillig aus dem Leben scheiden, weil sie
       niemandem zur Last fallen wollen. Der assistierte Suizid dürfe deshalb
       nicht zu einer normalen Dienstleistung werden.
       
       Karlsruhe ist dieser Argumentation aber zu Recht nicht gefolgt. Denn wenn
       man sie ernst nähme, würde sie jede Selbstbestimmung am Lebensende
       verhindern. Dann wäre nicht nur der assistierte Suizid zu gefährlich,
       sondern auch das – bisher nicht umstrittene – Recht auf Abbruch einer
       lebensverlängernden ärztlichen Behandlung. Die Konstellation ist
       schließlich ganz ähnlich.
       
       Doch Karlsruhe hat nicht nur [2][die Interessen von Todkranken] im Blick,
       sondern geht weit darüber hinaus. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben
       ist als Akt autonomer Selbstbestimmung nicht auf das sichtbare Lebensende
       begrenzt. Insofern ist das Karlsruher Urteil weit radikaler als erwartet.
       
       Auch Menschen, die noch gesund sind und daher durchaus von einer Brücke
       springen könnten, haben ein Recht, sich beim Suizid helfen zu lassen.
       Nebenbei haben die Richter damit ein Recht auf einen milden medikamentösen
       Suizid mit professioneller Begleitung geschaffen.
       
       Überraschend ist auch, dass diese Begleitung nicht in erster Linie von
       Ärzten geleistet werden soll, sondern von den umstrittenen
       Sterbehilfe-Vereinen. Die Richter fürchten, dass es viel zu wenig Ärzte
       gäbe, die hierzu bereit wären. Wollen Ärzte am Lebensende weiter die
       zentrale Rolle spielen? Dann müssen die von vielen Ärztekammern
       ausgesprochenen Verbote des ärztlich assistierten Suizids schnell
       zurückgenommen werden.
       
       Auf jeden Fall sollte der Bundestag bald ein neues Gesetz beschließen, um
       Mindeststandards für Suizidhilfe-Vereine festzulegen. Es muss
       sichergestellt werden, dass vom Recht auf selbstbestimmtes Sterben nur
       Menschen Gebrauch machen können, die frei verantwortlich entscheiden
       können. Da nach Angaben von Experten rund 90 Prozent der Suizidversuche
       Folge psychischer Erkrankungen sind, sollte der Bundestag schnell handeln.
       
       26 Feb 2020
       
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