# taz.de -- Flucht aus Syrien: Bekämpft die Ursachen!
> Europa will Flüchtende fernhalten. Die stehen aber an der Grenze, weil
> nichts zu ihrem Schutz unternommen wurde.
IMG Bild: Von der EU mitfinanziert: Mauer an der syrisch-türkischen Grenze
Die Bilder von der türkisch-griechischen Grenze sind schockierend. Aber das
menschenrechtliche Versagen Europas beginnt nicht erst mit Tränengas und
Schüssen gegen Flüchtende. Das Versagen Europas beginnt, wo wir
schulterzuckend zulassen, dass Autokraten und Diktatoren Zivilist*innen
massakrieren. Es beginnt dort, wo schwerste Kriegsverbrechen straflos
bleiben und die Täter gar noch auf diplomatische Schmeicheleien,
wirtschaftliche Kooperation oder Rüstungsgüter hoffen dürfen.
Allein seit Dezember 2019 haben das Assad-Regime und die russische
Luftwaffe [1][fast eine Million Menschen in der Region Idlib] in Richtung
türkischer Grenze vertrieben. Sie fliehen vor einem Regime, das in den
letzten neun Jahren Hunderttausende Menschen inhaftiert und Zehntausende zu
Tode gefoltert hat – oft nur, weil sie als illoyal gegenüber dem syrischen
Staat galten. Die EU hat dabei zugesehen.
Gekümmert hat sich die EU nur darum, dass es die fliehenden Syrer*innen
nicht nach Europa schaffen – und hat dafür Erdoğan als Türsteher
eingekauft: Mit EU-Geld hat er an der syrischen Grenze eine meterhohe Mauer
errichten lassen. An deren Wand stehen die Syrer*innen in Idlib nun mit dem
Rücken. Weil der Druck auf die Grenze immer größer wird, geht die Türkei
jetzt militärisch gegen Assads Offensive vor – und hat Tausende Flüchtlinge
an die EU-Grenzen geschickt, um dafür Unterstützung von der EU zu
erpressen.
Doch die Flüchtlinge stehen nicht an den Grenzzäunen Europas, weil Erdoğan
sie schickt. Sie stehen dort, weil die EU nichts zu ihrem Schutz
unternommen hat. Wenn die EU ihren menschenrechtlichen Ansprüchen auch nur
ein bisschen näher kommen will, muss sie eine außenpolitische Kehrtwende
vollziehen. Die europäischen Staaten müssen endlich eine aktive
Friedenspolitik verfolgen, etwa indem sie eine UN-Schutzzone ins Spiel
bringen, und sie dürfen es nicht der Türkei überlassen, die syrische
Zivilbevölkerung vor Bombardements zu schützen. Es gilt, nicht die Symptome
zu bekämpfen, sondern die Ursachen – und die liegen in Syrien.
10 Mar 2020
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DIR Daniel Steinmaier
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